Das Foto zeigt Zeitungen an einem Ständer in einem Café
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Medien
Berichterstattung in der "Flüchtlingskrise"

Haben die Medien über die Fluchtbewegung 2015/16 richtig und ausgewogen berichtet? Medienwissenschaftler sind dem auf den Grund gegangen.

11.01.2019

Weite Teile der deutschen Bevölkerung meinen, die Berichterstattung über die "Flüchtlingskrise" in den Massenmedien entspreche nicht den Tatsachen, weil sie zum Beispiel falsche Eindrücke von der Zahl und den soziodemografischen Merkmalen der Einwanderer vermittle. Auch sei sie nicht ausgewogen, weil sie Zuwanderer einseitig positiv darstelle und mögliche Gefahren, etwa Kriminalität, nicht thematisiere.  

Forscher des Instituts für Publizistik der Universität Mainz geben darüber nun in einer aktuellen Studie Aufschluss. Sie haben darin die Berichterstattung über die "Flüchtlingskrise" in den drei überregionalen Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und Bild sowie in den drei Hauptnachrichtensendungen ARD Tagesschau, ZDF heute und RTL Aktuell zwischen Mai 2015 und Januar 2016 analysiert. Sie verglichen die Berichterstattung von knapp 5.000 Medienbeiträgen mit statistischen Informationen über soziodemografische Merkmale und die Kriminalität von Zuwanderern.

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die untersuchten Medien die Faktenlage überwiegend korrekt dargestellt haben. So sei zum Beispiel in der Öffentlichkeit vor allem unterstellt worden, die Medien berichteten überproportional über Frauen und Kinder, während es sich bei den Zuwanderern tatsächlich bei Weitem überwiegend um Männer handele. Tatsächlich hätte die Asylstatistik gezeigt, dass es sich bei etwas mehr als der Hälfte der Zuwanderer um männliche Erwachsene handelte. Erwachsene Frauen machten etwas weniger als 20 Prozent der Zuwanderer aus, die restlichen 30 Prozent waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Entgegen den Eindrücken eines großen Teils der Bevölkerung entsprachen die Darstellungen in den untersuchten Medien diesen Verteilungen in Text und Bild fast exakt, schreiben die Forscher. Eine Ausnahme stelle allerdings die "ARD Tagesschau" dar, deren Berichterstattung tatsächlich überwiegend den Eindruck vermittelt habe, es handele sich bei den Zuwanderern vor allem um Frauen und Kinder.

Stärkere Abweichungen der Berichterstattung von der Faktenlage zeigten sich den Forschern zufolge bei der Kriminalität von Zuwanderern. Dabei legten die Analysen nahe, dass über die Kriminalität von Zuwanderern vor den Vorfällen in der Silvesternacht 2015/16 eher unter-, danach aber eher überproportional berichtet worden sei. Darüber hinaus hätten sich die untersuchten Medien in ihrer Berichterstattung bereits vor den Vorfällen in der Silvesternacht 2015/16 überproportional auf Gewalt- und Sexualdelikte konzentriert.

Zugleich zeige sich, dass die Berichterstattung der untersuchten Medien in der "Flüchtlingskrise" überwiegend nicht ausgewogen, sondern meist einseitig gewesen sei. Diese Einseitigkeiten fielen der Studie zufolge jedoch nicht durchweg zugunsten der Zuwanderer aus. So sei die Berichterstattung über die Zuwanderer selbst vor allem bis zum Herbst 2015 und vor allem in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern konsonant und einseitig positiv gewesen. Zugleich sei die Zuwanderung als abstrakter Sachverhalt aber in denselben Medien ebenso konsonant und einseitig als Gefahr für Deutschland dargestellt worden.

mue