Männliche Hand, die Stressball drückt, im Hintergrund eine Computertastatur.
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Psychische Belastung und Resilienz
Was tun gegen Stress im akademischen Arbeitsumfeld?

In den letzten Jahrzehnten hat der Stress, den viele Menschen verspüren, zugenommen, auch an den Hochschulen. Wie lässt sich die Resilienz stärken?

In den vergangenen Jahrzehnten hat unsere Gesellschaft durch Digitalisierungs- und Globalisierungsprozesse einen massiven Wandel erlebt, der mit einer Vielzahl von neuen, ungewohnten Herausforderungen einhergeht (beispielsweise Entgrenzung der Arbeit, Fragmentierung von sozialen und familiären Strukturen, Individualisierung, digitale Ermüdung). Positiv daran ist, dass die Veränderungen die Arbeitswelt flexibilisieren und eine individuellere Gestaltung ermöglichen. Durch die Technologisierung steigen jedoch häufig die Leistungsanforderungen und das Arbeitstempo, was vielfach zu vermehrtem psychischem Druck und zu Belastungen führen kann. Das Resultat kann ein hohes Stresserleben im Arbeitskontext und darüber hinaus sein.

Aktuelle Stressstudien zeigen, dass sich etwa zwei von drei Menschen (64 Prozent) in Deutschland mindestens manchmal gestresst fühlen. 26 Prozent der Menschen in Deutschland geben sogar an, häufig Stress zu erleben. Die Befunde machen im Vergleich zu früheren Erhebungen deutlich, dass das Stresslevel in den vergangenen Jahren weiter zugenommen hat. In Deutschland waren im Jahr 2020 psychische Erkrankungen der häufigste Grund für krankheitsbedingte Ausfalltage. Schule, Studium und Beruf gelten dabei laut dieser Erhebung als Top-Stressoren, während auf Platz zwei hohe Ansprüche an sich selbst stehen.

Zunehmender Stress in Wissenschaft und Forschung

Auch der akademische Kontext bleibt von diesen und weiteren Stressoren nicht verschont. Gerade in den vergangenen Jahrzehnten hat sich hier ein tiefgreifender Wandel in den Arbeitsstrukturen und -inhalten vollzogen, zum Beispiel durch Hochschulreformen für Beschäftigte in wissenschaftsunterstützenden Bereichen. Zu nennen sind hier nicht nur Digitalisierungs- und Anpassungsprozesse, sondern ebenso die Durchsetzung neuer Bachelor- und Masterstudiengänge, die zu höheren qualitativen und quantitativen Anforderungen an die Mitarbeitenden führten. Aber auch die Gleichstellung, Internationalisierung, Inklusion, Diversität und die stetige Implementation neuer Lehrmethoden tragen ihren Teil dazu bei.

Insgesamt erleben Beschäftigte wissenschaftsunterstützender Bereiche an Hochschulen ihre individuelle berufliche Belastung als hoch, was nicht nur auf die konkrete Arbeitssituation, sondern ebenso auf die hochschulreformbedingten gewandelten Arbeitsaufgaben zurückzuführen ist. Um gesundheitliche Folgen einzudämmen, gilt es, die Resilienz der Beschäftigten (weiter) zu stärken.

Darüber hinaus benötigen auch Studierende gerade in Zeiten von (persönlichen) Krisen (beispielsweise der "quarter life crisis") eine ausreichende psychische Widerstandsfähigkeit, um mit Belastungen im Hochschulkontext umgehen zu können. Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt: Die unvermittelte Umstellung auf Digitalsemester und das Social Distancing auf allen Ebenen eines sonst von Vernetzung und Austausch lebenden Studiums haben nicht nur das Hochschulpersonal, sondern auch die Studierenden beansprucht.

"Bereits vor der Pandemie hat eine hohe Prävalenz von Depressionen und Ängsten unter Studierenden aufgezeigt, dass im universitären Kontext gehandelt werden muss."

Es verwundert daher kaum, dass viele Studierende seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie unter dem mangelnden sozialen Austausch sowie unter Motivations- und Konzentrationsproblemen leiden. Bereits vor der Pandemie haben hohe Studienabbruchquoten sowie eine Prävalenz von Depressionen und Ängsten unter Studierenden aufgezeigt, dass im universitären Kontext gehandelt werden muss. Es stellt sich somit mehr denn je die Frage, was Hochschulen tun können, um die akademische Resilienz ihrer Studierenden und Mitarbeitenden zu stärken.

Stressoren und akademische Resilienz

Zu konkreten Stressoren für die Mitarbeitenden im akademischen Kontext gehören die Flexibilisierung – das nicht klare Trennen zwischen Arbeit und außerberuflichem Leben –, Schwierigkeiten bei der Drittmitteleinwerbung, die schlechte Passung zwischen Stellenprofil und tatsächlichen Aufgaben, häufige Arbeitsunterbrechungen, Personalverantwortung, hoher Termin-, Leistungs- und Publikationsdruck, die Bearbeitung verschiedener Vorgänge gleichzeitig, immer schnelleres Arbeiten, generelle Unsicherheiten, steigende Anforderungen sowie die Erreichung von Grenzen der Leistungsfähigkeit. Vor allem die Arbeitszeiten sowie die Befristung des Arbeitsverhältnisses werden als stärkste Stressoren genannt. Es stellt sich die Frage, wie Hochschulen einen resilienten Kontext schaffen können, sodass Mitarbeitende unterschiedlichster Bereiche lösungsorientiert und konstruktiv mit Stressoren umgehen können und psychisch gestärkt aus stressreichen Situationen hervorgehen.

