Ein Mann betrachtet die Flagge der Kommunistischen Partei Chinas.
picture alliance / dpa | Zhang Wenkui

Forschungsfreiheit
China sammelt unliebsame Darstellungen per Hotline

Die chinesische Regierung hat eine Bürger-Hotline eingerichtet. Per Anruf können Mitmenschen gemeldet werden, die die Geschichte "verfälschen".

19.04.2021

Die chinesische Cyberspace Administration hat eine Telefon-Hotline eingerichtet, bei der Bürgerinnen und Bürger abweichende Darstellungen der Geschichte, Politik oder Führung der Kommunistischen Partei melden können. Die Einrichtung folgt laut einem Bericht von "Times Higher Education" (THE) als Reaktion auf Veröffentlichungen im Netz, die die Geschichte der Partei absichtlich "entstellten".

Die Hotline sei eine weitere Form der staatlichen Kontrolle, die auch die Forschung zur chinesischen Geschichte im Ausland betreffen könnte. Vorausgegangen sei eine Aufforderung, dass chinesische Sozialwissenschaftler das Land in internationalen Journals nicht "herabwürdigen" sollten. Seit 2013 überwacht und zensiert der chinesische Staat zudem innerhalb des Projekts "Goldener Schild" den Internetverkehr des Landes.

Der Bericht zitiert Professor Jeffrey Wasserstrom von der University of California in Irvine, der sich in Onlineseminaren unwohl fühle, obwohl er sich nicht auf aktuelle Themen, sondern die Qing-Dynastie (1644-1912) konzentriere. Um zu verhindern, dass Studierenden, die von China aus am Seminar teilnehmen, vorgeworfen wird, nicht ausreichend patriotische Einstellungen zu äußern, habe er statt Gruppendiskussionen auf kürzere, digitale Gespräche unter vier Augen gesetzt.

Die Einrichtung der Hotline vergleicht der Historiker mit der frühen Phase der Kulturrevolution 1966, in der Studierende, Schülerinnen und Schüler ebenfalls aufgefordert waren, ihre Lehrerinnen und Lehrer anzuschwärzen. Nach Einschätzung von Professor Steve Tsang von der School of Oriental and African Studies der University of London werde der Spielraum für das Studium der neueren chinesischen Geschichte seit 2013 mit der Wahl von Xi Jinping zum Staatspräsidenten immer enger. Dies sei auch im Vorfeld des 100. Jubiläums der Kommunistischen Partei Chinas im Juni diesen Jahres weiter zu erwarten. Historiker – sowohl im Land als auch außerhalb – seien daher in Gefahr.
 

cpy