Smartphone neben schreibender Person
mauritius images/Stockbroker RF

Datenschutz im Internet
Soziale Medien verändern uns

Wie leichtfertig geben Internetnutzer ihre Daten preis und wie können sie sich schützen? Antworten von Medienpsychologin Sabine Trepte.

Von Friederike Invernizzi 01.12.2018

F&L: Kann man in Zeiten von Internet und Sozialen Medien generell von einem gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Privatheit sprechen?

Sabine Trepte: Ja, es ist tatsächlich ein Wandel feststellbar: institutionell, individuell und normativ. Institutionell sehen wir in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum neuer  Kommunikationsmedien, die wir vorher nicht hatten. Es begann mit StudiVZ und Facebook, es folgten die umfangreichen Kommentarfunktionen bei Youtube, dann weitere soziale Netzwerke wie Snapchat oder Instagram. Diese neuen "Orte" sind ziemlich herausfordernd im Hinblick auf Fragen zum Datenschutz. Für uns individuell Nutzenden beinhaltet der Wandel vor allem: Wir müssen neu lernen, was Privatheit bedeutet. Das Verstehen von Privatheit fliegt uns nicht mehr zu, es ist kein nur mehr intuitives Geschäft. Auch normativ verändert sich viel, wie man anhand der Datenschutzgrundverordnung sieht.

F&L: Wie besorgt sind die Deutschen eigentlich, was den Umgang mit den eigenen Daten angeht?

Sabine Trepte: Rund 50 Prozent der Deutschen sind besorgt oder sehr besorgt, was den Umgang mit den eigenen Daten angeht. Ganz besonders besorgt sind die Deutschen darüber, dass sie nicht wissen, was Unternehmen mit ihren Daten machen. Wir haben dazu eine umfassende, vom BMBF geförderte Längsschnittstudie "Privatheit im Wandel" durchgeführt, in der wir über vier Jahre Deutsche zu ihrem Umgang mit privaten Daten befragten. Die Sorgen bleiben gleich zwischen 2014 und 2017. Das ist auf der einen Seite erstaunlich, weil die Gesetzgebung uns immer besser unter die Arme greift, auf der anderen Seite aber auch nachvollziehbar, weil wir immer wieder dazu lernen müssen. Ständig ändert sich etwas. Menschen reagieren auf die kleineren oder größeren Änderungen und Anforderungen im Hinblick auf Privatheit, mit Sorge; Männer etwas mehr als Frauen und ältere Personen etwas mehr als Jüngere. Ein gesundes Ausmaß an Besorgnis ist nicht schlecht, denn es ist die kleine Schwester der Motivation: Wenn wir uns Gedanken über etwas machen, führt das in der Regel zu einer Änderungsbereitschaft und der Suche nach Informationen.

F&L: Forscherinnen und Forscher sind von Berufs wegen besonders präzise im Umgang mit Daten – zeigt sich das auch beim Datenschutz?

Sabine Trepte: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lesen in der Regel gern und viel. Sie sind hochgebildet. Ein ausgeprägtes Wissen über Online-Privatheit muss misstrauisch und vorsichtig machen, das liegt in der Natur der Sache, weil viel noch ungeklärt ist und die Nutzenden vielfach nicht fair aufgeklärt werden. Dementsprechend gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sicher zu den Umsichtigen. Ganz besonders spannend ist, dass das Wissen über institutionelle Praktiken  – also beispielsweise wie funktionieren Facebook, Google, Amazon und Apple – und besonders über Datenschutzrecht einen Einfluss darauf haben, ob ich eine Website benutze oder ob ich mich auch mal entscheide einen Dienst nicht zu nutzen. Je mehr wir über die Unternehmenspraktiken und Datenschutzrecht wissen, umso umsichtiger verhalten wir uns.

F&L: Hat sich nach Ihrer Beobachtung auch das "analoge" Leben in Deutschland durch den Umgang mit Daten verändert?

Sabine Trepte: Ja, das hat es. Ich möchte es an einem anschaulichen Beispiel erläutern: Seit fast 60 Jahren wird in Theorien der Sozialpsychologie postuliert, dass Selbstoffenbarung dazu führt, dass wir mehr soziale Unterstützung erhalten. Also, wenn ich berichte, wer ich bin, was mich bewegt, worüber ich nachdenke, kann ich damit rechnen, dass mir mehr Leute eine Schulter zum Anlehnen bieten oder mir mal 20 Euro leihen, wenn ich knapp bei Kasse bin. Aber: Dieser Zusammenhang zeigte sich empirisch für unsere normale Face-to-Face Kommunikation nie! Es war eine theoretische Behauptung, ein Wunsch, eine Vision der Forscherinnen und Forscher, dass Selbstoffenbarung zu mehr sozialer Unterstützung führt. Allerdings wurde dieser Zusammenhang in mehr als einem Dutzend Studien bezüglich Online-Kommunikation über Messenger nachgewiesen. Online muss ich ja etwas von mir zeigen, sonst bekommt keiner mit, dass ich überhaupt da bin. Offline ist diese Öffnung nicht zwingend eine Bedingung. In unserer Längsschnittstudie konnten wir beides über drei Messzeitpunkte replizieren. Und interessanterweise gibt es einen Transfereffekt: Wenn ich mich über den Messenger offenbare, dann führt das ein halbes Jahr später dazu, dass ich mehr soziale Unterstützung über den Messenger erhalte und mich ein halbes Jahr später auch face-to-face mehr offenbare. In anderen Worten: Soziale Medien verändern uns, sie sind ein wesentlicher Umwelt- und Kultureinfluss. Wie immer gibt es die ganze Bandbreite von Einwirkungen dieser Einflüsse auf unser analoges Leben, von sehr positiv  – ich denke an den Abbau von sozialer Ängstlichkeit, den Aufbau von Kontakten oder soziale Unterstützung – bis sehr negativ, was sich in Effekten wie Sucht, Mobbing oder Neid zeigen kann.