Werbefahne der "Bild"-Zeitung an einem Kiosk
picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Boulevardjournalismus
Auf der Suche nach einer Vertrauensbasis

"Bild" im Gespräch mit Forschenden und Wissenschaftsorganisationen: Wie kann das Verhältnis von Boulevard und Wissenschaft verbessert werden?

29.01.2022

Ein Gespräch ohne konkrete Beschlüsse: So berichten verschiedene Medien über die Veranstaltung "Hinter den Schlagzeilen. Mit BILD im Gespräch", zu der die Redaktion der Boulevardzeitung gemeinsam mit der Helmholtz-Gemeinschaft, der Hochschulrektorenkonferenz und der Max-Planck-Gesellschaft am Freitag eingeladen hatte. Bei dem Gespräch sollte es um die Rolle von Boulevardmedien in Zeiten der Pandemie gehen und wie die Kommunikation zwischen ihnen und der Wissenschaft verbessert werden könnte.

Hintergrund der Einladung war ein Artikel, der im Dezember letzten Jahres in "Bild" veröffentlicht wurde und einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler persönlich angegriffen und als "Lockdown-Macher" bezeichnet hatte. Dem Presserat als Selbstkontrolle der Presse liegen viele Beschwerden dazu vor. Eine Allianz von Wissenschaftsorganisationen hatte in einem Statement kritisiert, dass einzelne Forscherinnen und Forscher "zur Schau gestellt und persönlich für dringend erforderliche, aber unpopuläre Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung verantwortlich gemacht werden". Das könne zu einem Meinungsklima beitragen, das an anderer Stelle bereits dazu geführt habe, dass Wissenschaftler sich physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sahen oder bedroht wurden.

Nach der breiten Kritik an dem Artikel hatte der Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, Johannes Boie, in einem Statement, das im Dezember bei "Bild" zu lesen war, betont: Wer dieses Land regiere, verändere und über das Leben der Menschen bestimme, müsse Kritik aushalten. Gerade auch von Journalisten. "Umgekehrt muss Kritik angemessen geübt werden. Das gilt ausdrücklich auch für 'Bild'." Im Rahmen der Veranstaltung äußerte sich Boie laut dpa erneut zu dem Artikel: Dieser sei "absolut unglücklich" gewesen und er "würde ihn so nicht noch mal drucken". Auch intern habe es vor und nach der Veröffentlichung des Artikels Kritik gegeben.

Vorschläge für ein besseres Verhältnis

Mit Boie sprachen Professor Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, Dr. Viola Priesemann, Leiterin einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut in Göttingen, Professor Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, und Professor Michael Hallek, Uniklinik Köln und Mitglied des Wissenschaftsrates. Einige der teilnehmenden Forschenden erklärten, dass sie vor der Teilnahme an einem Gespräch mit der "Bild"-Zeitung gewarnt worden seien.

Wiestler sprach in der Runde mit Blick auf den Artikel von einer Grenzüberschreitung. Er sagte: "Wir müssen auf einer neuen Basis zusammenarbeiten." Priesemann berichtete davon, dass viele Kollegen nicht mit ihren wissenschaftlichen Ergebnissen in die Öffentlichkeit gingen. "Das sollte uns, denke ich, zu denken geben: Warum ist das so?" Priesemann war eine der Forscherinnen, die in dem umstrittenen Artikel genannt und abgebildet worden waren.

In der Gesprächsrunde wurden Ideen gesammelt, wie sich das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Boulevardjournalismus verbessern könnte. Meyer-Hermann brachte eine regelmäßige Wissensseite in der "Bild"-Zeitung ins Spiel. Er war auch in dem umstrittenen Artikel Anfang Dezember genannt worden.

Auch "Bild"-Chefredakteur Boie suggerierte, dass die Zeitung Änderungsbedarf sehe, wie der Tagesspiegel berichtet. Boie habe sich zwar gegen den Eindruck gewehrt, sein Blatt müsse "reingewaschen" werden. Die "Bild"-Zeitung sei demnach ein Massenmedium mit 13 Millionen Lesern, die ein Recht auf politische Meinungsbildung hätten. Allerdings habe Boie angekündigt, dass die Einstellung eines neuen Wissenschafts-Redakteurs in Planung sei.

cpy/dpa