Eine Dozentin steht vor ihren Studierenden
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Vergütung
Die Titellehre – ein Anachronismus?

Viele Privatdozenten lassen sich darauf ein, ohne Vergütung zu lehren. Ein aktuelles Urteil gibt Anlass, die "Titellehre" näher zu beleuchten.

Von Sascha-Sven Noack 06.03.2018

Im Jahre 2017 beträgt der aktuelle gesetzliche Mindestlohn 8,84 Euro pro Stunde. In Bayern wird ein Lehrauftrag an einer Hochschule mit circa 55,- Euro durchschnittlich vergütet. Nach akademischem Gewohnheitsrecht soll jedoch die wissenschaftliche Lehre von habilitierten Privatdozenten beziehungsweise außerplanmäßigen Professoren mit 0,- Euro vergütet werden dürfen, wenn diese nicht in einem Dienstverhältnis zur Universität stehen.

Auf diese "Vergütung" lassen sich Privatdozenten ein, um nicht Gefahr zu laufen, ihre Privatdozentur respektive außerplanmäßige Professur zu verlieren. Normativ finden sich diesbezügliche Regelungen sowohl in den Hochschulgesetzen als auch teilweise nur im universitären Satzungsrecht. Letzteres ist zumindest vor dem Hintergrund des Wesentlichkeitsvorbehalts des Bundesverfassungsgerichts durchaus beachtlich. Bezeichnet wird diese Obliegenheit als sogenannte "Titellehre". Eine aktuelle Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu dieser Thematik gibt Anlass, diese Thematik einmal näher zu beleuchten.

Titellehre: Entscheidungen von Bundesverwaltungsgericht und  Bayerischem Verfassungsgerichtshof

Bereits das Bundesverwaltungsgericht kam 1994 (Az.: 6 C 40/92) zu dieser bemerkenswerten Erkenntnis. Der Status des Privatdozenten und seine hierauf gegründete Mitgliedschaft in der Universität seien üblicherweise nur eine vorübergehende Zwischenstation auf dem Weg zum Universitätsprofessor; werde er nicht hierzu berufen, so müsse er die wirtschaftliche Grundlage seiner Existenz anderweitig suchen. Die Privatdozentur könne nicht als Beruf im Sinne des Grundgesetzes betrachtet werden.

Die unentgeltliche Lehre stelle keine durchsetzbare rechtliche Pflicht, sondern nur eine Obliegenheit dar, deren Verletzung dazu führen kann, dass die Lehrbefugnis entzogen werden könne. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass den Privatdozenten dabei keinerlei rechtliche Vorgaben in Hinblick auf die Lehre gemacht werden dürften. Dieser Umstand führt auch dazu, dass Privatdozenten auch zu den "freiesten Hochschullehrern" erkoren worden sind.

Als weiteres Regulativ erklärte das Gericht, dass die Obliegenheit zur unentgeltlichen Lehre dann entfalle, wenn deren Zweck, nämlich die "Qualitätssicherung der Lehre" und die Sammlung von hochschulspezifischer Lehrerfahrung, anderweitig erfüllt werden könne. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Privatdozent im Rahmen eines Dienstverhältnisses äquivalente Lehre leistet, beispielsweise während einer Vertretungsprofessur an einer anderen Universität oder bereits im Rahmen eines regulären Dienstverhältnisses als wissenschaftlicher Mitarbeiter ein Lehrdeputat zu erfüllen hat. Zudem war das Gericht der Auffassung, dass die unentgeltliche Lehre überwiegend im Interesse der Privatdozenten und nicht im Interesse der Hochschule erfolge.

Erfolgt die Lehrveranstaltung im öffentlichen Interesse, muss diese auch vergütet werden.

Ende des Jahres 2017 musste der Bayerische Verfassungsgerichtshof (Az.: Vf. 17-VII-14) über eine Popularklage entscheiden, die streitgegenständlich an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts anknüpft. Nach bayerischem Hochschulrecht (Art. 27 BayHschPG) kann eine Universität die Bestellung zum außerplanmäßigen Professor widerrufen, wenn der Professor vor Vollendung des 62. Lebensjahres aus Gründen, die er zu vertreten hat, die Obliegenheit zur unentgeltlichen Lehrtätigkeit im Umfang von zwei Lehrveranstaltungsstunden nicht erfüllt.

Im Ergebnis hält der Verfassungsgerichtshof diese Norm für vereinbar mit der bayerischen Verfassung. Dabei richtet das Gericht seine Argumentation anfangs nahezu akzessorisch an den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts aus. Die Obliegenheit zur unentgeltlichen einstündigen Titellehre pro Semester sei eine Reglementierung einer Zugangsmöglichkeit zum Beruf eines Universitätsprofessors.

Diese Reglementierung diene jedoch einem legitimen Zweck und sei auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Die Titellehre bezwecke, dass die Forscher ihre Qualifikation als Lehrende erhalten. Verhältnismäßig sei die Regelung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, da das Bayerische Hochschulpersonalgesetz eine Lehrvergütung auch an Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren ermögliche.

Entscheidend sei daher die Art der Lehre. Erfolge die jeweilige Lehrveranstaltung im öffentlichen Interesse, müsse diese auch vergütet werden. Lehre der Privatdozent, ohne dass es für die Vervollständigung des Lehrangebots erforderlich sei, sei die Lehre nur im eigenen Interesse und die Unentgeltlichkeit sei gerechtfertigt. Über diese Frage haben jedoch die zuständigen Fachgerichte im Einzelfall zu entscheiden.

Auslegung liegt bei Bayrischen Universitäten und Verwaltungsgerichten

Damit müssten nun gegebenenfalls die bayerischen Verwaltungsgerichte klären, inwieweit einem Privatdozenten oder einem außerplanmäßigen Professor für seine Lehre eine Vergütung zusteht. Damit erklärt das Gericht eine Norm für verfassungsrechtlich unbedenklich, indem es deutlich macht, dass diese streng genommen kaum mehr Anwendung finden kann. Die von außerplanmäßigen Professoren und Privatdozenten erbrachte Lehre dürfte überwiegend im Rahmen der für die jeweiligen Prüfungsordnungen notwendigen Lehre stattfinden.

Auch Prüfungsverpflichtungen deuten grundsätzlich darauf hin, dass es sich um Lehre handelt, die vom Staat zu vergüten ist. Zudem wird die Titellehre nach der Rechtsprechung der bayerischen Verwaltungsgerichte auch bei der Kapazitätsberechnung berücksichtigt (vgl. bspw. VGH München, Az.: 7 CE 13.10.306). Es bleibt abzuwarten, wie die bayerischen Universitäten und die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit etwaigen Anträgen und Klagen von Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren umgehen werden.