Eine Gruppe von Schulkindern im Teenageralter sitzen mit Büchern um einen Tisch, über den sich ein Lehrer beugt. Sie sind im Gespräch.
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Ausbildung
Universitätsschulen in Deutschland

Hierzulande gibt es viele Unis, die mit öffentlichen Schulen kooperieren. Die Konzepte sind im stetigen Wandel.

Von Katharina Finke 10.01.2024

Sobald eine öffentliche Schule und eine Hochschule kooperieren, spricht man von Universitätsschule. Entstanden sind sie durch den veränderten Diskurs der empirischen Bildungsforschung, die sich als stärker gestaltend verstehen will. 

In Deutschland gibt es mehrere Universitätsschulen: in Brandenburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Dort wurde der Begriff auch erstmals eingeführt. In der Regierungserklärung des damaligen Kultusministers Ludwig Spaenle hieß es im Frühjahr 2009: Bei der Universitätsschule gehen “Hochschule und Schulwirklichkeit eine produktive Verbindung ein, um optimale Vernetzung von Studium und Schule, Theorie und Praxis in der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung zu erreichen.” 

Nach der ersten bayrischen Universitätsschule im Herbst 2009 in Nürnberg, kamen noch fünf weitere hinzu. Zwei ebenfalls dort und jeweils eine in Fürth, Erlangen und Herzogenaurach. Auch in Bamberg, Bayreuth, Forchheim und Schwabach wurden Universitätsschulen ins Leben gerufen. An der Universitätsschule in München arbeiten die Studierenden in Kooperation mit Lehrkräften an zentralen Fragestellungen der beruflichen Bildung. 

Die meisten Universitätsschulen in Bayern

Bayern ist mit Abstand das Bundesland mit den meisten Universitätsschulen. Aber auch andernorts in Deutschland haben in den vergangenen Jahren immer wieder neue eröffnet mit unterschiedlichen Konzepten und Ideen. Einige legen den Fokus stärker auf innovative Lehrkonzepte, andere auf inklusive Bildung. 

In Nordrhein-Westfalen wurde 2015 als erstes die Heliosschule in Köln-Ehrenfeld als inklusive Universitätsschule gegründet. Die Idee dafür stammt von einer Initiative von Studierenden der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln, die sich mehr pädagogische Praxis gewünscht haben und eine Verbesserung des Theorie-Praxis-Transfers forderten. Damit lagen sie am Puls der Zeit, denn parallel befanden sich die Universitäten in der Umstrukturierung der Studiengänge auf Bachelor und Master durch den Bologna-Prozess. 

2018 wurde in Essen eine Universitätsschule gegründet. Die Uni Bielefeld kooperiert schon seit Jahren mit Schulen, der Begriff Universitätsschule wird hier aber nicht verwendet. Es gibt allerdings die Laborschule, die auf Noten verzichtet und statt Klassenräumen große Lernlandschaften anbietet. 

Unterschiedlicher Umgang mit dem Begriff "Universitätsschule" 

In Sachsen wurde 2019/20 in Dresden die erste Universitätsschule etabliert. Sie vereint drei Einrichtungen: Sie ist Gemeinschaftsschule für Kinder aus Dresden, aber auch Forschungsschule und Aus- und Weiterbildungsschule der TU Dresden. 

Laut eigenen Angaben “bietet sie eine Möglichkeit, die Schule der Zukunft zu denken und unter wissenschaftlicher Absicherung zu erproben." Dort würden innovative Formen des Lehrens, Lernens und Zusammenlebens erarbeitet und wissenschaftlich ausgewertet. Dabei werden Studierende frühzeitig in die Konzeptgestaltung miteingebunden. 

"Es ist höchste Zeit, dass wir es schaffen Schule ausgehend von der individuellen Entwicklung einer jeden Schülerin/eines jeden Schülers auf kooperative Lernprozesse abzielend zu organisieren", sagt Dr. Anke Langner, Professorin für Erziehungswissenschaft an der TU Dresden und Leiterin der dortigen Uni-Schule. 

Alleinstellungsmerkmal: Übertragung innovativer Ansätze 

In Brandenburg wurde vor drei Jahren die erste Universitätsschule in Potsdam ins Leben gerufen. Das Konzept dafür wurde von einem Team aus fast zwanzig Lehrkräften, Lehramtsstudierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erarbeitet. Alleinstellungsmerkmal soll der Transfergedanke sein, damit innovative Ansätze auch auf andere Schulen übertragen werden können. 

