Verschiedene Icons für das Urheber- und Patentrecht sowie Erfindungen auf Holzklötzen
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Patentrecht
Wie weit reicht der Patentschutz an Universitäten?

Erfindungen können durch Patente geschützt werden. Was ist dabei zu beachten? Ein Überblick über das deutsche und europäische Patentrecht.

Von Ansgar Ohly 31.01.2022

"The patent system adds the fuel of interest to the fire of genius." Dieses Wort von Abraham Lincoln fasst die Funktion des Patentrechts prägnant zusammen. Gäbe es keine Patente und könnten alle Erfindungen sofort nach ihrer Vermarktung allgemein genutzt werden, so gäbe es für ein Unternehmen nur wenig Anlass, in die Forschung und die Entwicklung neuer Produkte zu investieren. Am sinnvollsten wäre es dann, soweit möglich, die Erfindung geheim zu halten. Auch der Abschluss von Lizenzverträgen wäre ohne Patente schwierig, weil der Erfinder seine Idee nicht risikolos mitteilen könnte, der potenzielle Lizenznehmer aber nicht bereit wäre, eine Lizenz zu nehmen, ohne ihren Gegenstand zu kennen. Das Patentrecht schafft hier einen mehrstufigen Anreiz. Durch die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts kann der Erfinder für eine begrenzte Zeit seine Produkte ohne Konkurrenzbedingungen verkaufen und so seine Investitionen refinanzieren. Im Austausch für das Recht muss er seine Erfindung offenbaren. Gegenüber Lizenznehmern kann er wegen des Ausschließlichkeitsrechts die Erfindung gefahrlos beschreiben.

Allerdings gilt der Satz "Je mehr Patente, desto besser für die Volkswirtschaft" nicht uneingeschränkt. Gibt es zu viele Patente mit möglicherweise unklarem Schutzbereich, so kann es zu Patentdickichten kommen, und für Wettbewerber wird es schwierig, die Patentlage rechtssicher zu analysieren und Verletzungen zu vermeiden. Werden Ergebnisse der Grundlagenforschung patentiert, die früh ("upstream") im Innovationsprozess zum Einsatz kommen, können Patente die Forschung und Entwicklung sogar behindern.

Wie Patente erteilt werden

Während das Urheberrecht formlos durch bloße Schöpfung des Werks entsteht, werden Patente von einem Amt erteilt. Dabei kann es sich um ein nationales Patentamt wie das Deutsche Patent- und Markenamt handeln, aber auch um das Europäische Patentamt mit Sitz in München. Es erteilt in einem einheitlichen Verfahren Patente für 38 Mitgliedstaaten (EPÜ-Staaten), zu denen nicht nur alle EU-Staaten, sondern beispielsweise auch Großbritannien und die Schweiz gehören. Weil der Anmelder das Europäische Patent auch nur für einige ausgewählte Mitgliedstaaten beantragen kann und weil das Patent nach der Erteilung in den Mitgliedstaaten wie ein nationales Patent behandelt und weitgehend dem nationalen Recht unterworfen wird, handelt es sich nicht um ein einheitliches Patent für das gesamte Gebiet der EPÜ-Staaten, sondern um ein sogenanntes Bündelpatent.

Sowohl im deutschen als auch im europäischen Recht steht am Anfang des Erteilungsverfahrens die Patentanmeldung, die meist von einem Patentanwalt getätigt wird. Anschließend werden im Amt die Erteilungsvoraussetzungen geprüft. 18 Monate nach Anmeldung wird jede Patentanmeldung veröffentlicht, obwohl zu diesem Zeitpunkt meist noch nicht feststeht, ob das Patent erteilt wird. Erst mit der Veröffentlichung der Erteilung entfaltet das Patent seine Wirkungen, und Dritte können wegen Verletzung verfolgt werden.

