Mann hält Bewerbungsunterlagen in der Hand
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Berufungsverfahren an Hochschulen
Wo sich Erfolg und Misserfolg entscheiden

Die Gestaltung von Berufungsverfahren ist ein wichtiger Aspekt jeder Hochschulstrategie. Ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Von Juliane Lorenz 13.08.2018

Berufungsverfahren sind die Schaltstelle für den Erfolg einer Universität. So stellen bereits die Hochschulentwicklungsplanung und die damit verbundene Strategie einer Hochschule entscheidende Weichen. Gleiches gilt für die Freigabe, Widmung und Ausschreibung einer Professur. Stellen für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sind grundsätzlich öffentlich auszuschreiben, es sei denn, das jeweilige Hochschulgesetz lässt einen Ausschreibungsverzicht zu.

Nicht unproblematisch sind vor diesem Hintergrund "Open Topic-Ausschreibungen". Bei diesen gibt es keine vordefinierten Auswahlkriterien, die fachliche Ausrichtung und thematische Schwerpunktsetzung bleiben offen. Insoweit stellt sich die Frage nach der gesetzlichen Grundlage derartiger Ausschreibungen.

Die Hochschulgesetze der Länder regeln, dass Ausschreibungen Art und Umfang der zu erfüllenden Aufgaben angeben müssen, was bei Open Topic-Ausschreibungen a priori fraglich sein dürfte. Derartige Ausschreibungen sind auch mit Blick auf das Bestenausleseprinzip problematisch, da die Überprüfung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung immer auch einen fachlichen Bezug als Maßstab voraussetzt, auch wenn offene Ausschreibungen für die Hochschulen vorteilhaft sein mögen. Ähnlich kritisch dürften auch Ausschreibungen von W2/W3-Professuren ohne Konkretisierung der Besoldungsgruppe zu bewerten sein, denn bei derartigen Ausschreibungen bleibt für potentielle Bewerber unklar, wie die Stelle letztlich dotiert ist.

Verzicht auf Ausschreibung einer Professur möglich

Interessant sind ferner "Genieklauseln". Eine solche ist beispielsweise im Hochgesetz NRW zu finden, wonach in Ausnahmefällen von der Ausschreibung einer Professur abgesehen werden kann, wenn für die Besetzung der Professur eine in besonders herausragender Weise qualifizierte Persönlichkeit zur Verfügung steht, deren Gewinnung im Hinblick auf die Stärkung der Qualität und Profilbildung im besonderen Interesse der Hochschule liegt (Paragraf 38 Absatz 1 Hochschulgesetz NRW). Derartige Regelungen sind zur Verfolgung der Gesamtstrategie einer Hochschule zu begrüßen, sollten jedoch mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Bestenauslese nur selten Anwendung finden.

Eine besondere Rolle nimmt die verfassungsrechtlich gebotene Bestenauslese auch in anderen Fallkonstellationen ein. So ist in vielen Gleichstellungsgesetzen der Länder geregelt, dass Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu beschäftigen sind. Diese Bevorzugung ist verfassungsrechtlich zulässig, insbesondere mit dem Bestenausleseprinzip vereinbar, solange das Geschlecht erst bei gleicher Eignung zum Tragen kommt.

In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht immer klar, wie beispielsweise Stellen, die aus speziellen Förderprogrammen finanziert werden sollen, rechtskonform ausgeschrieben werden können. Um der Bestenauslese hinreichend Rechnung zu tragen, sollte in diesen Fällen stets eine geschlechtsneutrale Ausschreibung erfolgen. Dies gilt zum Beispiel auch für Ausschreibungen von Stellen, die aus dem Professorinnenprogramm des Bundes finanziert werden sollen, wobei die geplante Finanzierung der Stelle transparent gemacht werden sollte.

Ein in Berufungsverfahren immer wieder relevantes Thema ist die "Hausberufung". Die Hochschulgesetze der Länder enthalten hierzu unterschiedliche Regelungen. Zum Teil wurde die damalige Regelung des Hochschulrahmengesetzes übernommen. Insbesondere Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren der eigenen Hochschule können mancherorts nur berufen werden, wenn sie nach der Promotion die Hochschule gewechselt haben oder mindestens zwei Jahre außerhalb der berufenden Einrichtung wissenschaftlich tätig gewesen sind.

Dies führt im Einzelfall zu einem tatsächlichen Ausschluss potentieller Hauskandidaten und insoweit zu einem Dilemma, denn der Hauskandidat könnte im Einzelfall ja tatsächlich der Beste sein. Ein Ausweg könne aus Sicht von Professor Dr. Max-Emanuel Geis, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, darin gesehen werden, dass der Rechtscharakter umgedacht werde. Hausberufungsnormen könnten insoweit nicht als materielles Recht, sondern als Organisationsnormen betrachtet werden.

