Mann sitzt auf einem Steg und schaut aufs Wasser.
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Psychologie
Durchbruch bei Erforschung von Depressionen

Die Diagnose der Gründe für eine Depression ist komplex. Eine großangelegte Studie hat genetische Ursachen für die Erkrankung identifiziert.

29.04.2018

Depressionen gehören mittlerweile zu den häufigsten Volkskrankheiten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind weltweit 320 Millionen Menschen betroffen, allein in Deutschland sind es über vier Millionen. Jeder zehnte ist laut Studienergebnissen mindestens einmal in seinem Leben von einer Erkrankung betroffen.

In einer großangelegten Studie hat ein internationales Forscher-Team jetzt 30 genetische Variationen entdeckt, die mit schwerer Depression in Zusammenhang stehen. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler 14 weitere Gene bestätigen, die in früheren Studien bereits als Ursache für die psychische Störung identifiziert worden waren.

"Diese Studie ist der lang erhoffte Durchbruch auf dem Gebiet der Erforschung der genetischen Ursachen von Depressionen", sagt Marcella Rietschel, wissenschaftliche Direktorin der Abteilung Genetische Epidemiologie in der beteiligten Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) Mannheim. "Dies war nur möglich, weil Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt zusammengearbeitet haben."

Insgesamt haben sich für die Studie 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 161 Institutionen im Psychiatric Genomics Consortium (PGC) zusammengeschlossen. Ausgewertet wurden die genetischen Daten von insgesamt 135.000 Erkrankten und mehr als 344.000 Kontrollpersonen.

Depressionen: Alle Menschen tragen ein genetisches Risiko

Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie ist, dass sich schwere Depressionen genetisch nicht prinzipiell von weniger schweren Depressionen und Depressivität, also einer Verstimmtheit, wie sie viele Menschen im Laufe ihres Lebens erleben, unterscheiden. "Die Ergebnisse zeigen, dass wir alle Träger von mehr oder weniger Risikovarianten sind und es darauf ankommt, die Umweltbedingungen so zu gestalten, dass diese nicht zur Krankheit führen", so Rietschel.

Ein Zusammenhang zwischen den identifizierten Genen und einer Erkrankung an Depression sei offenkundig, so die Forscher – obwohl die Erkrankung komplex sei: "Viele Prozesse im Gehirn sind an der Depression beteiligt, die Beiträge einzelner Gene sind deshalb gering", sagt Dr. Andreas Forstner, der zusammen mit Professor Nöthen die an der Studie beteiligte Bonner Arbeitsgruppe leitet. Mit der großen Menge an untersuchten Personen habe man sichergestellt, die Regionen eindeutig festzustellen.

"Die Identifikation der genetischen Faktoren stößt die Türen zu den biologischen Ursachen auf", sagt Dr. Naomi Wray von der University of Queensland in Australien, die zusammen mit Dr. Patrick F. Sullivan, Direktor des Zentrums für Psychiatrische Genomik an der University of North Carolina School of Medicine (USA), die Studie leitete. "Mit weiterer Forschung sollte es möglich werden, neue Therapien zur Behandlung der schweren Depression zu entwickeln."

Folgestudien: Forscher rufen Bürger zur Mithilfe auf

Deutlich wurde etwa auch, dass sich die genetische Basis von Depressionen mit derer anderer psychischer Erkrankungen, wie Bipolare Störung und Schizophrenie, überschneidet. Darüber hinaus gibt es Übereinstimmungen mit der genetischen Basis für starkes Übergewicht sowie Tagesmüdigkeit und Schlaflosigkeit. "Die Befunde bieten die Grundlage für eine Vielzahl von Folgeuntersuchungen der verschiedensten Fachrichtungen", sagt ZI-Forscherin Rietschel.

"Ich hoffe, diese Arbeit überzeugt sowohl Betroffene als auch ihre Therapeuten davon, dass die Genomanalyse wirklich erfolgversprechend ist, um den Krankheitsursachen endlich näher zu kommen", sagt sie. "Wenn alleine in Deutschland jeder zehnte Betroffene mitwirken würde, kämen innerhalb eines halben Jahres mehr Daten zusammen als das weltweite Konsortium in zehn Jahren zusammengetragen hat."

Insgesamt haben sich für die Studie 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 161 Institutionen  Psychiatric Genomics Consortium (PGC) zusammengeschlossen.

kas