Eine Forscherin betrachtet ein Modell einer Molekülstruktur
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Gleichstellung in der Wissenschaft
Studie scheint Gender Bias in MINT-Fächern zu widerlegen

In MINT-Fächern sind Frauen offenbar ähnlich erfolgreich wie Männer, legt eine Studie nahe. Geschlechtsspezifische Hürden schließt das aber nicht aus.

28.04.2023

Wissenschaftlerinnen in MINT-Fächern auf Tenure-Track-Stellen erhalten offenbar vergleichbar viele Forschungsmittel und publizieren ähnlich viel wie ihre männlichen Kollegen. Zu diesem Schluss kommen drei US-amerikanische Forschende in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie, für die sie Hunderte zwischen 2000 und 2020 erschienene Publikationen zum vermeintlichen Gender Bias in MINT (Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften oder Technik) ausgewertet haben. Zuerst berichtete "Inside Higher Ed" über die Studie.

Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung oder Voreingenommenheit fanden die Forschenden demnach nicht in Bezug auf Forschungsförderung, Publikationen und Empfehlungsschreiben, jedoch in der Evaluation der Lehre und bei den Gehältern. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen sei mit durchschnittlich vier Cent je Dollar jedoch deutlich kleiner, als oft angenommen. Bei Berufungen seien Frauen sogar leicht im Vorteil.

Die Studienautorinnen und -autor zeichnen damit ein deutlich positiveres und beinahe paritätisches Bild der MINT-Fächer als frühere Studien. Das liegt aber vor allem daran, dass sie sich auf promovierte Forscherinnen konzentrierten, die eine wissenschaftliche Karriere über eine Tenure-Track-Stelle anstrebten. Die meisten Promovierten in MINT-Fächern verfolgen nach der Promotion allerdings keine akademische Karriere, sondern verlassen die Wissenschaft, Frauen häufiger als Männer. Das Autorentrio gibt entsprechend zu bedenken, dass in ihrer Studie dieser und zahlreiche andere systemische Aspekte nicht berücksichtigt wurden. Dennoch habe der Befund einer weitgehenden Gleichstellung in MINT das Team überrascht.

Karrierehürden nach der Promotion

Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollten sich nach Ansicht der Autorinnen und Autoren daher stärker damit befassen, warum sich die Karrieren von Männern und Frauen nach der Promotion unterschiedlich entwickeln, statt sich weiterhin auf offenbar nicht mehr vorhandene Diskriminierungen in Berufungsverfahren zu fokussieren. Das Problem sei die Struktur des Wissenschaftssystems auf der Ebene von Postdoktoranden und Forschenden mit Tenure Track.

Andere Forschende ruft das Team dazu auf, künftig stärker darauf zu achten, in welchem Kontext Studienergebnisse zu Gender Biases gültig sind, statt pauschal eine Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft zu postulieren. Die Autorinnen und der Autor merken aber auch an, dass sie nur "Explicit Bias" untersucht haben und es darüber hinaus auch "Implicit Bias" geben könnte, der zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung führen könne. Dass sie in ihrer Studie die weit verbreiteten Behauptungen der Voreingenommenheit gegenüber Forscherinnen nicht untermauern konnten, schließe nicht die Möglichkeit aus, dass systemische Barrieren für Frauen in der Wissenschaft bestehen oder dass vor dem Jahr 2000 eine erhebliche Voreingenommenheit bestand.

ckr