Studenten in einer Vorlesung
dpa

Bologna
Warum die TU Ilmenau das Diplom wieder eingeführt hat

An der Bologna-Reform scheiden sich bis heute die Geister. Überlegungen einer Universität, die den Diplom-Abschluss neu aufgelegt hat.

Von Katrin Schmermund 26.03.2019

Forschung & Lehre: Herr Professor Scharff, an der TU Ilmenau können sich Studierende in Maschinenbau und Elektrotechnik seit dem Wintersemester 2017/2018 entscheiden, ob sie Bachelor und Master oder doch lieber das Diplom machen wollen. Warum diese zweigleisige Ausbildung?

Peter Scharff: Die Entscheidung ist das Ergebnis langwieriger Gespräche mit dem Thüringer Bildungsministerium, das uns den Modellversuch in dieser Form für zunächst sechs Jahre mit abschließender Evaluation bewilligt hat. Seitdem nehme ich eine Aufbruchstimmung an der TU wahr, weil wir mehrheitlich das Gefühl hatten, dass mit Bachelor und Master eine Verschulung eintritt, die wir nicht wollen. In der Regelstudienzeit bleibt zu wenig Spielraum für die freie Wahl eines Nebenfachs und für Auslandsaufenthalte, die wir für sehr wichtig erachten – auch für die Universität können interessante Kontakte entstehen, wenn ein Student an das Institut eines Experten im Ausland geht und im Anschluss seine Abschlussarbeit in Kooperation mit unserer Universität schreibt.

F&L: Das Bologna-Modell läuft notgedrungen parallel weiter?

Peter Scharff: Bachelor und Master sind kein Auslaufmodell. Anders können wir auch keine ehrliche Evaluierung machen. Für Studierende, denen ein strukturierter Studiengang entgegenkommt und die weniger Wert auf ein selbstbestimmtes Studium legen, sind Bachelor und Master durchaus sinnvoll. Das Diplom würde ich am oberen Ende des Qualitätsmaßstabs ansetzen, als eine Art "Elite-Studiengang", der stärker in eine wissenschaftliche Karriere oder eine außeruniversitäre Forschungstätigkeit führt. Sehr guten Diplom-Absolventen geben wir daher die Empfehlung, eine Promotion anzuschließen. Wenn wir es uns leisten können, würde ich Bachelor-Master-Modell und Diplom nebeneinander führen. Falls nicht, wäre es besser, Bachelor und Master abzuschaffen. Grundsätzlich sinnvolle Aspekte vom Bachelor wie thematische Module haben wir in unseren modernisierten Diplom-Studiengang eingebunden.

F&L: Das höhere Prestige dürfte insgesamt mehr Studierende zum Diplom leiten...

Peter Scharff: Der Diplom-Studiengang wird tatsächlich immer stärker nachgefragt, von einem Drittel zu Beginn der Testphase auf mittlerweile rund die Hälfte der Studienanfänger. Die Marke "Diplom-Ingenieur" hat auch in der Industrie noch immer einen guten Ruf. 

Universitäts-Professor Peter Scharff
Professor Peter Scharff ist Rektor der TU Ilmenau. privat

F&L: Wie unterscheidet sich der Studienaufbau zwischen beiden Modellen?

Peter Scharff: In den ersten drei Semestern belegen Studierende dieselben Veranstaltungen. Hier geht es um die Grundlagen, die jeder Ingenieur und jede Ingenieurin beherrschen muss. In dieser Phase nehmen wir Studierende noch stark an die Hand, was immer notwendiger erscheint. Danach können sie sich entscheiden, ob sie im Bachelor weitergehen oder zum Diplom wechseln wollen. Im Diplom legen wir dann mehr Wert auf theoretische Inhalte und die Fähigkeit, Wissen selbst zu produzieren. Studierende werden dafür schon früh in Forschungsgruppen eingebunden. Auch die Prüfungen unterscheiden sich: Im Bachelor folgen viele kleinteilige Prüfungen aufeinander, die bestimmte Wissenspakete abfragen. Im Diplom geht es weniger um Details und stärker um die großen Zusammenhänge.

F&L: Wird es das Diplom in Ilmenau künftig auch in anderen Fächern wieder geben?

Peter Scharff: Das hängt von den Ergebnissen der Evaluation ab. Ich weiß, dass der Wunsch in den Naturwissenschaften und einigen Wirtschaftswissenschaften besteht; in den Sozialwissenschaften dagegen beispielsweise nicht – auch weil Studierende hier häufiger nach dem Bachelor aufhören oder  den Übergang zum Master für einen Universitäts-Wechsel nutzen.  
Die Fragen stellte Katrin Schmermund.

Studienabschlüsse an deutschen Universitäten

In Deutschland werden an Universitäten laut Hochschulkompass aktuell 12.334 Studiengänge angeboten. Davon enden 6239 mit einem Master-Abschluss (50,6 Prozent), 4675 mit einem Bachelor-Abschluss und 63 mit dem Diplom (0,5 Prozent).