Insoweit seien Hausberufungen in Ausnahmefällen durchführbar, insbesondere bei externen Begutachtungen, externen Rufen und deutlichem Qualifikationsvorsprung. Dies entspricht auch den insoweit vorbildlichen Regelungen in Baden-Württemberg und Brandenburg, wonach das Bestenausleseprinzip letztlich immer Vorrang genießt. Anderen Ländern kann nur dringend empfohlen werden, die landesrechtlichen Regelungen zu ändern, insbesondere auch mit Blick auf die Historie des Hochschulrahmengesetzes.

Berufungsverfahren beeinhaltet umfangreiche Dokumentationspflichten

Die Arbeit von Berufungskommissionen ist von zahlreichen Anforderungen durchzogen. So sollte zwingend den umfassenden Dokumentationspflichten in Berufungsverfahren Rechnung getragen werden. Dies gilt vor allem angesichts der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die zwar kein Wortlautprotokoll fordern, wohl aber bspw. eine stichwortartige Zusammenfassung der Fragen und Antworten sowie der Lehrprobe (OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2017, Az. 6 A 277/16). Im Übrigen sollte viel Wert auf die Prüfung der Befangenheit von Kommissionsmitgliedern gelegt werden.

Angesichts der strategischen Bedeutung und Komplexität von Berufungsverfahren gibt es an vielen Universitäten mittlerweile Stäbe zur professionellen Unterstützung, wie zum Beispiel die Stabstelle "Berufung" an der Universität zu Köln beziehungsweise eine Abteilung "Berufungsmanagement" zum Beispiel in Konstanz und Hannover. Dr. Michael Stückradt, Kanzler der Universität zu Köln, betont, dass Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sich "gut betreut fühlen" sollten.

In Köln gehe man neue Wege im Hinblick auf einzelne Verfahrensschritte. So sei die Begrüßung neuer Professorinnen und Professoren durch die Dekane ein wichtiger Bestandteil. Der Berufungsstab begleite Neuberufene darüber hinaus über das erste Jahr nach Dienstantritt. Im Übrigen finde neben einem Umtrunk auch eine Vorstellung der Verwaltung statt. Auch an der Universität Hannover sei das Berufungsgeschäft "Herz der Universität".

Insoweit betont Professor Dr. Volker Epping, Präsident der Leibniz Universität Hannover, dass dem Berufungsmanagement in Hannover eine große Bedeutung beigemessen werde; hier agieren die "Kümmerer für Neuberufene". Jedoch gelte in Berufungen auch "learning by doing". Besondere Anforderungen seien in Hannover vor allem an ein entsprechendes Screening zu stellen: Wo sind ERC Grants bzw. Mittel, wo Emmy Noether-Persönlichkeiten, wer ist derzeit auf dem Markt, welche Wissenschaftlerinnen könnten identifiziert werden?

In Hannover gebe es ein elektronisches Berufungsportal. Dies verspreche auch Rechtssicherheit zum Beispiel für die Prüfung der Schwerbehinderteneigenschaft nach SGB IX. Ein Berufungsbeauftragter achte auf ein fehlerfreies Verfahren.

Letztlich ist auf die wachsende Bedeutung der Personalentwicklung hinzuweisen. Dr. Bettina Duval, Leiterin der Personalentwicklung an der Universität Konstanz, hebt anlässlich der bereits erwähnten Tagung hervor, dass vor allem auch die Persönlichkeit neben Passung und Ausrichtung, Drittmitteleinwerbung und Qualität von Probevorträgen ein entscheidendes Berufungskriterium sei. Angesichts des Umfangs des jeweiligen Prozesses sei zu empfehlen, die Personalentwicklung frühzeitig mit einzubeziehen.

Hilfreich sei insoweit eine gezielte Vorbereitung und Begleitung der Berufungskommission in Theorie und Praxis, beispielsweise durch gezielte Schulungen zur Personalbeurteilung, Fragetechniken und Beobachterschulung (inklusive typischer Beobachterfehler) beziehungsweise auch die Anwesenheit der Personalentwicklung im Verfahren. Wichtig sei darüber hinaus, dass auch die Interviewteile strukturiert oder standardisiert ablaufen. So seien vor allem gleiche Fragen für die Bewerberinnen und Bewerber notwendig. Im Hinblick auf Fragestellungen sei insbesondere auf biographische und situative Fragen zu achten.