Demonstranten halten bei dem "March for Science" vor dem Brandenburger Tor ein Transparent mit den Worten "Wissenschaft ist grenzenlos"
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March for Science
Ein "kraftvolles" Zeichen setzen

Beim "March for Science" haben weltweit Menschen für die Wissenschaftsfreiheit demonstriert. Gefährdet ist diese nicht nur in der Türkei oder Ungarn.

Von Katrin Schmermund Ausgabe 5/17

Auf der Bonner Hofgartenwiese haben sich am 22. April rund 1.000 Menschen zwischen Jung und Alt, Wissenschaftler wie Nicht-Wissenschaftler, mit bunt gemalten Protestplakaten versammelt. "Forschen statt Faken", "Show me the data" oder "Fakten = Wahrheit; Alternative Fakten = Lügen" stand in großen Lettern auf den Pappen. Beim "March for Science" demonstrierten sie wie zahlreiche andere Bürgerinnen und Bürger an über 600 Orten vom Nordpol bis zur Antarktis für die Freiheit der Wissenschaft. Noch nie hat es hierfür eine Protestaktion in einem solchen Ausmaß gegeben.

22 Protestaktionen alleine in Deutschland

In Deutschland fanden insgesamt 22 Märsche statt. 37.000 Menschen nahmen nach Schätzungen des Organisationsteams daran teil, die meisten mit 11.000 in Berlin. Mehr als 330 Institutionen unterstützen die Aktion mittlerweile in Deutschland, darunter zahlreiche Wissenschaftsorganisationen.

"Wenn wir beobachten, wie in anderen Nationen die Wissenschaft von der Politik angegriffen wird, können wir als Wissenschaftler nicht anders als aufzustehen und uns als Gruppe einzubringen", rief die Organisatorin für Deutschland Dr. Tanja Gabriele Baudson der Menge am Wissenschaftsstandort Bonn zu.  Entwicklungen um und in Europa, wie Entlassungen in der Türkei oder die geplante Schließung der Central European University (CEU) in Ungarn, seien Warnschüsse, wie schnell es zu einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit und damit eines zentralen Fundaments der Demokratie kommen könne.

Wissenschaft in Deutschland in der Verantwortung

"Gerade hier befinden wir uns an einem sehr guten Ort, um populistischen und wissenschaftsfeindlichen Strömungen mutig und kraftvoll entgegenzustehen", sagte der Rektor der Universität Bonn, Professor Michael Hoch, mit Blick auf die Hofgartenwiese vor dem Hauptgebäude der Bonner Universität. 1968 haben dort Proteste gegen die Notstandsgesetzte und Anfang der 1980er Jahre die Friedensdemonstrationen stattgefunden. "Die Wissenschaft hat eine zentrale Verantwortung "für die Lösung wesentlicher Zukunftsfragen des 21. Jahrhunderts".

Es könne nicht akzeptiert werden, dass Tatsachen zunehmend schlicht bestritten werden, mahnte Co-Organisator Claus Martin: "Jeder kann anderer Meinung sein, wie wir mit dem Klimawandel umgehen sollten, aber man kann nicht sagen: den gibt es nicht." Die absolute Wahrheit biete auch ein Wissenschaftler nicht, aber anders als der Populist ringe er fortlaufend um das Erlangen neuer Erkenntnisse.

Dabei gelte: "Adäquate methodische Standards müssen eingehalten werden und Behauptungen überprüfbar und nachvollziehbar sein", betonte Professorin Margret Wintermantel, Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Nur ein internationaler wissenschaftlich basierter Diskurs mache es möglich, dass "die Interdependenzen kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Art in einer globalisierten Welt positiv und friedlich gestaltet werden können".

Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, betonte die "gemeinsame Pflicht als Politik, als Wissenschaft, als Presse und als aufgeklärte Staatsbürger, vehement gegen populistische Äußerungen anzuhalten".

Konkrete Projekte sollen auf Protestaktion folgen

"Wie geht es weiter?" fragen die Organisatoren die Besucher der weltweiten Websites des "March for Science". Aus den bisherigen Antworten schließt Tanja Gabriele Baudson erstens, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Erkenntnisse stärker verbreiten und dabei ihr wissenschaftliches Vorgehen erklären müssten. Dadurch verstünden Bürgerinnen und Bürger auch, warum Forschungsarbeiten je nach angewendeter Methode und berücksichtigter Faktoren zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen.

"Es liegt am 'Typ Wissenschaftler', dass wir uns nicht spontan äußern und in den Raum geworfene Thesen erst einmal überprüfen", sagt sie. "US-amerikanische Wissenschaftler sind uns Deutschen da etwas voraus und kommunizieren trotz dieses Grundsatzes mehr und offener als deutsche Wissenschaftler, zum Beispiel über die sozialen Medien."

Zweitens sollten die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens den Kindern in der Schule so früh wie möglich nahegebracht und sie in ihrer Neugier gefördert werden. Drittens müssten die Grundsätze freier Wissenschaft genauer analysiert werden. Im Anschluss an die Protestaktion sollen diese und weitere Aspekte in konkreten Projekten behandelt werden. Über die Details diskutiert aktuell das internationale Organisationsteam.

Auslöser für den "March for Science" ist die bereits in seinen ersten Amtswochen als wissenschaftsfeindlich wahrgenommene Politik Donald Trumps (Forschung & Lehre 4/2017). Das Organisationsteam betonte wiederholt, dass es sich um einen politischen, aber nicht parteiischen Protest handele. Im Vorfeld war die Aktion unter anderem dafür kritisiert worden, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler  sie zu ihrem eigenen Nutzen instrumentalisierten und nicht selbstkritisch die interne Unfreiheit, etwa durch Drittmittelfinanzierung, thematisierten.