Illustration von mehreren Coronaviren
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Kristallstruktur
Schlüsselelement des Coronavirus aufgeklärt

Ein Lübecker Forschungsteam hat die Struktur eines Hauptenzyms des neuen Coronavirus entschlüsselt. Das beschleunigt die Entwicklung von Medikamenten.

20.03.2020

Eine Forschungsgruppe an der Universität zu Lübeck hat ein Bild des Schlüsselenzyms im Lebenszyklus des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 erstellt. Das Team um Professor Rolf Hilgenfeld hat gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) die Struktur der viralen Hauptprotease (Mpro, auch 3CLpro genannt) mittels Röntgenkristallographie in hoher Auflösung aufgeklärt. Die Studie wurde heute in "Science“ veröffentlicht, teilte die Universität mit.

Der Erreger der Covid-19-Pandemie benötigt das untersuchte Enzym, um sich zu vermehren. Es ist daher ein naheliegender Angriffspunkt für die Therapie. "Wenn es uns gelingt, die Hauptprotease zu blockieren, können wir die Virusreplikation unterbinden", erklärt Professor Hilgenfeld, Direktor des Instituts für Biochemie der Universität zu Lübeck. Medikamente gegen eine Erkrankung mit Sars-CoV-2 könnten nun leichter entwickelt und verbessert werden, da ein dreidimensionales Bild von der Protease vorhanden ist. Das erfordere jedoch umfangreiche weitere Studien.

Der Chemiker und Strukturbiologe arbeitet laut Mitteilung seit 1998 an Coronaviren und seit Beginn des Mers-Ausbruchs 2013 an viralen Hemmstoffen. Seither entwickelte und optimiere sein Team Hemmstoffe gegen alle möglichen Coronaviren. Hilgenfeld habe bereits zuvor dreidimensionale Strukturen von viralen Proteasen aufgeklärt, beispielsweise des Sars-Virus und des Zikavirus.

Wie die 3D-Struktur zustande kam

Seit Mitte Januar eine chinesische Arbeitsgruppe die genetische Sequenz von Sars-CoV-2 veröffentlicht hat, arbeitete das Lübecker Team an der Strukturaufklärung seines Hauptenzyms. Anfang Februar haben sie laut Mitteilung die kristallisierten Enzyme zum BESSY-Synchrotron in Berlin gebracht, um sie dort in einen intensiven Röntgenstrahl hineinzubringen. Durch Beugung der Röntgenstrahlen an den Kristallen erhielten die Forschenden Information über die Anordnung aller Atome im dreidimensionalen Raum. Mittels etablierter mathematischer Computerverfahren ist daraus ein dreidimensionales Bild entstanden.

Auch einen bereits vorhandenen potenziellen Hemmstoff gegen die Virus-Struktur haben die Forscherinnen und Forscher der Mitteilung zufolge bereits getestet und weiterentwickelt. Erste vielversprechende Tests an Mäusen und menschlichen Zungenzellen habe dazu das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und die Universität Marburg durchgeführt.

Aus diesem Wirkstoff soll nun ein Medikament entwickelt werden. "Dafür müssen wir ein pharmazeutisches Unternehmen ins Boot holen, da nur so die finanziellen Belastungen klinischer Versuche getragen werden können", sagt Hilgenfeld. Er erwarte Unterstützung von einem Konsortium von Unternehmen und öffentlichen Forschungsinstitutionen, welches sich gegenwärtig als Teil einer Initiative der Europäischen Kommission zum Kampf gegen das neue Coronavirus bilde."Ganz sicher wird es mehrere Jahre dauern, bis unser Wirkstoff zu einem Anti-Coronavirus-Medikament entwickelt sein wird", warnt Hilgenfeld.

ckr