“Wir alle müssen in die schulische Ausbildung investieren. Die lehrerbildenden Universitäten sind dabei ganz besonders gefordert”, sagte der Präsident der Universität Potsdam, Professor Oliver Günther, dem Tagesspiegel. Inhaltlicher Fokus: Bildungsgerechtigkeit und soziale Mischung. 

“Wir alle müssen in die schulische Ausbildung investieren. Die lehrerbildenden Universitäten sind dabei ganz besonders gefordert"
Präsident der Universität Potsdam, Professor Oliver Günther

Erstmals aufgekommen war der Begriff Universitätsschule in Jena, die 1924 von Peter Petersen gegründet und bis 1950 geleitet wurde. Der Pädagoge Petersen war allerdings nicht nur für seinen neuen pädagogische Ansätze bekannt, sondern auch für seine Verbindungen zum NS-Regime, von dem einige ihre Kinder auf die Universitätsschule schickten. 

Andererseits soll die Schule in Jena auch Zufluchtsort für körperlich und geistig behinderte Kinder, sowie für Lehrkräfte und Familien jüdischer Herkunft gewesen sein. Sie soll viele vor dem NS-Zugriff bewahrt haben. Insbesondere demokratisch-links gesinnte Eltern schätzten die Universitätsschule. Ihr Kommunikationsnetzwerk soll laut Archivmaterial im NS-Staat erhalten geblieben sein, obwohl einige Väter im illegalen Widerstand aktiv waren. 

Weitere Universitätsschulen mit innovativen Konzepten geplant 

Bald soll es auch in Sachsen-Anhalt eine Universitätsschule geben, und zwar in der Landeshauptstadt. Dort unterzeichneten Ende vergangenen Jahres der Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Professor Dr. Jens Strackeljan und der Schulleiter der integrierten Gesamtschule (IGS) “Willy Brandt" Eik Ruddat, den Vertrag. 

Ziel der Zusammenarbeit: eine engere Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Sowohl innovative Bildungskonzepte in der Schule, als auch eine praxisnahe Lehrkräfteausbildung der Universität sollen weiterentwickelt werden, heißt es von der Uni und der Schule. 2024 wollen beide ein Leitbild für die Modellschule erarbeiten und wenn die Landesregierung zustimmt, wird IGS ab 2027 Universitätsschule. 

Dem sollte allerdings nichts im Wege stehen. “Auch wenn das Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt eine unmittelbare Zusammenarbeit von Schulen und Hochschulen nicht vorsieht, sehen wir uns als Uni in der Verantwortung, Inhalt und Form von Lehre und Studium hinsichtlich neuer Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung in der beruflichen Praxis zu überprüfen und weiterzuentwickeln und Ideen der Schulpraxis aufzugreifen", erklärt der Rektor der Universität Magdeburg Strackeljan. 

Neue Erkenntnisse und Impulse für den Schulalltag 

"Als Universitätsschule können neue wissenschaftliche Erkenntnisse schneller Eingang in unseren Schulalltag finden", sagte Ruddat, Leiter der IGS "Willy Brandt". "Durch die enge Zusammenarbeit mit ihr profitiere auch das Lehr- und Forschungspersonal an der Universität Magdeburg, so die dort ansässige Wirtschaftspädagogik-Professorin Dina Kuhlee.

“Als Universitätsschule können neue wissenschaftliche Erkenntnisse schneller Eingang in unseren Schulalltag finden"
Eik Ruddat, Leiter der IGS “Willy Brandt"

“Wir erhalten neue Impulse für das Lehramtsstudium und können aktuelle Herausforderungen im Praxisfeld Schule unmittelbar in die studentische Ausbildung einbeziehen", sagt sie gegenüber “Forschung & Lehre". 

Auch Dr. Stefanie Rach, Professorin für Didaktik der Mathematik an der Universität Magdeburg, bewertet die Universitätsschulen positiv: "Sie bieten eine gute Möglichkeit, um eine produktive Zusammenarbeit zwischen einer Schule und einer Universität zu festigen", so Rach gegenüber "Forschung & Lehre". Ziele sind laut ihr: "eine verbesserte Berufs- und Studienorientierung, eine stärkere Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis in der Lehrkräftebildung."

 

Aktuelisiert am 12.01.2024 um 14:00 Uhr. Zuerst veröffentlicht am 10.01.2024