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Fachgesellschaften
Die DFG-Wahlordnung schadet der Fachwissenschaft

Die geänderten DFG-Regeln für die Wahl der Fachkollegien schwächen die Position der Fachgesellschaften, meint die Vorsitzende des Historikerverbandes.

Von Eva Schlotheuber 28.06.2019

In diesem Herbst findet die Fachkollegienwahl der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Amtsperiode 2020-2023 statt. Für die gesamte Forschungslandschaft ist das ein wichtiger Termin, verteilt doch die DFG jährlich über drei Milliarden Euro Fördergelder. Die Fachkollegien stellen sicher, dass dabei nach wissenschaftsgeleiteten Prinzipien verfahren wird. Die Mitglieder der Fachkollegien werden nach Maßgabe einer vom Senat der DFG erlassenen Wahlordnung auf vier Jahre gewählt und sind entsprechend ihrer Forschungsdisziplin jeweils einem Fach zugeordnet. Die Fachkollegien bilden gewissermaßen die Forschungslandschaft ab und kontrollieren den Begutachtungsprozess. Auch zu Fragen der Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Förderprogramme der DFG wird ihr Rat gehört. Das Fachkollegiatenamt genießt in der wissenschaftlichen Community dementsprechend ein hohes Ansehen und ist wichtig für die Entwicklung der Fächer.

Die derzeit gültige DFG-Wahlordnung vom 21. September 2017 für die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten wird diesen wichtigen Aufgaben nicht gerecht. Darauf hat der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) zusammen mit vier weiteren geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachgesellschaften in Briefen an die DFG mehrfach hingewiesen. Am 8. Mai 2018 trafen sich daraufhin der Präsident der DFG, Peter Strohschneider, die Vorsitzenden des VHD, der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), sowie Ute Daniel und Thomas Risse als Vertreter des DFG-Senats und Mitglieder der Geschäftsstelle in Bonn.

Die aus Verbändesicht kritischen Punkte der neuen Wahlordnung wurden dort mit großer Offenheit diskutiert. Diese waren:

1.) Die Universitäten als Mitglieder der DFG können aufgrund ihres fachungebundenen Vorschlagsrechts die Nominierungen der Fachgesellschaften majorisieren, da für die Aufnahme in die Kandidierendenliste die Anzahl der Nominierungen und darüber hinaus das Losverfahren entscheidend sind. Auf diese Weise kann die Universitätsleitung 'ihre' Kandidatinnen und Kandidaten auf die Liste befördern. Eine ausgewogene und die Vielfalt innerhalb der Fächer repräsentierende Vertretung im Fachkollegium ist somit nicht mehr gewährleistet. Vor allem leistet das Verfahren aber dem Verständnis Vorschub, dass die Mitglieder eines Fachkollegiums Vertreterinnen und Vertreter 'ihrer'  Universitäten seien. Insbesondere dieser Punkt wurde und wird von den protestierenden Verbänden als sehr kritisch eingestuft.

2.) Das Wahlverfahren ist intransparent, weil die Wählerinnen und Wähler nicht nachvollziehen können, wer die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten nominiert hat. Absprachen unter den Nominierungsberechtigten und "Nominierungskartelle" werden erst nach der Wahl erkennbar. Als mögliche Lösung wurde der Vorschlag begrüßt, dass die Kandidierendenliste nicht, wie es jetzt sehr weitgehend der Fall ist, quantitativ und durch Losentscheid zustande kommt, sondern dass ein "sehendes" Auge qualitativ das Ergebnis des Nominierungsprozesses auch dahin gehend prüft, dass die  Fächer möglichst in ihrer ganzen Breite vertreten sind. Diese Kombination von quantifizierendem Verfahren in Verbindung mit einer qualitativen Prüfung wurde von allen Anwesenden prinzipiell gutgeheißen.

"Gerade bei der Vergabe von Drittmitteln muss das wissenschaftsgeleitete Prinzip so gut wie möglich geschützt bleiben."

Die aktuelle Wahlordnung leistet einer strategischen Steuerung und Politisierung von Forschungsförderung Vorschub und fördert einen Verdrängungswettbewerb um die Zahl der Nominierungen. Damit schwächt sie deutlich die Position der Fachgesellschaften und die Fachwissenschaft. Gerade bei der Vergabe von Drittmitteln muss das wissenschaftsgeleitete Prinzip so gut wie möglich geschützt bleiben.

Entscheidend für die Zusammensetzung der Kandidierendenliste zur Wahl der DFG-Fachkollegien sollte wissenschaftliche Qualität der Forschung und fachliche Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten sowie ihre Begutachtungserfahrung sein. Zudem sollte die perspektivische Breite eines Fachs durch die Nominierung von Vertreterinnen und Vertretern bestimmter Fachrichtungen abgebildet werden. Vor allem die Fachgesellschaften haben engen Kontakt zu den jeweiligen communitites und damit die Möglichkeit, über Vorschläge zu informieren und Resonanz zu prüfen.

Die Mitglieder der Fachkollegien sollten sich nicht ihren Universitätspräsidien verpflichtet fühlen, weil sie ihnen den Listenplatz zu verdanken haben oder sich als Vertreter und Vertreterinnen 'ihrer' Universitäten verstehen. Fast 100 Jahre, nachdem sich die DFG im Zuge ihrer Gründung 1920 auf das Prinzip der "Selbstverwaltung und Selbstorganisation der Wissenschaften" berufen hat, ist dieses Prinzip schützenswerter denn je.