Corona-Pandemie
Leopoldina fordert "allmähliche Lockerung"
Die Nationale Akademie der Wissenschaften – Leopoldina hat in einer aktuellen Stellungnahme eine "allmähliche Lockerung" der aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorgeschlagen. Voraussetzung dafür sie allerdings, dass die rasche Eindämmung der Ausbreitung der Pandemie weiterhin "höchste Priorität" haben müsse.
Wenngleich die Pandemie das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben noch auf Monate bestimmen wird, gilt es laut Akademie, "über die akuten Einschränkungen zentraler Grundrechte (wie der Bewegungsfreiheit) hinaus zu gehen und Kriterien und Strategien für die allmähliche Rückkehr in die Normalität zu entwickeln". Voraussetzung für eine solche "allmähliche Lockerung" sei, so die aktuelle Stellungnahme der Akademie, dass sich die Neuinfektionen auf einem niedrigen Niveau stabilisierten, das Gesundheitssystem nicht überlastet werde, Infizierte zunehmend identifiziert würden und die Schutzmaßnahmen (Hygienemaßnahmen, Mund-Nasen-Schutz, Distanzregeln) eingehalten würden.
Konkret fordert die Akademie in ihrer Stellungnahme, die Schulen sobald wie möglich wieder zu öffnen. Da die Jüngeren im Bildungssystem mehr auf persönliche Betreuung, Anleitung und Unterstützung angewiesen seien, sollten zuerst Grundschulen und die Sekundarstufe I wieder schrittweise geöffnet werden. Die Möglichkeiten des Fernunterrichts, ob digital oder analog, könnten mit zunehmendem Alter besser genutzt werden. Deshalb empfiehlt die Leopoldina, dass eine Rückkehr zum gewohnten Unterricht in höheren Stufen des Bildungssystems später erfolgen sollte. Wenn eben möglich, sollten Prüfungen durchgeführt werden. Da kleinere Kinder sich nicht an die Distanzregeln und Schutzmaßnahmen halten könnten, gleichzeitig aber die Infektion weitergeben könnten, sollte der Betrieb in Kindertagesstätten nur sehr eingeschränkt wiederaufgenommen werden.
An den Universitäten und Hochschulen sollte das Sommersemester weitgehend als online/home-learning-Semester zu Ende geführt werden.
Weiter könnten zunächst zum Beispiel der Einzelhandel und das Gastgewerbe wieder öffnen sowie der allgemeine geschäftliche und behördliche Publikumsverkehr wiederaufgenommen werden. Darüber hinaus könnten dienstliche und private Reisen unter Beachtung der genannten Schutzmaßnahmen unternommen werden. Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz sollte als zusätzliche Maßnahme in bestimmten Bereichen wie dem öffentlichen Personenverkehr Pflicht werden. In Abhängigkeit von der möglichen räumlichen Distanz und den Kontaktintensitäten der Beteiligten sollten gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Veranstaltungen nach und nach wieder ermöglicht werden.
Daten sollen in Echtzeit zur Verfügung stehen
Die Nationale Akademie betont darüber hinaus, dass die "bisher stark symptomgeleiteten Datenerhebungen" zu einer "verzerrten Wahrnehmung des Infektionsgeschehens" führten. Es sei daher wichtig, die Erhebung des Infektions- und Immunitätsstatus der Bevölkerung substantiell zu verbessern, insbesondere durch repräsentative und regionale Erhebung des Infektions- und Immunitätsstatus. Die so gewonnenen Daten sollten "in Echtzeit" in die laufenden Anpassungen dynamischer Modelle einfließen und so verlässlichere Kurzzeitprognosen ermöglichen. Diese wiederum könnten zur Entscheidungsunterstützung herangezogen werden und die Wirksamkeit politischer Maßnahmen überprüfbar machen. Dabei sollte die Nutzung von freiwillig bereitgestellten GPS-Daten in Kombination mit dem sogenannten "Contact-Tracing", wie dies beispielsweise in Südkorea der Fall sei, möglich sein. Dies würde die Präzision heute verfügbarer Modelle steigern, um insbesondere eine kontextabhängige, örtliche Auflösung und damit eine differenzierte Vorhersage des Pandemieverlaufs zu erlauben.
Die dritte Stellungnahme ergänzt die beiden Stellungnahmen zu gesundheitspolitischen Fragen im Umgang mit der Pandemie vom 3. April und vom 21. März. Diese Empfehlungen gelten laut Mitteilung der Leopoldina weiterhin.
aktualisiert am 14. April 2020 um 9.31 Uhr
gri