Soziale Medien
Untersuchung des Instagram-Algorithmus vorzeitig beendet
Ein deutsches Forschungsprojekt, das den Empfehlungsalgorithmus von Instagram erkunden wollte, ist auf Drängen der Konzernmutter Facebook eingestellt worden. Die Organisation Algorithmwatch berichtete am Freitag, der Konzern habe ihr einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen vorgeworfen, die eine automatische Erfassung von Daten verbieten. Angesichts von Facebooks Drohung, "formellere Schritte" einzuleiten, habe man das Projekt vorzeitig beendet. "Letztendlich kann eine Organisation von der Größe von Algorithmwatch nicht riskieren, gegen ein Unternehmen mit einem Wert von einer Billion US-Dollar vor Gericht zu ziehen."
"Wir haben nicht gedroht, sie zu verklagen", sagte ein Facebook-Sprecher in einer ersten Reaktion. Man habe Bedenken wegen der Vorgehensweise von Algorithmwatch gehabt und habe sie kontaktiert, damit sie die Forschungen regelkonform hätten fortsetzen können, erklärte er. "Die angeblichen Mängel wurden nie aufgelistet", schrieb die Organisation unterdessen.
Algorithmwatch hatte das Projekt im März 2020 gestartet, um besser zu verstehen, wie der Algorithmus von Instagram Bilder und Videos in der Timeline von Nutzerinnen und Nutzern priorisiert. "Freiwillige konnten dazu ein Browser-Add-on installieren, das ihre Instagram-Newsfeeds auslas und an unsere Datenbank sendete", erläuterte die Organisation. Dieses Add-on sei von rund 1.500 Freiwilligen installiert worden. Auf Basis ihrer Daten kam Algorithmwatch zu den Schlussfolgerungen, dass Nutzerinnen und Nutzer ermutigt würden, Bilder mit viel nackter Haut zu posten. Politikerinnen und Politiker bekämen eine größere Reichweite, wenn sie auf Text verzichteten. Facebook bestritt beide Ergebnisse.
Eingeschränkter Zugriff für Forschende
In einem ähnlich gelagerten Konflikt sperrte Facebook jüngst Forschende der New York University aus, die Anzeigen mit politischen Inhalten bei dem Online-Netzwerk analysierten. Der Facebook-Sprecher betonte am Freitag: "Wir wollen weiterhin mit unabhängigen Forschern zusammenarbeiten, aber auf Wegen, die nicht Daten oder die Privatsphäre von Menschen in Gefahr bringen." Facebook berufe sich laut Algorithmwatch auf eine Anordnung der Federal Trade Commission (FTC), der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde. Am Tag nachdem bekannt wurde, dass Facebook die Konten der Forschenden gesperrt hatte, bezeichnete die FTC dies allerdings als "unzutreffend". Sie unterstütze das Projekt der NYU und fordere Facebook auf, gegen seriöse Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mit eigennützigen Auslegungen des Datenschutzrechts vorzugehen.
Was hinter der Untersuchung steht
Algorithmwatch betonte in einer Stellungnahme den immensen Einfluss von Plattformen wie Instagram, der selbst Fragen der Identitätsbildung und Wahlentscheidungen betreffe. Wie sie das tun, darüber wisse man wenig: "Nur wenn wir verstehen, wie unsere Öffentlichkeit durch die algorithmischen Entscheidungen der Plattformen beeinflusst wird, können wir Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sie nicht unsere Autonomie, Freiheit und das Gemeinwohl untergraben."
Die Untersuchung von Algorithmwatch wurde vom Europäischen Netzwerk für Datenjournalismus und von der niederländischen Stiftung SIDN unterstützt und in Zusammenarbeit mit Medienunternehmen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden durchgeführt.
dpa/cpy