Voraussetzungen zur Erteilung von Patenten

Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Eine Erfindung ist eine technische Lösung eines technischen Problems. Sie ist vor allem von der Entdeckung abzugrenzen. Die Entdeckung eines naturwissenschaftlichen Phänomens bereichert unser Wissen, die Erfindung unser Können. Wer die Ausrichtung einer Magnetnadel zum magnetischen Nordpol zum ersten Mal durchschaut, ist ein Entdecker; wer zur Lösung des technischen Problems schwieriger Orientierung bei fehlendem Sonnenlicht den Kompass vorschlägt, ist ein Erfinder. Schwierigkeiten bereitet der Erfindungsbegriff bei Computerprogrammen, denn sie können sowohl technische Prozesse durchführen – beispielsweise die Kraftstoffzufuhr im Auto steuern – als auch Hilfsmittel für nicht-technische Tätigkeiten sein – beispielsweise dazu dienen, einen Beitrag für "Forschung & Lehre" aufzuschreiben. Computer-implementierte Erfindungen, die eine technische Wirkung haben, sind patentierbar, aber die Kasuistik der Ämter und Gerichte ist nicht immer einfach zu verstehen. Patente können auf Produkte, beispielsweise einen Wirkstoff, oder ein Verfahren, beispielsweise ein gentechnologisches Testverfahren, erteilt werden. Auch Stoffe, die in der Natur vorkommen, können patentiert werden, wenn sie aus ihrer natürlichen Umgebung isoliert werden und eine überraschende Wirkung aufweisen. Deshalb sind Gensequenzen im Grundsatz patentierbar.

"Anders als in den USA gibt es in Europa fast keine Neuheitsschonfrist."

Die Erfindung muss zum Anmeldezeitpunkt neu sein. Wurde die Erfindung im Ausland zuerst angemeldet, kann sich der Anmelder vor dem Deutschen oder Europäischen Patentamt allerdings innerhalb von zwölf Monaten auf den Zeitpunkt der ausländischen Anmeldung berufen; man spricht hier von Priorität. Anders als in den USA gibt es in Europa fast keine Neuheitsschonfrist, die den Anmelder davor schützt, selbst durch Vorveröffentlichungen die Neuheit zu zerstören. Das kann für Wissenschaftler zum Problem werden. Ähnlich wie Röntgen, der sich als "Physiker, nicht als Krämer" sah, geht es vielen Wissenschaftlern weniger um die kommerzielle Verwertung als darum, als erste die neuen Erkenntnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen. Wird die Erfindung aber vor der Patentanmeldung in einem Paper oder auch nur mündlich in einem Vortrag beschrieben, so ist sie nicht mehr neu. Neben der Neuheit prüfen die Ämter auch, ob erfinderische Tätigkeit vorliegt. Das ist nicht der Fall, wenn die Erfindung für den Durchschnittsfachmann zum Anmeldezeitpunkt nahelag, denn die Lösung alltäglicher Probleme mit "Bordmitteln" will das Patentrecht nicht behindern. Schließlich muss die Erfindung gewerblich anwendbar sein. Hierfür genügt es schon, dass sie als Produkt hergestellt und verkauft werden kann. Allerdings fehlt die gewerbliche Anwendbarkeit, wenn der Erfinder nicht angeben kann, wozu die Erfindung taugt. Das kann etwa bei einer Gensequenz der Fall sein, deren Funktion unbekannt ist.

Die zunehmende Verbreitung der künstlichen Intelligenz geht auch am Patentrecht nicht vorbei. KI-Systeme können nach den Grundsätzen patentiert werden, die für computerimplementierte Erfindungen gelten. Aber kann die KI auch Erfinderin sein? Das Europäische Patentamt hat diese Frage verneint: Erfinder sei immer ein Mensch. Natürlich mag die KI nur als Werkzeug des eigentlichen Erfinders eingesetzt werden, aber zunehmend wird sie technische Probleme auch eigenständig lösen. Ob dann die Annahme des Patentamts zwingend ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Anders als das Urheberrecht setzt das Patentrecht keine persönliche und individuelle Schöpfung voraus. Das Patentrecht ist ein ökonomischer Anreizmechanismus. Und wenn sich zeigt, dass auch die Investition in den Einsatz und das Training der KI Anreize erfordert, sind "erfinderlose Erfindungen" vielleicht mehr als Science Fiction.

