Ein Mann und eine Frau am Laptop
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Wissenschaftspraxis
Geheimes Forschen oder offener Austausch?

Forscher haben untersucht, inwieweit Wissenschaftler ihre Erkenntnisse vor deren Veröffentlichung bekanntmachen. Dies unterscheidet sich je nach Fach.

22.05.2018

Insgesamt sprechen rund 67 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre Forschung, bevor sie diese veröffentlicht haben. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Fachbereichen. Das ergab eine kürzlich im peer-reviewed Journal "Science Advances" veröffentlichte Studie. Während Sozialwissenschaftler teils bereits ihr Forschungskonzept mit der Öffentlichkeit oder anderen Forschern teilen, geben Ingenieure und Informatiker meist gar keine Informationen preis. Mediziner sprechen über ihre Studien, sobald sie sicher sind, dass ihre Erkenntnisse stichhaltig sind.

In 70 Prozent der untersuchten Fälle konnten die Unterschiede unter anderem damit erklärt werden, dass sich Wissenschaftler an die Normen in ihrem Fachbereich halten. Darunter verstehen die Forscher, für wie offen die Befragten die Weitergabe von Informationen in ihrer Disziplin einschätzten, ob sie erwarten, wertvolles Feedback zu ihrer Studie zu erhalten und mit Anerkennung rechnen können – zum Beispiel in Form von Zitationen ihres Beitrags.

Kommerzielle Interessen halten Forscher von frühzeitiger Bekanntgabe ihrer Erkenntnisse ab

Auch entscheidet darüber, ob ein Forscher seine Erkenntnisse teilt, von welchem kommerziellen Interesse diese sind. Ließen sich Ergebnisse also beispielsweise patentieren, haben die Wissenschaftler diese zunächst geheim gehalten. Dasselbe gilt laut Analyse für Studien über Themen, in denen der Wettbewerb groß ist, also Forscher etwa stark miteinander und um Forschungsgelder konkurrieren müssen.

In den Sozialwissenschaften und der Mathematik scheint der Druck durch eine Kommerzialisierung der Forschung sowie durch Wettbewerb vergleichsweise gering. Dagegen sind Ingenieure häufig schweigsam, weil sie ihre Ergebnisse vermarkten wollen oder müssen. Der Wettbewerb ist laut Studie vor allem in der Medizin groß.

Bekannt machen Wissenschaftler ihre Forschung in einem frühen Forschungsstatus vor allem, um Feedback zu bekommen. Auch streben sie nach Anerkennung für die eigene Leistung, wollen Forschungspartner gewinnen, sowie andere auf ein Thema aufmerksam machen, um in künftigen Studien auf deren Erkenntnisse zurückgreifen zu können. Eine Besonderheit liege in "formellastigen Disziplinen". Darunter fassen die Forscher Informatik, Ingenieurwissenschaften, Physik und Mathematik. In diesen Fächern werden Ergebnisse laut Studie veröffentlicht, um Kolleginnen und Kollegen zwar auf das eigene Fachgebiet aufmerksam zu machen, sie aber gleichzeitig von der Analyse ihrer spezifischen Problemstellung abzuhalten.

Für die Studie "Prepublication disclosure of scientific results" wurden 7.103 Forscherinnen und Forscher aus neun Disziplinen befragt: Agrarwissenschaft, Biologie, Informatik, Ingenieurwissenschaft, Mathematik, Medizin, Physik und Sozialwissenschaft – wobei Medizin in klinische Medizin und medizinische Grundlagenforschung unterteilt wurde. Beteiligt war ein internationales Forscherteam aus Professorin Dr. Carolin Häussler (Universität Passau), Professor Dr. Jerry G. Thursby (Institute for Quantitative Social Science/ Harvard University und TyGeron Institute), Professorin Dr. Marie C. Thursby (Institute for Quantitative Social Science, Harvard University; National Bureau of Economic Research; Vanderbilt University und Georgia Institute of Technology) und Dr. Lin Jiang (University of Missouri und University of South Florida).

kas