Auge
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Augenforschung
Veränderte Textgestaltung könnte Kurzsichtigkeit verhindern

Durch vieles Lesen auf kurze Distanz verschlechtern wir laut geläufiger Annahme unsere Sehkraft. Eine aktuelle Studie sieht das Grundpoblem woanders.

07.08.2018

Die Zahl der Menschen mit Kurzsichtigkeit nimmt in Deutschland immer weiter zu. Es scheint das notwendige Übel eines wachsenden Bildungsstandards zu sein. Je mehr man liest – gedruckt und vor dem Bildschirm – desto schlechter sehen wir über weite Entfernungen. Das Auge ist schlicht nicht mehr darin geübt. Mit Übungen könnte man der Entwicklung entgegenwirken, doch der Risikofaktor für eine Kurzsichtigkeit, im medizinischen Fachterminus "Myopie", sei unvermeidbar. Doch stimmt das?

Ein Forscherteam des Instituts für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen kam kürzlich zu einem anderen Schluss. Die Wissenschaftler haben untersucht, wie sich beim Lesen am Bildschirm der Kontrast zwischen Text und Hintergrund auf unsere Augen und Sehkraft auswirkt. Dabei kamen sie zu einem interessanten Ergebnis: Dunkler Text auf hellem Hintergrund, also die typische Art zu lesen, befördere Kurzsichtigkeit. Bei hellem Text auf dunklem Hintergrund sei dies dagegen nicht der Fall.

Zu ihrem Schluss kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in dem sie bei ihren Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmern die Veränderung der Dicke ihrer Aderhaut gemessen haben, während diese einen Text am Bildschirm gelesen haben. Die Aderhaut ist die Schicht hinter der Netzhaut. Diese sei bereits innerhalb von 30 Minuten signifikant dünner geworden, wenn schwarzer Text gelesen worden sei, und dicker, wenn man Text mit umgekehrtem Kontrast vor sich gehabt habe, sagt Professor Frank Schaeffel, einer der beteiligten Forscher vom Universitätsklinikum Tübingen auf Nachfrage von Forschung & Lehre. Dabei weise eine dünner werdende Aderhaut laut den Ergebnissen vergangener Studien darauf hin, dass sich eine Kurzsichtigkeit ausbilde.

Es sei auszuschließen, dass sich die Aderhaut nur verändert habe, weil sie durch den ungewohnten hellen Text auf dunklem Hintergrund einen unerwarteten Stimulus erhalten habe, so Schaeffel. Mit seinem Forscherteam habe er mit verschiedenen Helligkeiten variiert und Probandinnen und Probanden auch beispielsweise auf eine helle Fläche ohne Text schauen lassen.

Kontrasteinstellung am Monitor verändern

Ihre vorläufigen Ergebnisse wollen die Forscher nun in einem umfangreicheren Versuch prüfen. Darin werden sie die Entwicklung der Sehstärke von zwei Gruppen à circa 90 Schulkindern untersuchen. Eine Gruppe liest am Computerbildschirm wie üblich dunklen Text auf hellem Hintergrund, bei der andere Gruppe ist es genau anders herum. Auch sei eine zusätzliche Forschungskooperation mit einer großen chinesischen Klinikkette angedacht, sagt Schaeffel. Die Finanzierung der Studie und die zeitliche Planung stünden noch nicht fest.

Wie sich das Lesen von gedruckten Texten in dunkler Schrift auf die Sehstärke auswirkt, wollen die Forscher nicht untersuchen, sagt Schaeffel. Hier sei eine Umstellung auch alleine aufgrund der hohen Kosten wohl undenkbar. Schließlich würde dies eine dunkle Hintergrundfarbe auf allen Seiten einer Zeitschrift oder eines Buches bedeuten.

Sollten sich die vorläufigen Ergebnisse der Wissenschaftler bestätigen, dürfte dies eine Diskussion über ein verändertes Leseverhalten an Monitoren auslösen. Schon jetzt kann man sich helfen, in dem man bei Smartphone, Tablet, Laptop oder Rechner die Farben umkehrt. Da Websites und Programme nicht darauf abgestimmt sind und man es nicht entsprechend gewohnt ist, hat das Ergebnis oft jedoch eine weniger schöne Anmutung.

Muss man etwa einen längeren Text am Bildschirm lesen und möchte hierfür die Farben umkehren, ist eine weitere Möglichkeit, sich mit der "Bildschirmlupe" diesen Bildausschnitt negativ anzeigen zu lassen.

Professor Schaeffel empfiehlt allgemein, um die Augen zu schonen, einen möglichst großen Bildschirm zu wählen, viel Abstand zum Monitor zu halten (mindestens 50 Zentimeter) und immer wieder nach draußen zu schauen. Auch sei es sicherlich nicht hinderlich, sich neben der Arbeit möglichst viel draußen aufzuhalten. Er schränkt jedoch ein, dass die positive Wirkung von Tageslicht auf die Sehstärke laut Studien vor allem vor der Schulzeit einen Effekt habe.

kas