Schutzbereich und Schranken bei Patenten

Das Patent verleiht seinem Inhaber für die vergleichsweise kurze Zeit von 20 Jahren ab Anmeldung ein starkes Recht. Er kann nicht nur Nachahmern die Nutzung seiner Erfindung verbieten, sondern auch unabhängigen Entwicklern. Der Schutzbereich des Patents wird durch den wichtigsten Teil der Patentschrift bestimmt: durch die Patentansprüche, deren Formulierung die Kunst des Patentanwalts ist. Einfach ist der Fall, wenn das Produkt oder Verfahren des Verletzers schon unter den Wortlaut der Ansprüche fällt. Schwieriger wird es, wenn das Produkt oder Verfahren nur funktionsgleich ist. Das zeigt ein Beispielsfall, der die Gerichte in einigen Ländern beschäftigt hat. Ein Epiliergerät weist nach den Patentansprüchen eine rotierende Metallspirale auf, die Haare einklemmt und ausreißt. Wird dieses Patent verletzt, wenn ein Konkurrent ein Gerät mit einer rotierenden Gummiwalze anbietet, die gebogen ist, Schlitze aufweist, in diesen Schlitzen Haare einklemmt und durch Rotation ausreißt? Der Wortlaut markiert in solchen Fällen nicht die Grenze des Schutzes. Er kann sich auch auf sogenannte Äquivalente erstrecken, wenn der Verletzer ein gleichwirkendes Mittel einsetzt und der Fachmann das nicht nur erkennt, sondern auch nicht aufgrund der Patentansprüche annehmen muss, das Patent wolle solche Fälle – etwa durch ausdrückliche Erwähnung einer "Metallspirale" statt eines "rotierenden Körpers – ausschließen.

 

Das Patentrecht unterliegt einigen Schranken, wenn auch in geringerem Maße als das Urheberrecht. Die Ausnahme zu Versuchszwecken erlaubt Experimente mit der Erfindung, um ihre Wirkung zu testen, nicht jedoch den Einsatz der Erfindung als "Forschungswerkzeug" zur Erforschung anderer Bereiche. Erlaubt ist demnach die Herstellung und Nutzung von Medikamenten zur Durchführung klinischer Versuche. Üblicherweise entscheidet der Patentinhaber selbst darüber, ob er Lizenzen erteilt. Ausnahmsweise kann aber auch im öffentlichen Interesse eine Zwangslizenz erteilt oder eine staatliche Benutzungsanordnung erlassen werden. Das wäre beispielsweise denkbar, um eine Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen oder Medikamenten gegen eine COVID-19-Infektion sicherzustellen. Allerdings wäre es naiv, das Patent als eine Art Rezept zu verstehen, das man nur lesen muss, um einen Impfstoff herstellen zu können. Zusätzlich ist erhebliches Know-how erforderlich. Bisher scheint es im COVID-Bereich keine Anträge auf Zwangslizenzen gegeben zu haben. Auch sind die meisten Patentexperten gegenüber dem Vorschlag einer Aussetzung von COVID-Patenten in Krisenzeiten skeptisch: Es ist sehr zweifelhaft, ob da­durch die Produktion von Impfstoffen gefördert würde, der Anreiz des Patentsystems für künftige Pandemien würde geschwächt, und mit der Zwangslizenz hält das Recht schon jetzt ein milderes Mittel bereit. Allerdings sollte das Patentsystem verstärkt Anreize für die freiwillige Lizenzerteilung im Bereich kritischer Medizinerfindungen gewähren – hier besteht durchaus noch Spielraum für rechtspolitische Kreativität.  

