Junger Mann erklärt einer anderen Person etwas
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Anthropologie
Satzbau einer Sprache beeinflusst das Denken

Sprache und Kognition hängen enger zusammen als bisher erforscht. Das hat ein interdisziplinäres Team eines Max-Planck-Instituts herausgefunden.

06.02.2019

Die eigene Muttersprache hat einen starken Einfluss auf das Denken. Sie beeinflusst die Art, wie wir Informationen verarbeiten, speichern und abrufen. Viele Studien widmen sich dem Zusammenhang. Auf den Einfluss der sogenannten Verzweigungsrichtung einer Sprache hat sich jetzt ein interdisziplinäres Forscherteam aus Psychologen, Linguisten und Biologen am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie konzentriert.

"Die wichtigste Erkenntnis der Studie ist, dass sich Sprecher linksverzweigter Sprachen bei verbalen und nicht verbalen Arbeitsgedächtnisaufgaben besser an anfängliche Reize erinnern können", sagte Forscher Alejandro Sanchéz-Amaro, derzeit in der Abteilung für Kognitionswissenschaft an der University of California, San Diego, laut einer Mitteilung des Instituts.

Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch sind demnach typische Rechtsverzweigungssprachen (RB). Der Satzkopf steht normalerweise an erster Stelle, zum Beispiel "die Frau" oder "der Mann". Dahinter – also gewissermaßen rechts vom Kopf – folgt eine Abfolge von Modifikatoren, die zusätzliche Informationen liefern. Im Gegensatz dazu gehen in Linksverzweigungssprachen (LB-Sprachen) wie Japanisch, Türkisch oder Finnisch Modifikatoren im Allgemeinen den Köpfen voran.

Linksverzweigte Sprachen: Satzaussagen lange ungewiss

Um herauszufinden, wie sich die Verzweigungsrichtung einer Sprache auf das Denken der Befragten auswirkt, sind die internationalen Forscherinnen und Forscher in acht verschiedene Sprachkulturen gereist. Vor Ort haben sie Gedächtnistests durchgeführt. Dabei mussten ihre Probandinnen und Probanden Wörter, Zahlen und räumliche Stimuli verarbeiten.

Die bessere Erinnerung an zurückliegende Reize bei Personen mit linksverzweigten Muttersprachen erklärt sich Forscher Sanchéz Amaro damit, dass das Verstehen von Sätzen in LB-Sprachen in Echtzeit sehr stark davon abhängt, sich Informationen zu merken, die am Anfang stehen, was in RB-Sprachen nicht der Fall sei.

In RB-Sprachen könnten Sprecher Informationen dagegen in der Reihenfolge verarbeiten, in der sie im Satz vorkommen. Die Satzköpfe werden zuerst angezeigt und Modifikatoren beeinflussen Satzanalyse-Entscheidungen nur selten.

Im Gegensatz dazu könnten LB-Strukturen bis zum Ende sehr vieldeutig sein, da am Satzanfang stehende Modifikatoren oft erst nach der Analyse des Satzkopfes eine klare Bedeutung bekämen. Daher müssten LB-Sprecher möglicherweise am Anfang eines Satzes stehende Modifikatoren im Arbeitsgedächtnis behalten, bis der Kopf zum Verständnis des Satzes hinzugezogen werde.

Die Tatsache, dass Verzweigungsrichtung und Wortreihenfolge mit einem solch grundlegenden kognitiven Prozess wie dem Gedächtnis verknüpft sein könnten, eröffne neue Möglichkeiten für die psycholinguistische Forschung. Insgesamt gibt es laut Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie derzeit weltweit mehr als 7.000 gesprochene Sprachen.

kas