Studiengang Hebammenkunde: Eine Studentin übt unter Anleitung einer Lehrkraft für Hebammenkunde das Aufnehmen eines Neugeborenen.
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Studiengang Hebammenkunde
Hebammen fürchten Nachteile der Akademisierung

Der neue Bachelorabschluss bringt für Hebammen viele Vorteile. Haben Hebammen mit einer Ausbildung künftig das Nachsehen?

03.05.2021

Mehr als 20 Jahre hat es gedauert, bis die Ausbildung der Hebammen in Deutschland angehoben wurde. Vor mehr als einem Jahr trat das neue Hebammengesetz in Kraft und die Ausbildung wurde akademisiert. Seit dem 1. Januar 2020 gilt grundsätzlich: Wer Hebamme werden will, muss ein Bachelorstudium absolvieren. Deutschland war damit das letzte Land in der Europäischen Union, das die Hebammenausbildung akademisiert hat.

"Durch das Studium wird endlich das hohe Niveau, auf dem Hebammen arbeiten, widergespiegelt", sagt die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, Ulrike Geppert-Orthofer. Der Run auf die Studienplätze sei groß, nun gelte es, schnell genügend Studienplätze zur Verfügung zu stellen. "Uns ist bewusst, dass dies während der Corona-Pandemie eine große Herausforderung darstellt", so Geppert-Orthofer. Der Verband vertritt die Interessen von mehr als 20.000 Hebammen in Deutschland.

"Wir hatten im europäischen Vergleich schon immer eine sehr hochwertige Ausbildung", sagt Henrike Todorow, Fachbereichsleiterin Hebammen an der Medizinischen Fakultät der Uni Leipzig. Was jetzt hinzukomme, sei das wissenschaftliche Arbeiten. Die Studierenden lernten richtig zu recherchieren, Studien zu bewerten und die systematische Suche. Mit dem akademischen Abschluss könnten die Absolventinnen und Absolventen auch in der Forschung oder der Lehre bleiben. "Dadurch sind die Karrierechancen vielfältiger geworden." Und auch die Bewerbungschancen innerhalb der EU steigen mit dem Bachelor-Abschluss.

Aufwertung von ausgebildeten Hebammen nach Schweizer Vorbild?

Zugleich fürchtet der Hebammenverband eine drohende Zwei-Klassen-Gesellschaft und Nachteile für Kolleginnen mit einer altrechtlichen Ausbildung. "Schon jetzt tritt ein, was wir verhindern wollten: Kliniken bieten Hebammen mit Bachelor-Abschluss mehr Geld, obwohl sich die Tätigkeiten nicht unterscheiden", sagt Geppert-Orthofer. Sie fordert daher eine Gleichstellung der bisherigen Ausbildung mit dem neuen Bachelor-Abschluss. "Der Titel soll nicht einfach überführt werden. Aber der Bachelorgrad sollte für Hebammen, die nach altem Recht ausgebildet sind, leichter zu erreichen sein als bislang."

Damit es kurzfristig keinen Engpass bei der Hebammenausbildung gibt, hat der Gesetzgeber Übergangsregelungen für die Ausbildung an Schulen beschlossen: Bis Ende 2022 können Hebammenschulen noch neue Kurse starten. Bis 2027 müssen alle Hebammen diese Ausbildung dann abgeschlossen haben. "Wir wollen aber nicht, dass Hebammen, die jetzt noch eine Ausbildung beginnen, um Lücken zu füllen, später Nachteile haben", so die Vorsitzende Geppert-Orthofer.

Jede Hebamme, die eine Ausbildung absolviert und Berufserfahrung hat, kann demnach ein Studium absolvieren und sich dafür die Ausbildung zum Teil anerkennen zu lassen. Es werde in Deutschland jedoch zu wenig von der Berufserfahrung anerkannt, die Inhalte würden sich doppeln.

"Österreich und die Schweiz machen vor, wie es gehen könnte", so die Verbandsvorsitzende. In der Schweiz sei zunächst das Gehalt aller Hebammen auf den Bachelorgrad hochgestuft worden. "Dann hatten sie fünf Jahre Zeit für den nachträglichen Titelerwerb durch Weiterbildung", so Geppert-Orthofer. In Österreich sei der Weg zum Master noch einfacher. "Dort wurde die Ausbildung mit dem Bachelor gleich gestellt". In Deutschland wären Änderungen in diesem Bereich Ländersache. Das Bundesgesundheitsministerium habe bereits deutlich gemacht, dass das Problem nur auf Länderebene zu lösen sei.

dpa/ckr