DNA-Stränge mit farbig markierten Basenpaaren vor einem skizzierten Embryo
mauritius images / Science Source / Carol and Mike Werner

Crispr/Cas
Genveränderung zum HIV-Schutz erhöht Sterberisiko

Der Forscher He Jiankui änderte das Erbgut zweier Babys, um sie gegen Aids zu schützen. Die umstrittene Genveränderung hat gesundheitliche Folgen.

03.06.2019

Eine genetische Veränderung, die unempfindlich gegen den Aids-Erreger HIV macht, erhöht das Risiko durch andere Krankheiten zu sterben. Menschen mit der Genveränderung haben eine um 21 Prozent verminderte Chance, das Alter von 76 Jahren zu erreichen, wie US-Forscher im Fachjournal "Nature Medicine" berichten. Bekanntheit erlangte diese Mutation 2018, als der chinesische Biotechnologe He Jiankui verkündete, er habe das Erbgut zweier neugeborener Mädchen entsprechend verändert.

Der Aids-Erreger HIV greift Zellen des Immunsystems über ein Zellprotein an, das vom Gen CCR5 codiert wird. He gab an, den genetischen Code für CCR5 mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas9 aus dem Erbgut der Zwillingsschwestern Nana und Lulu entfernt zu haben, um sie gegen Aids zu schützen. Die Verkündigung löste eine weltweite Welle des Protestes aus. He verteidigte sein Vorgehen und behauptete, dass etwa 100 Millionen Menschen, die aufgrund des fehlenden Gens kein CCR5-Protein bilden, gesund seien.

Gen-Datenbank offenbart gesundheitliche Nachteile

Ob die Mutation nicht doch Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat, untersuchten Xinzhu Wei und Rasmus Nielsen von der University of California in Berkeley mittels der britischen Gen-Datenbank "UK Biobank". Darin ist von mehr als 400.000 Menschen im Alter von 40 bis 78 Jahren verzeichnet, welche Genvarianten von CCR5 sie tragen: Zweimal die Mutation Delta 32 (kein Gen für CCR5), einmal die Mutation Delta 32 und ein intaktes CCR5-Gen oder zweimal das intakte CCR5-Gen.

Durch zwei voneinander unabhängige statistische Analysen gelangten die Forscher zu dem Ergebnis: Menschen ohne CCR5-Gen haben eine um 21 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, 76 Jahre alt zu werden, als solche, die ein oder zwei intakte Gene geerbt hatten.

Das CCR5-Protein ist zwar das wichtigste Einfallstor für den Aids-Erreger, aber nicht das einzige. Die Delta-32-Mutation bieten wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge zwar möglicherweise auch Schutz gegen Krankheitserreger wie Pocken und einige andere Viren, die Sterblichkeitsrate bei einer Grippe-Infektion sei einer früheren Studie zufolge jedoch um das Vierfache erhöht.

CCR5 sei ein "funktionelles Protein, von dem wir wissen, dass es im Organismus eine Wirkung hat", wird Nielsen in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Das Protein sei in fast allen Menschen und den meisten Tieren zu finden. "Daher ist es wahrscheinlich, dass eine Mutation, die das Protein zerstört, im Durchschnitt nicht gut für sie ist."

Keimbahneingriffe noch zu gefährlich

Wei und Nielsen distanzieren sich von Hes Forschung: "Ich denke, es gibt eine Menge Dinge, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt über die Funktionen der Gene unbekannt sind", sagt Wei. "Die Crispr-Technologie ist viel zu gefährlich, um sie derzeit für die Keimbahnbearbeitung zu verwenden."

He wurde mittlerweile von seiner Universität im südchinesischen Shenzhen entlassen, weitere Forschung wurde ihm untersagt. Zudem hatten 122 chinesische Wissenschaftler Hes Experiment in einem offenen Brief verurteilt.

dpa/ckr