monticellllo/Fotolia

Buchrezensionen
Wissenschaft historisch betrachtet

Können wir aus der Geschichte lernen? Eine Vielzahl neuer Bücher zur Geschichte in der Wissenschaft ist erschienen. Eine kleine Auswahl.

Von Ina Lohaus 12.09.2021
Buchcover: Magnus Brechtken: Der Wert der Geschichte. Zehn Lektionen für die Gegenwart.
Siedler Verlag

Wir "können aus der Geschichte lernen", sagt Magnus Brechtken, der stellvertretende Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte und Professor an der LMU München. Er zeichnet anhand von historischen Beispielen Errungenschaften, Regeln und Werte nach, die Menschenbild, Politik und Gesellschaft im Laufe der Geschichte geprägt hätten. Erfahrung und Wissen, die sich aus dem Blick in die Geschichte ergäben, hebt er als wichtige Ressource zum Verständnis der Gegenwart und zur Gestaltung der Zukunft hervor.

Magnus Brechtken: Der Wert der Geschichte. Zehn Lektionen für die Gegenwart. Siedler Verlag 2020, 20,– Euro.

Buchcover: Patrick Wagner: Notgemeinschaften der Wissenschaft. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in drei politischen Systemen, 1920 bis 1973.
Franz Steiner Verlag

Einen historischen Bogen über fünf Jahrzehnte umfasst die Studie, die der Historiker Patrick Wagner, der Zeitgeschichte an der Universität Halle-Wittenberg lehrt, zur Geschichte der DFG verfasst hat. Von der Gründung ihrer Vorgängerorganisation 1920 bis hin zu den frühen 1970er Jahren der Bundesrepublik untersucht er die Entwicklung der Institution DFG sowie ihr Verhältnis sowohl zu den politischen Akteuren und Regimen als auch zu den von ihr Geförderten.

Patrick Wagner: Notgemeinschaften der Wissenschaft. Die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG) in drei politischen Systemen, 1920 bis 1973. Franz Steiner Verlag 2021, 68,– Euro.

Buchcover: David Cahan: Helmholtz. Ein Leben für die Wissenschaft.
Verlag wbg Theiss

Zum 200. Geburtstag des Universalgelehrten Hermann von Helmholtz hat David Cahan, der an der Universität von Nebraska-Lincoln in den USA lehrt, eine umfassende Biografie (992 Seiten) verfasst. Darin verknüpft er Leben und Werk des Forschers von Kindheit und Jugend an, über seinen Weg in die Wissenschaft, bis hin zum Wirken des Forschers auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft, unter anderem in der Medizin.

David Cahan: Helmholtz.
Ein Leben für die Wissenschaft. Verlag wbg Theiss 2021, 89,– Euro.

Buchcover: Ernst Peter Fischer / Detlev Ganten: Die Idee des Humanen. Rudolf Virchow und Hermann von Helmholtz. Das Erbe der Charité.
Hirzel Verlag

Der 200. Geburtstag von Hermann von Helmholtz und ebenso von Rudolf Virchow ist auch der Anlass für Ernst Peter Fischer, Wissenschaftshistoriker an der Universität Heidelberg, und Detlef Ganten, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Charité, die Verbindung von wissenschaftlichem Fortschritt und Humanität am Beispiel der beiden Forscher aufzuzeigen. An ihre Leistungen hätte auch die "Gesundheitsstadt" Berlin anknüpfen können, von deren medizinischer Tradition und ihrer gegenwärtigen Forschung für die globale Gesundheit die Autoren erzählen.

Ernst Peter Fischer / Detlev Ganten: Die Idee des Humanen. Rudolf Virchow und Hermann von Helmholtz. Das Erbe der Charité. Hirzel Verlag 2021, 26,– Euro.

Buchcover: Michael Hagner: Foucaults Pendel und wir. Anlässlich einer Installation von Gerhard Richter.
Buchhandlung Walther König

Mit einem Pendel im Pariser Panthéon war es dem Physiker Léon Foucault 1851 gelungen, die Erdrotation sichtbar zu machen. Es ist eines der berühmtesten Experimente in der Geschichte der Wissenschaften, dem Michael Hagner nachgeht. Der Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich stellt die Geschichte des Foucaultschen Pendels in seinen wissenschaftlichen, politischen, religiösen und ästhetischen Kontexten dar. Die Installation von Gerhard Richter "Zwei graue Doppelspiegel für ein Pendel" in der Dominikanerkirche in Müns­ter habe die Idee zu diesem Buch geliefert.

Michael Hagner: Foucaults Pendel und wir. Anlässlich
einer Installation von Gerhard Richter. Buchhandlung Walther König 2021, 38,– Euro.

Buchcover: Reinhard Buthmann: Versagtes Vertrauen. Wissenschaftler der DDR im Visier der Staatssicherheit.
Vandenhoeck & Ruprecht

Nach der verdeckten Arbeit von SED und Stasi in Wissenschaft, Technik und Forschung, insbesondere in den Fachdisziplinen Mikroelektronik, Raumforschung und Kerntechnik, fragt Reinhard Buthmann in seiner 1179 Seiten umfassenden Untersuchung. Wann, warum und wie griff das Ministerium für Staatssicherheit in Wissenschaftsdisziplinen ein und welche Folgen hatte das? Der Autor war von 1976 bis 1990 selbst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kosmosforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR und später Mitarbeiter in der Abteilung Bildung und Forschung des Stasi-Unterlagen-Archivs.

Reinhard Buthmann: Versagtes Vertrauen. Wissenschaftler der DDR im Visier der Staatssicherheit. Vandenhoeck & Ruprecht 2020, 175,– Euro.

Buchcover: Manfred Hettling / Wolfgang Schieder (Hg.): Reinhart Koselleck als Historiker. Zu den Bedingungen möglicher Geschichten.
Vandenhoeck & Ruprecht

Der 2006 verstorbene Historiker Reinhart Koselleck gehört zu den bedeutendsten Vertretern seines Fachgebiets im 20. Jahrhundert. In den 16 Beiträgen dieser Neuerscheinung beleuchten die Autoren sein wissenschaftliches Werk und die Vielfältigkeit sei­ner Forschungsinteressen, die weit über die Begriffsgeschichte und die Geschichtstheorie hinausgegangen und interdisziplinär geprägt gewesen seien.  

Manfred Hettling / Wolfgang Schieder (Hg.): Reinhart Koselleck als Historiker. Zu den Bedingungen möglicher Geschichten. Vandenhoeck & Ruprecht 2021, 65,– Euro.

Buchcover: Mischa Meier / Steffen Patzold: Gene und Geschichte. Was die Archäogenetik zur Geschichtsforschung beitragen kann.
Anton Hiersemann Verlag

Die Archäogenetik sei noch eine junge Wissenschaft, die mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden, zum Beispiel durch DNA-Analysen, Daten zur Geschichte gewinnen wolle. Die Autoren, beide Historiker an der Universität Tübingen, nehmen insbesondere die Gebiete Migration und Epidemien in den Blick, auf denen die Archäogenetik bereits zahlreiche Ergebnisse vorgelegt hat. Sie loten aus, welche historisch relevanten Fragen die Archäogenetik beantworten könne und wie eine Zusammenarbeit bei der historischen Forschung gelingen könne.

Mischa Meier / Steffen Patzold: Gene und Geschichte. Was die Archäogenetik zur Geschichtsforschung beitragen kann. Anton Hiersemann Verlag 2021, 28,– Euro.


Diese Zusammenstellung von Buchrezensionen ist zuerst in der September-Ausgabe von "Forschung & Lehre" erschienen.