Universitätserfindungen

Die große Mehrzahl aller Erfindungen wird nicht von genialen Erfindern in der eigenen Garage getätigt, sondern in Unternehmen, Universitäten oder Forschungseinrichtungen. Hier stellt sich die Frage, ob der Erfinder oder die Organisation das Patent erhalten soll. Im deutschen Recht hat zwar der Erfinder das Recht auf das Patent, aber nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbNErfG) müssen angestellte Erfinder die Erfindung dem Unternehmen melden. Es kann daraufhin die Erfindung in Anspruch nehmen und selbst zum Patent anmelden, schuldet dem Arbeitnehmer dafür aber zusätzlich zu dessen normalem Lohn eine Vergütung. An Universitäten galt dieser Grundsatz früher nur sehr eingeschränkt. Aufgrund des Hochschullehrerprivilegs wurden Universitätserfindungen weitgehend als "freie Erfindungen" behandelt, die der Forscher selbst anmelden oder an einen Kooperationspartner in der Industrie übertragen konnte. Nicht zuletzt die erheblichen finanziellen Erfolge einiger US-Universitäten wie des MIT haben den deutschen Gesetzgeber veranlasst, diese Rechtslage ab 2002 zu ändern. Seitdem fallen auch Universitätserfindungen unter das ArbNErfG. Sie sind also zu melden und können von der Universität beansprucht oder auch freigegeben werden. Allerdings gelten gemäß § 42 ArbNErfG einige Besonderheiten. Aufgrund seiner Wissenschaftsfreiheit ist der Erfinder berechtigt, die Erfindung zu veröffentlichen, muss dies aber dem Dienstherrn rechtzeitig, regelmäßig zwei Monate zuvor anzeigen. Auch hat der Wissenschaftler die Möglichkeit, die Offenbarung der Erfindung zu verweigern. Verwertet der Dienstherr die Erfindung, so steht dem Wissenschaftler eine Vergütung in Höhe von 30 Prozent der Einnahmen zu.

"Universitätserfindungen sind zu melden und können von der Universität beansprucht oder freigegeben werden."

Praktisch gehen die Universitäten mit dieser Regelung unterschiedlich um. In einigen Bundesländern gibt es Agenturen zur Verwertung von Universitätserfindungen, beispielsweise die Bayerische Patentallianz. Allerdings haben in Bayern die Universitäten auch die Möglichkeit, die Verwertung selbst zu übernehmen. Hierfür hat sich die Ludwig-Maximilians-Universität München entschieden. An der LMU wird nach der Erfindungsmeldung aufgrund mehrerer Kriterien, etwa der Eignung der Erfindung, der Einbindung in Drittmittelprojekte und den Vorstellungen des Erfinders, über die Inanspruchnahme entschieden. Praktisch werden circa 30 Prozent aller gemeldeten Erfindungen in Anspruch genommen und unter Einbeziehung eines Patentanwalts angemeldet.

Wer mit der Änderung des ArbNErfG einen warmen finanziellen Regen für die Universitäten nach dem Vorbild führender US-Universitäten erwartet hatte, wurde bisher weitgehend enttäuscht. Wie in jedem Industrie-Portfolio gibt es auch an Universitäten meist einzelne Patente, die sich – auch nach Abzug der Kosten und der Erfindervergütung – als ertragreich erweisen, aber die Erträge müssen zunächst die Verwaltung, Anmeldung und Aufrechterhaltung der Patente finanzieren, die erhebliche Kosten verursachen, von den Kosten eines späteren Patentverletzungsstreits, die gerade in den USA ganz erheblich sein können, ganz zu schweigen. Möglicherweise ist der Ertrag der Universitätspatente eher ideeller Natur. Gelingt an einer Universität beispielsweise eine medizinische Erfindung, die zu einem erfolgreichen Produkt weiterentwickelt wird und Patienten das Leben rettet, dann lässt das Patent deutlicher als eine Fachveröffentlichung den Anteil der Universität am Zustandekommen der Erfindung erkennen.