An dieser Stelle werden Konzepte und Strategien der Hochschulen wichtig, die die akademische Resilienz, also die persönliche Widerstandsfähigkeit der Mitarbeitenden des akademischen Kontextes im Umgang mit stressvollen Situationen, stärken. Relevant hierfür sind der Auf- und Ausbau von Weiterbildungsangeboten sowie die Begleitung der Mitarbeitenden bei der Entwicklung von Werthaltungen, die den gewandelten Anforderungen entsprechen. Dies inkludiert in Teilen auch eine (Wieder-)Herstellung der individuellen Handlungsfähigkeit der Hochschulmitarbeitenden.

Ein kompetenter Umgang mit dem Belastungserleben der Mitarbeitenden sollte einen zentralen Bestandteil der kontinuierlichen Führungskräfteweiterbildung ausmachen. Mit einem qualitativ hochwertigen und bedarfsdeckenden Qualifizierungs- beziehungsweise Coachingangebot könnten Hochschulleitungen signalisieren, dass der konstruktive Umgang mit individuellen Belastungen als integraler Bestandteil der Personal- und Organisationsentwicklung betrachtet wird, um somit einen Beitrag zur Förderung der akademischen Resilienz zu leisten.

Wie Mitarbeitende gestärkt werden können

Maßgeschneiderte, zielgruppenspezifische und bedarfsorientierte Trainingsprogramme zur Resilienzförderung können als wirksame Maßnahmen zur Prävention ein wichtiger Ansatzpunkt sein, die Resilienz der Mitarbeitenden im akademischen Kontext zu stärken. Die Programme helfen, die negativen Auswirkungen hoher Stressbelastung zu reduzieren, indem sie Mitarbeitende ganz praktisch darin unterstützen, mit den stressreichen Herausforderungen ihres Arbeitsalltags besser zurecht zu kommen. Zur konkreten, individuellen Unterstützung von Mitarbeitenden von Forschungseinrichtungen wurde am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) ein bedarfsorientiertes Employee Assistance Program (EAP) entwickelt.

"Die Programme helfen, die negativen Auswirkungen hoher Stressbelastung zu reduzieren."

Mit dem Programm bietet das LIR die Möglichkeit, ein Unterstützungsangebot zur Stärkung der Gesundheitskompetenz für Mitarbeitende zu finden, das sowohl auf den Bedarf der Einrichtung als auch die einzelne Person zugeschnitten ist. Mittels eines Online-Resilienz-Screenings von etwa zehn bis 15 Minuten mit validierten Fragebögen haben Teilnehmende die Möglichkeit, ihre aktuelle Stressbelastung und persönliche Resilienz im Rahmen eines Ampelsystems zu ermitteln und – je nach Belastung – weitere Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Alle Angebote können in Präsenz oder auch online wahrgenommen werden.

Zu Beginn einer Auseinandersetzung mit dem Thema Resilienz wird EAP organisationsintern und praxisbezogen mittels eines Impulsvortrages für die Teilnehmenden eingeführt. Danach erhalten die Teilnehmenden Zugang zum Online-Resilienz-Screening. Basierend auf den ermittelten Werten erhalten die Teilnehmenden zeitnah und verschlüsselt ihr persönliches Profil, das aufzeigt, wie es um ihr aktuelles Stresserleben und ihre Resilienz bestellt ist. Zudem erfolgen personalisierte Handlungsempfehlungen, wie die psychische Gesundheit gestärkt werden kann. Teilnehmerinnen und Teilnehmer können auch auf eine exklusive Resilienz-Screening-Homepage mit praktischen Informationen zu Resilienz und Stressbewältigung und alltagsnahen Trainingsübungen zugreifen, um mit den Herausforderungen im (Arbeits-)Leben besser zurecht zu kommen und langfristig gesund zu bleiben.

Schließlich besteht auch die Möglichkeit, sich in einer weiterführenden 1:1-Beratung bedarfsorientiert und vertraulich von Resilienz-Expertinnen und -Experten des LIR coachen zu lassen. Die Gesundheitsangebote werden nach dem sogenannten "Stepped Care Prinzip" je nach Bedarf individuell zusammengestellt, sodass ein effektives und zugleich ressourcensparendes Gesundheitsprogramm entwickelt wird. Die Gesundheitsangebote des LIR umfassen Vorträge von Expertinnen und Experten zu spezifischen Themen rund um Resilienz, Stress und Gesundheit, Einzelcoachings und Resilienz-Trainings in Kleingruppen. So erhalten belastete Mitarbeitende eine niederschwellige, professionelle, vom Arbeitgeber entkoppelte und anonyme Unterstützung, um mit stressreichen und belastenden Situationen auf Dauer aktiv und funktional umgehen zu können.

1 Kommentar

  • Jessica Lang Gerne würde ich in diesem Kontext ergänzen, dass nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass nicht nur verhaltenspräventive Konzepte und Strategien der Hochschule wichtig sind, sondern in erster Linie verhältnispräventive Ansätze. Die Hochschulen sind wie alle anderen Arbeitgeber verpflichtet nach Arbeitsschutzgesetzt die psychischen Belastungen (nicht die individuelle Beanspruchung) der Beschäftigten zu erheben und Maßnahmen einzuleiten, um die Verhältnisse am Arbeitsplatz zu optimieren, damit es erst gar nicht zu adversen Gesundheitseffekten kommt. Der Fokus auf Resilienz impliziert, dass die Beschäftigten nicht stark genug sind um im System mitzuhalten. Die Gesundheitsverantwortung wird damit den Einzelnen übertragen und nicht dem System. Per Gesetzt ist allerdings geregelt, dass zuerst die Verhältnisse an die Menschen anzupassen sind und erst danach der Mensch an die Verhältnisse.