Logo des Messengerdienstes Telegram auf einem Smartphone
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Medienregulierung
Forscher finden illegale Aktivitäten bei Telegram

Forscher haben untersucht, ob der Messengerdienst Telegram ein Fall für die Medienaufsicht ist. Sie fanden etliche rechtswidrige Fälle.

05.11.2020

Wissenschaftler haben bei der Untersuchung des Messengerdienstes Telegram reihenweise Rechtsverstöße entdeckt. Telegram werde für zahlreiche illegale Aktivitäten genutzt, stellten die Kommunikationswissenschaftler Dr. Jakob Jünger und Chantal Gärtner von der Universität Greifswald fest. Sie hatten im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) 913 Telegram-Gruppen und Kanäle unter die Lupe genommen. Insgesamt hätten sie 6.100 Angebote und darin 360.000 Mitteilungen untersucht.

Die meisten illegalen Inhalte seien in den Bereichen Rechtsextremismus, Pornografie, Drogen- und Dokumentenhandel entdeckt worden. In zwei Kanälen seien Waffen zum Kauf angeboten worden. Man sei auch auf ein Netzwerk von Drogenlieferdiensten in deutschen Städten gestoßen. Potenziell rechtswidrige Inhalte werde man nun den Strafverfolgern übergeben, teilten die Forschenden am Donnerstag bei der Veröffentlichung der Studie mit.

Der Studie zufolge sind im extremistischen Bereich besonders Kanäle mit Bezügen zu verbotenen Organisationen und Kennzeichen auffällig. Telegram habe sich zu einem "Hafen der Verbannten" entwickelt, seit Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter stärker regulatorisch aktiv seien. So hatte Schlagersänger Michael Wendler mit seinem Telegram-Kanal für Aufsehen gesorgt. Vor wenigen Tagen hatte Satiriker Jan Böhmermann Telegram erneut ins Gespräch gebracht, indem er dort einen Kanal eröffnete.

Der Messengerdienst wird von den Gründern des russischen sozialen Netzwerks Vk.com als Non-Profit-Unternehmen betrieben und entzieht sich weitgehend dem Zugriff von Strafverfolgungsbehörden und anderen staatlichen Stellen. Das macht den Dienst für Oppositionsgruppen, Menschenrechtler, Whistleblower und Journalisten interessant, die damit die Zensur in autoritären Staaten umgehen können. Andererseits kann dort ungehindert Hetze gegen Bevölkerungsgruppen verbreitet werden.

Meinungsfreiheit erhalten

Aus Terrorprozessen ist zudem bekannt, dass IS-Anhänger aus Deutschland mit hochrangigen IS-Terroristen in Syrien oder Afghanistan via Telegram kommuniziert haben. Telegram lösche inzwischen allerdings salafistische und dschihadistische Angebote, berichteten die Forschenden. Viele Inhalte seien untereinander vernetzt, so dass man leicht über desinformierende und verschwörungstheoretische in extremistische Kontexte gerate.

Nur geschätzt knapp zehn Prozent der Deutschen nutzen den Messengerdienst mit unklarem Firmensitz. Weltweit hat Telegram nach eigenen Angaben monatlich 400 Millionen Nutzer. Die Medienregulierung stehe vor der Herausforderung, gleichzeitig die Meinungsfreiheit und vor Diskriminierung zu schützen, sagte Jünger.

"Wir kommen an der Erkenntnis nicht vorbei, dass sich die Organisationsform von Telegram der Rechtsdurchsetzung strukturell entzieht und dass das systematisch missbraucht wird", bilanzierte LfM-Direktor Tobias Schmid in Düsseldorf. Freiheit im Netz könne aber nur funktionieren, wenn Regeln eingehalten werden. "Wir jedenfalls werden unsere Aufsichtstätigkeit entsprechend erweitern und es wäre sicher eine gute Idee, wenn der Gesetzgeber seinen Fokus gleichfalls ausweitet."

Vergangene Woche hatten Ermittler aus Deutschland und Österreich Medienberichten zufolge mehrere kriminelle Telegram-Chats mit rund 8.000 Mitgliedern wegen Drogen- und Waffenhandel geschlossen. Gegen die Administratoren und in den Gruppen aktive Händler sei seit Juni ermittelt worden. Der Handel über den Chatdienst sei laut Ermittlern eine einfacherere und schnellere Alternative zum Darknet. Telegram kooperiere zudem weniger mit den Behörden als andere Anbieter.

dpa/ckr