Medizin-Studierende an der Universität Halle.
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Medizin-Studium
NRW bekommt Landarztquote

Nicht einmal die Hälfte der in NRW ausscheidenden Landärzte rückt nach. Jetzt wurde ein Gesetz vorgestellt, das die Situation verbessern soll.

05.06.2018

Als erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen eine sogenannte Landarztquote im Medizinstudium einführen – unabhängig vom bislang üblichen hohen Numerus clausus. Die Landarztquote gilt für Bewerber, die sich vertraglich verpflichten, zehn Jahre als Hausärztin oder Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. NRW werde zum Wintersemester 2019/20 mit 168 Landarzt-Studienplätzen starten, kündigte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag in Düsseldorf an.

Dies entspreche dem Zulassungsstaatsvertrag. Demnach dürften bis zu 20 Prozent der Medizinstudienplätze über Vorabquoten vergeben werden, erläuterte Laumann. Neben festen Quoten etwa für ausländische Staatsangehörige und den Dienst als Sanitätsoffizier seien davon noch 7,6 Prozent verfügbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember eine gerechtere Studienplatzvergabe für Medizin angemahnt.

Die Auswahl der Landarzt-Studierenden soll das Landeszentrum für Gesundheit verantworten. Die Kriterien sind noch in einer Verordnung zum Landarztgesetz zu regeln, das das Kabinett bereits im Entwurf beschlossen hat. Neben der Abiturnote sollen Berufsausbildung und -erfahrung sowie Eignungstests eine wichtige Rolle spielen. Absolventen, die sich nicht an die Landarzt-Zusage hielten, müssten mit empfindlichen Vertragsstrafen rechnen, sagte Laumann.

Am schlimmsten ist der Ärztemangel nach früheren Angaben Laumanns in Ostwestfalen und Lippe. Insgesamt seien schon 60 Prozent der Hausärzte auf dem Land über 60 Jahre alt, hatte er gesagt. Dem Gesundheitsministerium zufolge stieg die Zahl der jährlich ausscheidenden Hausärzte seit 2006 um fast 80 Prozent auf zuletzt 457. Die Zahl der neu zugelassenen Hausärzte sei dagegen nicht einmal halb so hoch. Anfang des Jahres hatte Laumann angekündigt, den Mangel an Ärztinnen und Ärzten auf dem Land anzugehen.

Das Medizin-Studium in NRW: Die Pläne der Landesregierung in der Übersicht

DIE LANDARZTQUOTE: Im harten Konkurrenzkampf um einen Studienplatz ist die Quote eine neue Chance für Bewerber, die sich vertraglich verpflichten, zehn Jahre als Hausärztin oder Hausarzt in einer unterversorgten Region Nordrhein-Westfalens zu arbeiten. Zum Wintersemester 2019/20 will NRW mit den ersten 168 Landarzt-Studienplätzen starten.

DER NUMERUS CLAUSUS: Die hohe akademische Zulassungshürde wird abgesenkt und die Bedeutung der Abiturnote im Auswahlverfahren relativiert. Daneben sollen künftig Berufsausbildung und -erfahrungen in verwandten Bereichen sowie Eignungstests eine wichtige Rolle spielen. Die Auswahl der Landarzt-Studierenden soll das Landeszentrum für Gesundheit verantworten.

Die Details sind noch in einer Verordnung zum Landarztgesetz zu regeln. "Man muss schon so klug sein, dass man das Studium schafft", meinte Laumann. Auch aus Abiturienten mit Note Drei könnten aber gute Ärzte werden. Wer über die Quote einen Studienplatz erhalten habe, sei aus dem üblichen Zuteilungsverfahren raus, betonte Laumann.

RECHTSSICHERHEIT: Der Entwurf fußt auf dem Zulassungsstaatsvertrag der Bundesländer. Demnach dürften bis zu 20 Prozent der Medizinstudienplätze über Vorabquoten vergeben werden, erläuterte Laumann. Neben festen Quoten etwa für ausländische Staatsangehörige und den Sanitätsoffizierdienst seien davon noch 7,6 Prozent verfügbar.

Laumann setzt auf eine Änderung des Staatsvertrags, die eine Zehn-Prozent-Landarztquote erlauben würde, möchte darauf aber nicht warten. "Wir werden umsetzen, was uns das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom vergangenen Dezember mit auf den Weg gegeben hat: Bei der Bewerbung für ein Medizinstudium darf nicht allein die Abiturnote ausschlaggebend sein."

VERTRAGSSTRAFE: "Studierende, die einen Platz über die Landarzt-Quote erhalten, schließen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen ab", erklärte Laumann. "Das ist kein Spaß-Papier." Wer die Eintrittskarte nutze, am Ende aber nicht auf dem Land arbeiten wolle, müsse mit einer empfindlichen Strafe rechnen. Immerhin koste ein Medizinstudium in NRW eine Viertel Million Euro. Die konkreten Sanktionen seien noch zu erarbeiten. Klar sei aber: "Für 150.000 Euro tun wir es nicht."

UNTERVERSORGTE REGIONEN: Das NRW-Gesundheitsministerium hat bereits 120 Gemeinden identifiziert, in denen eine Gefährdung der hausärztlichen Versorgung droht, plus 40 weitere, in denen sich das auf mittlere Sicht abzeichnet. In welcher der unterversorgten Regionen ein Absolvent seine Landarztpraxis eröffnen möchte, darf er selbst entscheiden.

HAUSÄRZTEMANGEL: Das Problem ist jetzt schon akut. Etwa 6.000 der über 11.000 Hausärztinnen und Hausärzte in NRW sind bereits über 55 Jahre alt. Allein 2016 sind 450 Hausärzte ausgeschieden – nicht einmal halb so viele neue kamen als Allgemeinmediziner aus der Ausbildung. Zudem wird nur jeder zehnte der 2.000 Ärzte, die in NRW jedes Jahr ausgebildet werden, Allgemeinmediziner.

ANREIZE: Da Laumann "unhaltbare Zustände" kommen sieht, möchte er auch für ältere Klinikärzte Anreize setzen, sich zum Allgemeinmediziner weiterzubilden und aufs Land zu gehen. Dafür will er mit den Krankenkassen eine Vereinbarung schließen, damit gut verdienende Krankenhausmediziner nicht in ein Honorierungsloch fallen.

Während der Fortbildung sollen sie statt der üblichen 5.700 Euro für Ärzte in Ausbildung 9.000 Euro monatlich verdienen – je zur Hälfte finanziert von den Krankenkassen und einem Strukturfonds der kassenärztlichen Vereinigungen. Noch sei die Vereinbarung aber nicht unterzeichnet, erläuterte Laumann. Dafür habe NRW schon sein Förderprogramm für Niederlassungen in kleinen Kommunen verbessert.

dpa

zuletzt aktualisiert: 05.06.2018, 17:45 Uhr