Professor Dr. Michael Suda

Humor in der Lehre
"Wie das Curry im indischen Gericht"

Wie kann die eigene Veranstaltung möglichst packend gestaltet werden? Professor Michael Suda hat sich für seine Zutat entschieden: den Humor.

Von Vera Müller 18.03.2018

Forschung & Lehre: Herr Professor Suda, braucht die Lehre den Humor?

Michael Suda: Es gibt humorlose Vorlesungen, die sehr gut sind. Und es gibt sicher auch humorvolle Vorlesungen, die nicht gut sind. Ich glaube, Humor hat sehr viel mit der Einstellung zu sich selbst zu tun. Humorvolle Menschen sehen sich anders und definieren auch die Welt anders. Und Humor ist eine Form der Interaktion zwischen Menschen und eine Begegnung von Menschen. Es gab schon immer Hochschullehrer, die in der Lage waren, das was sie lehren und dozieren nicht als eine absolute Wahrheit darzustellen, sondern zu relativieren und sich selbst in der Rolle nicht zu ernst zu nehmen.

F&L: Sie setzen seit vielen Jahren bewusst Humor in der Lehre ein, um eine positive Lernatmosphäre zu schaffen. Wenn Sie eine Zwischenbilanz ziehen sollten, wie sieht die aus? Hat es geklappt?

Michael Suda: Ja, ich habe große Fortschritte gemacht, vor allem habe ich ein anderes Verhältnis zu den Studierenden entwickelt. Dieses andere Verhältnis kann natürlich altersbedingt sein, in dem Sinn, dass ich mich für diese jungen Menschen verantwortlich fühle und ihnen mit dieser Verantwortung auch auf Augenhöhe begegne. Das, was mir aber zum Grundsatz wurde, ist die Begeisterung für den eigenen Stoff, für die jungen Menschen, das Schaffen von Aufmerksamkeit und Interesse für das, was vermittelt wird. Und dann ist Humor eine Prise, die oben drauf kommt. Das ist wie das Curry in einem indischen Gericht. Der Humor kann eine schlechte Vorbereitung auf eine Lehrveranstaltung nie kompensieren. Dann würde man ja eine Schwäche mit Humor überdecken. Bei mir muss Humor immer in die Situation passen, er muss zum Stoff und zu meiner Stimmung passen. Wenn da etwas nicht stimmt, dann stellen sich die Studierenden oder Zuhörer die Frage, was das denn jetzt soll. Wir spielen ja kein Kabarett, wir wollen keinen zum Lachen bringen, sondern den Humor einsetzen, um das knappste Gut in diesen Hörsälen zu gewinnen, und das ist die Aufmerksamkeit.

F&L: Erkennen Sie, wann es im Hörsaal Zeit für eine humorvolle Pointe ist?

Michael Suda: In dem Moment, wo man sein Publikum aufmerksam beobachtet, weiß man: "Alles, was ich jetzt an weiteren Elementen stofflich vermittle, kann ich auch aus dem Fenster werfen."Man bekommt ein Gespür dafür, ob diese Gruppe noch aufnahmefähig ist oder nicht. Hier hat sich in der Hochschuldidaktik in den letzten 20 Jahren viel getan: Man muss nach 25 Minuten Input aufhören und dann in Kleingruppen wiederholen. Da unterscheidet sich das Humorelement relativ wenig von den didaktischen Elementen. Das zeigt sich auch in den Rückkopplungen zu den Lehrveranstaltungen, wenn die Studierenden schreiben: "Das ist humorvoll, das ist eine lockere Atmosphäre." Aber das, was sie hauptsächlich betonen, ist der andere Aufbau im Vergleich zur klassischen Vorlesung. Meine Vorlesung ist mit vielen Übungen angelegt, mit Eigenbeschäftigung, ab und zu ein Zaubertrick, der wiederum in Zusammenhang mit dem Stoff steht. Es geht um Abwechslung, weil Monotonie dazu führt, dass die Studierenden nach zehn beziehungsweise zwanzig Minuten abschalten – müssen, weil die Aufnahmekapazität sonst nicht ausreicht.

F&L: Setzen Sie humoristische Elemente bewusst ein, oder reagieren Sie eher spontan humorvoll?

