Ein Mann, dem der Mund mit Klebeband zugeklebt wurde.
mauritius images / EyeEm / Dennis Schmauder

Wissenschaftsfreiheit
Selbstzensur bei Lehrenden und Forschenden

Hochschulen in der arabischen Welt sind keine Orte der freien Forschung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zensieren sich mehrheitlich selbst.

04.05.2021

Es ist schlecht bestellt um die Forschungsfreiheit in der arabischen Welt: Drei Viertel der Professorinnen und Professoren, die an arabischen Universitäten angestellt sind, geben in einer Umfrage an, dass sie sich im professionellen Kontext selbst zensieren. Statt zu sagen, was sie denken, hielten sie ihre Perspektiven zurück – aus Angst, dass sie dafür in Bedrängnis geraten könnten. Zu diesem Ergebnis kam eine Onlineumfrage von der unabhängigen Nachrichtenorganisation "Al-Fanar Media" (London) und dem "Scholars at Risk Network" (New York).

Berücksichtige man zusätzlich, dass Professorinnen und Professoren auch von offizieller Seite eingeschränkt seien, sei ihr Level der Unfreiheit noch höher, berichtet Al-Fanar Media. In offiziellen Sitzungen, gegenüber den Universitätsverwaltungen, im Gespräch mit Kollegen und vor Studierendengruppen gaben 86 Prozent der Befragten an, sich selbst zu zensieren. Ebenso weit verbreitet sei es in Onlineseminaren, im Emailverkehr und in den Sozialen Medien, nicht die tatsächliche eigene Meinung zu äußern.

Die Befragten fühlten sich laut Al-Fanar Media am stärksten von Sicherheitskräften bedrängt. Andere nannten die Universitätsleitungen oder Kolleginnen und Kollegen. 60 Prozent sorgten sich um ihre Arbeitsplätze und rechtliche Folgen, würden sie ihre tatsächlichen Meinungen sagen. Andere fürchteten den Verlust von Privilegien, Reisebeschränkungen und physische Gewalt – gegen sich selbst, gegen Angehörige oder Kolleginnen und Kollegen. Ein Viertel der Befragten habe berichtet, dass sie seit Beginn des vorherigen akademischen Jahres Opfer von Vergeltungsmaßnahmen professioneller, juristischer und gewalttätiger Art geworden seien.

Laut Mahmoud Naji, der als Wissenschaftler im Bereich Wissenschaftsfreiheit für die Menschenrechtsorganisation "Association for Freedom of Thought and Expression" in Kairo arbeitet, führe die Selbstzensur in der Konsequenz dazu, dass gesellschaftliche Probleme nicht gelöst werden könnten und keine Weiterentwicklung stattfinde. Zudem leide die Qualität der Lehre. Auch der nationale und internationale wissenschaftliche Austausch werde durch die Selbstzensur erschwert, wie Al-Fanar Media mit Verweis auf Benjamin Schmäling bemerkte, dem Direktor des DAAD-Büros in Amman in Jordanien.

Die Umfrage sei die erste ihrer Art in der arabischen Welt. Sie wurde zwischen November 2020 und März 2021 durchgeführt. 190 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 17 Ländern antworteten. Sie stammen aus Algerien, Ägypten, dem Irak, Jordanien, Kuweit, dem Libanon, Libyen, Marokko, dem Oman, Palästina, Saudi Arabien, Somalia, dem Sudan, Syrien, Tunesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Jemen. Die Ergebnisse deckten sich mit der neuesten Ausgabe des "Academic Freedom Index", bei dem die Länder der arabischen Welt mehrheitlich das Schlusslicht bilden.

cpy