Werbefahne der "Bild"-Zeitung an einem Kiosk
picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Berichterstattung über die Corona-Pandemie
Presserat weist Beschwerden über "Bild"-Artikel zurück

Der Artikel der "Bild"-Zeitung, der Forschende für Corona-Maßnahmen verantwortlich machte, ist zulässig. Die Zuspitzung ist laut Presserat erlaubt.

24.03.2022

Der Deutsche Presserat hat Beschwerden über einen umstrittenen "Bild"-Artikel zur Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Corona-Pandemie als unbegründet zurückgewiesen. Das teilte der Rat am Donnerstag in Berlin mit. Der Bericht verstoße nicht gegen den Pressekodex und sei presseethisch zulässig. Ddie Boulevardzeitung, die zum Medienkonzern Axel Springer gehört, hatte den Artikel "Die Lockdown-Macher" Anfang Dezember veröffentlicht. Darin ging es um drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auch abgebildet waren.

Wissenschaftsorganisationen hatten sich daraufhin zusammengetan und kritisiert, dass einzelne Forschende "zur Schau gestellt und persönlich für dringend erforderliche, aber unpopuläre Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung verantwortlich gemacht werden". Das könne zu einem Meinungsklima beitragen, das an anderer Stelle bereits dazu geführt habe, dass Wissenschaftler sich physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sahen oder bedroht wurden.

"Bild"-Chefredakteur Johannes Boie hatte im Januar bei einer gemeinsam initiierten öffentlichen Diskussionsrunde mit Forschenden und Wissenschaftsorganisationen zur Rolle von Boulevardjournalismus in der Pandemie über den "Bild"-Bericht gesagt: "Dieser Artikel war absolut unglücklich. Ich würde ihn so nicht noch mal drucken."

"Tatsachenkern" belegt politischen Einfluss der Wissenschaft

Der Presserat begründete seine Entscheidung zu den zurückgewiesenen Beschwerden so: Die Bezeichnung der Expertinnen und Experten als "Lockdown-Macher" habe einen "Tatsachenkern" und verletze daher nicht die journalistische Sorgfaltspflicht. "Der Einfluss der genannten Wissenschaftler auf politische Entscheidungen über Corona-Maßnahmen lässt sich belegen." Die Bezeichnung sei eine zulässige Zuspitzung, die pointiert und streitbar sein möge, von der Meinungsfreiheit aber gedeckt sei.

Auch die Darstellung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nebeneinander im Porträt sei zulässig und beschädige nicht das Ansehen der Presse. "Durch ihre Auftritte in den Medien während der Corona-Pandemie haben sich die Experten selbst in die Öffentlichkeit begeben und müssen es hinnehmen, auch persönlich kritisiert zu werden", hieß es weiter vom Presserat zu der Einschätzung des Beschwerdeausschusses.

Über den Artikel hatten sich demnach 94 Personen und wissenschaftliche Institutionen beschwert. Sie hätten kritisiert, dass der Bericht den Eindruck erwecke, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler persönlich für Corona-Maßnahmen verantwortlich seien und nicht die Politik. Das schüre Verschwörungstheorien und fördere Hetze gegen Forschende.

dpa/ckr