Michael Suda: Das eine ist, dass ich ganz bewusst für einzelne Lehrveranstaltungen Humorelemente vorbereitet habe, die unmittelbar mit dem Stoff zusammenhängen. Ich gebe zum Beispiel eine Einführung in die politischen Instrumente. Und da komme ich mit einem Paket mit rotem Kreuz rein, und das ist ein Hilfspaket der Bayerischen Staatsregierung für hilfsbedürftige Studenten. Anhand dieses "Hilfspakets" stelle ich die einzelnen politischen Instrumente vor. Die sind dann völlig überzogen, zum Beispiel ein Quadratmeter Wohnraum für jeden Studierenden. Damit lernen die Studierenden die Instrumente auf humoristische Art und Weise kennen. In der zweiten Stufe gehe ich dann auf die theoretischen Hintergründe und die praktische Anwendung in der Politik ein. Und dann fällt mir natürlich viel spontan ein. Das beruht vor allem darauf, dass ich eine Situation, die im Raum ist, verstärke und in den Raum spiegele oder die Doppeldeutigkeit von Begriffen entsprechend darstelle. Das zentrale Element von Humor ist Überraschung und Ent-Täuschung. Oft erweckt eine bestimmte Situation eine Vorstellung bei den Menschen, und diese Vorstellung zerfällt hinterher. Menschen lieben es, wenn ihre eigene festgefahrene Welt auf diese Weise zerbröckelt. Und diese Ent-Täuschung findet dann Ausdruck im Lachen. Es geht nicht um große Lacher, es geht um Stimmung und Atmosphäre, das ist das Wichtigste.

F&L: Nicht jeder hat Humor, und nicht jede und jeder hat den gleichen Humor. Gibt es verschiedene Humor-"Typen"?

Michael Suda: Ja, es gibt Menschen, die sogenannten Gelotophoben, die gehen davon aus, dass sie ausgelacht werden, wenn jemand im Raum lacht. Dann gibt es die, die über Doppeldeutigkeiten lachen, oder die, die eher Chaos-Humor mögen wie Monty Python. Diese unterschiedlichen Affinitäten muss man auch entsprechend bedienen. Man kann nicht mit einer Klappe alle Humorfliegen treffen.

F&L: Beziehen Sie Studierende direkt mit ein?

Michael Suda: Wenn es mit einer großen Wertschätzung den Menschen gegenüber geschieht, dann kann es funktionieren. Die Studierenden reagieren aber auch von selbst darauf. Es gibt Situationen, da baue ich ganz bewusst Humorelemente ein, zum Beispiel in Form von Rollenspielen. In dem Moment, in dem ich die Menschen unerwartet einbinde und die Gefahr besteht, jemanden mit Sarkasmus, mit negativen Humorelementen bloßzustellen, dann geht das Ganze nach hinten los. Das zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Diese Form des Humors wirkt sich negativ auf das Lernergebnis aus.

F&L: Bekommen Sie mit, ob das auch bis in die letzte Reihe wirkt?

Michael Suda: Mein Eindruck ist, ja. Wobei das nicht zwangsläufig immer mit Humor zusammenhängt. Ich gehe davon aus, dass ich in der Zwischenzeit in der Lage bin, eine Vorlesung so spannend zu gestalten, dass ich die Studierenden mitnehme. Mir ist wichtig, den Stoff mit der Lebenswelt der Studierenden zu verankern. Zum Beispiel der Begriff "prüfungsrelevant": nein, es ist "lebensrelevant". Dann heißt es von meiner Seite: "Wir schauen uns heute folgendes Thema an. Das werden Sie in dem Berufsbild brauchen, diese Theorie spielt eine wichtige Rolle für Sie."

F&L: Sie bilden auch Kolleginnen und Kollegen in Sachen Humor weiter. Wie verbreitet ist Humor an deutschen Universitäten?

Michael Suda: Es gibt Kolleginnen und Kollegen, das sind aber unter fünf Prozent, die gehen davon aus, wenn sie humorvolle Interventionen in ihre Vorlesungen und Übungen einbauen, führt das zu einem besseren Lernergebnis. Diejenigen, die an den Kursen teilnehmen, besitzen schon einen Sinn für Humor und haben oft bereits Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Sie suchen in den Kursen häufig eine Bestätigung. Das Wichtigste ist, dass der Humor und die Intervention authentisch sind, das muss zu dieser Person passen.