Das Foto zeigt den Lake Tahoe in Nevada/USA
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Empirische Ästhetik
Schöne Natur – umstrittene Kunst

Neue Untersuchungen eines internationalen Forscherteams zeigen: Menschen urteilen über natürliche Objekte einheitlicher als über kulturelle Werke.

31.07.2018

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Aus wissenschaftlicher Sicht trifft diese gängige Aussage zumindest teilweise zu, wie neue Forschungen am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit der New York University zeigen. In einer Reihe von Experimenten wurden laut Mitteilung des MPI Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer gebeten, sich Bilder verschiedener ästhetischer Bereiche anzusehen. Diese reichten von menschlichen Gesichtern über Naturlandschaften bis zu Architektur und Kunstwerken.

Die Studienteilnehmer sollten bewerten, wie ästhetisch ansprechend sie die Bilder fanden. In einer zweiten Aufgabe mussten sie sich mehr anstrengen, um durch schnelles Drücken von Tasten ihre Lieblingsbilder länger auf dem Bildschirm angezeigt zu halten. Während die erste Aufgabe darauf abzielte, die "Vorliebe" der Teilnehmer für das, was sie sahen, zu beurteilen, maß die zweite Aufgabe den Grad des "Begehrens". Anhand der beiden Aufgaben haben die Forscher dann den Grad des "gemeinsamen Geschmacks" für jeden Bereich, aus dem die Bilder entstammten, gemessen – also das Maß, in dem sich die Menschen darüber einig waren, was sie sehen wollten.

Größte Übereinstimmungen bei Gesichtern und Naturlandschaften

Beide Aufgaben zeigten laut MPI, dass es die größten Übereinstimmungen im gemeinsamen Geschmack bei Gesichtern gibt, gefolgt von Naturlandschaften. Wenn es um Gesichter und Landschaften geht, tendieren unterschiedliche Menschen offensichtlich dazu, das Gleiche zu mögen. Anders sieht die Sache bei Architektur oder Kunstwerken aus. Hier gab es kaum Überschneidungen im Geschmack. Was das Lieblingskunstwerk einer Person war, war für eine andere durchaus das unbeliebteste.

Die kürzlich in der Fachzeitschrift "Cognition" veröffentlichten Studienergebnisse weisen auf einen grundlegenden Unterschied zwischen natürlich vorkommenden ästhetischen Bereichen und Artefakten der menschlichen Kultur hin. "Verschiedene Menschen neigen dazu, auf natürlich vorkommende ästhetische Kategorien auf ähnliche Weise zu reagieren", sagt Edward Vessel, Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik und Hauptautor der Studie, "aber sie reagieren sehr individuell auf Artefakte, also auf von Menschen geschaffene Werke."

Relevanz für das Alltagsverhalten

Obwohl nicht klar ist, was genau den Unterschied zwischen natürlich vorkommenden ästhetischen Bereichen und kulturellen Artefakten ausmacht, argumentieren die Autoren der Studie laut MPI, dass dieser Unterschied etwas mit der Relevanz der verschiedenen Bereiche für das menschliche Alltagsverhalten zu tun haben könnte. "Ästhetische Urteile über Gesichter und Landschaften haben vielleicht eher konkrete Konsequenzen für unsere täglichen Entscheidungen als Urteile über Kunstwerke oder Architektur", vermutet Vessel. Dies führe vermutlich dazu, dass verschiedene Menschen bei Gesichtern und Landschaften ähnliche Merkmale schätzen.

Aus früheren Studien ist bekannt, dass Menschen – unabhängig von Ethnie und kulturellem Hintergrund – Gesichter bevorzugen, die symmetrisch sind und besonders männlich beziehungsweise weiblich ausgeprägt sind. Bei Landschaften wiederum werden allgemein offene Ausblicke, das Vorhandensein von Wasser und Anzeichen für menschliche Nutzung positiv bewertet.

Dass dagegen die Alltagsrelevanz von Kunst und Architektur nicht immer sofort erkennbar ist, könnte dazu führen, dass hier die meisten Menschen nicht zu einem übereinstimmenden Urteil gelangen. In weiteren Studien am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt will Edward Vessel der Frage nachgehen, ob und inwiefern das menschliche Gehirn auf unterschiedliche Weise auf diese verschiedenen ästhetischen Bereiche reagiert.

gri