Illustration eines neuen Aggregatzustandes
TU Wien

Physik
Forscher erzeugen neuen Aggregatzustand

Ein internationales Forscherteam hat eine Entdeckung gemacht, die unser Verständnis von Aggregatzuständen auf den Kopf stellt.

05.03.2018

Fest, flüssig und gasförmig – dies sind die uns geläufigen Aggregatzustände. Ein Forscherteam aus Wien und den USA sagt: da gibt es noch etwas anderes. Die beteiligten Wissenschaftler haben einen Zustand herbeigeführt, bei dem ein Elektron den Kern eines Atoms in großer Entfernung umkreist, während innerhalb dieser Bahn viele weitere Atome gebunden werden. Das Ergebnis sei ein "schwacher gebundener Zustand der Materie", schreiben die Forscher.

Neuer Aggregatzustand bei extrem kalten Temperaturen

Bei ihrer Forschung kombinierten die Wissenschaftler zwei Aspekte aus der Atomphysik: "Bose-Einstein-Kondensate" und "Rydberg-Atome". Ein Bose-Einstein-Kondensat ist ein Materiezustand, den bestimmte Atome bei ultrakalten Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt annehmen können. Dieser liegt bei minus 273,15 Grad Celsius. Als Rydberg-Atome bezeichnet man Atome, bei denen sich ein einzelnes Elektron in einem energiereichen, hoch angeregten Zustand befindet und sehr weit vom Atomkern entfernt seine Bahn zieht.

Normalerweise befindet sich nichts zwischen einem Atomkern und dem Elektron, das ihn umkreist. Die erforschte schwache Verbindung gehen Atome ein, wenn die Entfernung zwischen Atomkern und Elektron ausreichend groß und die Umgebungstemperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt sind. Die Wissenschaftler sprechen von "Rydberg Polaronen".

Die Wissenschaftler hoffen auf eine künftige Anwendung ihrer Forschung. Bislang könne sich dies jedoch noch niemand von ihnen vorstellen, sagt Professor Dr. Joachim Burgdörfer von der TU Wien. Es handele sich im Moment um reine Grundlagenforschung, bei der das Forscherteam herausfinden will, wie sich die Natur verhält, wenn  viele kalte Atome auf engem Raum  zusammengeführt werden. Ihr Ergebnis hätten sie nicht absehen können.

Getrieben war die Forschung von der Neugierde zu erfahren, was im Inneren eines  Rydberg-Atoms, einem riesigen Atom mit dem tausendfachen Durchmesser eines normalen Atoms, passiert und wie dieser Raum gefüllt werden könne. Denkbar sei eine Anwendung ihrer Erkenntnisse schon jetzt innerhalb der Grundlagenforschung selbst. "Mithilfe von Rydberg Polaronen kann möglicherweise die Dichte kalter Gase punktgenau vermessen werden", sagt Joachim Burgdörfer.

Die theoretischen Arbeiten liefen an der TU Wien und der Harvard Universität, die Experimente wurden an der Rice Universität in Houston, Texas, durchgeführt. Rund zwei Jahre hätten sie daran gearbeitet, "Bose-Einstein-Kondensate" und "Rydberg-Atome" zusammenzubringen. Dem gingen weitere Jahre der Analyse von Rydberg-Atomen an verschiedenen weltweiten Forschungseinrichtungen voraus.

In einem weiteren Schritt wollen die Forscher herausfinden, ob auch "fermionische" Atome, die nicht kondensieren und normalerweise voneinander Abstand halten, durch die "Rydberg Polaronen" verbunden werden können.


Forscher der US-amerikanischen Rice Universität erklären ihre Forschung an "Rydberg Polaronen"


Ausgangspunkt der Forschung ist das Teilchenmodell

Das Experiment der Forscher beruht auf dem Grundsatz, dass alle Stoffe aus Teilchen bestehen, die sich in ständiger Bewegung befinden und zwischen denen anziehende und abstoßende Kräfte existieren. Die Bewegung der Teilchen hängt von der Temperatur eines Stoffes ab. Im Gas bewegen sich die Teilchen geradlinig, bis sie mit einem anderen oder mit der Gefäßwand zusammenstoßen. In der Flüssigkeit müssen sich die Teilchen durch Lücken zwischen ihren Nachbarn hindurchzwängen. Im Festkörper bewegen sich die Teilchen nur wenig um ihre Ruhelage.

kas

aktualisiert am 07.03.2018.