Gruppe Studierender mit Tablet
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Weltwirtschaftsforum
Kaum Fortschritte bei gerechter Bildung

Deutschland schneidet in der Bildungsgerechtigkeit mittelmäßig ab. Mittlerweile hat ganz Westeuropa die Bundesrepublik überholt.

18.12.2018

Die Gleichberechtigung in Deutschland kommt kaum voran. Dazu zählen auch anhaltende Missstände in der Bildung. Auf einem insgesamt hohen Niveau schneidet Deutschland unter den westeuropäischen Staaten am schlechtesten ab. Das hat eine neue Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) ergeben.

Das Gefälle zwischen Männern und Frauen in der Bildung liegt in Deutschland bei 2,4 Prozent. Damit landet die Bundesrepublik im weltweiten Vergleich auf Rang 97. Mit einer Kluft von drei Prozent war es 2017 Platz 98.

Global hat sich die Bildungsgerechtigkeit mit einem Gefälle von fünf Prozent laut Studie verbessert. Untersucht wurden jeweils die Lese- und Rechtschreibfähigkeit sowie die Immatrikulation an Bildungseinrichtungen. Keine Mängel gebe es dabei unter anderem in Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich.

Neben der Bildung hat das WEF für den jährlichen "Global Gender Gap Report 2018" in 149 Staaten drei weitere Bereiche analysiert: Wirtschaft (etwa Gehälter und Chancen auf Führungspositionen), Gesundheit (etwa Lebenserwartung) und politische Mitwirkungsmöglichkeiten.

Über alle Untersuchungsbereiche hinweg ist in Deutschland knapp 78 Prozent der Geschlechterkluft geschlossen. Damit rutscht das Land um zwei Plätze ab, auf Rang 14. Beim ersten Ranking 2006 stand die Bundesrepublik noch auf Platz 5.

Automatisierung trifft vor allem Frauen

Spitzenreiter bleibt Island. Doch auch dieses Land wurde mit einer zu 85,8 Prozent geschlossenen Lücke schlechter bewertet als im Vorjahr (88 Prozent). Die Kluft bei weiblichen Abgeordneten sowie Beamtinnen und Managerinnen habe sich vergrößert. Hinter Island folgen Norwegen, Schweden und Finnland sowie das mittelamerikanische Nicaragua und das ostafrikanische Ruanda. Die USA fallen um zwei Plätze auf Rang 51. Westeuropa bleibt die Region mit der höchsten Gleichstellung (knapp 76 Prozent), Schlusslicht sind der Nahe Osten und Nordafrika (rund 60 Prozent).

Weltweit stagniere die Gleichberechtigung, in einigen Bereichen wachse die Kluft sogar wieder, warnte das WEF. So habe das Gefälle zwischen Männern und Frauen in den Bereichen Bildung und Gesundheit global zugenommen. Lediglich bei der wirtschaftlichen Chancengleichheit sei das Gefälle verringert worden, allerdings sei der Frauenanteil an der weltweiten Erwerbsbevölkerung zurückgegangen.

Gründe für diese "beunruhigende Entwicklung": Die Automatisierung wirke sich unverhältnismäßig stark auf Bereiche aus, die traditionell von Frauen besetzt waren. "Gleichzeitig sind Frauen in wachsenden Beschäftigungsfeldern, die MINT-Fähigkeiten und -Wissen erfordern, unterrepräsentiert." So sei in Deutschland die Lücke zwischen Frauen und Männern bei der Künstlichen Intelligenz sehr groß: Nur 16 Prozent des Talent-Pools bestehe aus Frauen. Zudem seien weltweit vielerorts Kinder- und Altenbetreuung noch immer unterentwickelt; dies hemme die Rückkehr vieler Frauen in die Arbeit.

"Mehr denn je können es Gesellschaften sich nicht leisten, auf die Fähigkeiten, Ideen und Perspektiven der Hälfte der Menschheit zu verzichten", kommentierte WEF-Gründer Klaus Schwab den Bericht. Nur mit Teilhabe der Frauen lasse sich das Versprechen einer wohlhabenderen und menschlich orientierten Zukunft umsetzen.

Im Vorjahr hatten die Autoren erstmals seit Veröffentlichung der Studie 2006 eine Vergrößerung der Kluft zwischen Frauen und Männern festgestellt. Vor diesem Hintergrund sei die – wenn auch marginale – Verbesserung in diesem Jahr begrüßenswert. Weltweit ist die Geschlechterkluft demnach zu 68 Prozent geschlossen.

Im jetzigen Tempo werde es länger dauern, die globale Lücke zwischen den Geschlechtern zu schließen, schreiben die Autoren. Sie rechnen für die 106 Länder, die bereits 2006 untersucht wurden, mit 108 Jahren – verglichen mit 100 beim vorherigen Bericht. Bis zur Gleichstellung am Arbeitsplatz dauert es demnach noch 202 Jahre.

Dazu passen auch kürzliche Auswertungen des Deutschen Hochschulverbands, nach denen Professorinnen bei der W-Besoldung noch deutlich schlechter wegkommen.

dpa/kas