Forschungskooperationen mit Unternehmen
"Keine Schein-Transparenz"
Forschung & Lehre: Herr Dr. Nising, wie ist das Transparenz-Register von Bayer entstanden?
Carl Friedrich Nising: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist dem Wissenschaftsbarometer von Wissenschaft im Dialog zufolge recht hoch (61 Prozent). Bei der Frage, warum ein Misstrauen gegenüber der Wissenschaft existiert, ist das Thema Abhängigkeit vom Geldgeber das wichtigste (48 Prozent). Dem wollten wir uns insofern annehmen, als dass wir nicht nur Position beziehen, sondern konkret auch etwas umsetzen und hier einen Beitrag leisten.
F&L: Ursprünglich hatten Sie geplant, das Transparenz-Register gemeinsam mit anderen DAX-Konzernen in die Öffentlichkeit zu bringen. Warum hat das nicht funktioniert?
Carl Friedrich Nising: Das ist richtig. Wir waren und sind im Austausch mit verschiedenen DAX-Konzernen und werden das im kommenden Jahr auch weiter verstetigen. Allerdings hat jedes Unternehmen andere Beweggründe und vielleicht auch andere Prioritäten. Es gab und gibt ein großes Interesse an dem Thema und ich bin guter Dinge, dass auch andere diesem Beispiel folgen werden. Unsere Vision ist der Aufbau eines bundesweiten Transparenz-Registers – gemeinsam mit Hochschulen, der Industrie und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren. Wir stehen als Ansprechpartner bereit und teilen gerne unsere Erfahrungen.
F&L: Durch die Übernahme der Firma Monsanto hat die Bayer AG einen erheblichen Vertrauensverlust erlitten. Ist das Register eine Antwort auf den damit verbundenen Druck?
Carl Friedrich Nising: In der Tat haben wir in der Firma Bayer eine sehr hohe Aufmerksamkeit für dieses Thema. Dementsprechend leicht fiel es uns, auch intern unsere Stakeholder von dem Transparenz-Register zu überzeugen. Wir wollen die Situation in eine Chance umwandeln und vorangehen. Es wäre aber zu kurz gegriffen, das Projekt nur auf die Bayer-Reputation oder auf das Thema Monsanto zu beziehen. Wir schauen auch in die Zukunft, wenn es um das gesellschaftliche Vertrauen in neue Technologien geht, wie zum Beispiel die mRNA-Impfstoffe.
F&L: Welche finanzielle Bedeutung haben Kooperationen mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für Bayer?
Carl Friedrich Nising: Das Budget für Forschung und Entwicklung (F&E) von Bayer beträgt jährlich allein in Deutschland über zwei Milliarden Euro. Rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im F&E-Bereich an 20 deutschen Standorten. Einen signifikanten Anteil dieser zwei Milliarden Euro investiert Bayer in Kollaborationen. Konkrete Zahlen zu nennen ist für uns nicht ganz einfach, weil die Landschaft an Partnerschaften extrem heterogen ist. Gerade in Deutschland haben wir eine sehr hohe Zahl an Kollaborationen mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
F&L: Wie hat sich dieser Anteil in den vergangenen Jahren entwickelt?
Carl Friedrich Nising: Die Forschungslandschaft entwickelt sich in ihrer Breite und Vielfalt rasant weiter, daher setzen wir verstärkt auf Partnerschaften und Kollaborationen. Das gilt aber auch generell für die Industrie. Man kann nicht immer alles selbst machen und es geht uns darum, auch die besten Ideen und Konzepte von außen aufzunehmen. Partnerschaften und Kollaborationen sind für alle Beteiligten im Wissenschaftsbetrieb essenziell und dadurch hat das Thema auch bei Bayer einen immer höheren Stellenwert erhalten.
F&L: Umso wichtiger ist es, mögliche Abhängigkeiten deutlich zu machen. Allerdings wurde kritisiert, dass die Angaben in Ihrem Transparenz-Register teilweise zu ungenau seien.
Carl Friedrich Nising: Wir freuen uns über die konstruktive Kritik. Das ist genau das, was wir erreichen wollten, nämlich in den Dialog einzutreten. Anfang kommenden Jahres werden wir externe Anregungen umsetzen, indem wir beispielsweise die Kategorie der Forschungsthemen erweitern.
"Das Transparenz-Register stellt ein Grundmaß an Transparenz her, aber natürlich nicht totale Transparenz."
F&L: Kann das Argument des "Schutzes geistigen Eigentums" beziehungsweise "Schutzes von Geschäftsgeheimnissen" einem solchen Transparenz-Register nicht schnell, zu schnell, enge Grenzen setzen?
Carl Friedrich Nising: Der Schutz geistigen Eigentums und die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sollten kein Alibi oder Vorwand sein, jegliche Transparenz zu vermeiden. Wir haben jedoch gewisse Limitationen, zum Beispiel der Datenschutz bei einzelnen Personen. Wir sind von der Zustimmung des Partners abhängig. Das Transparenz-Register stellt ein Grundmaß an Transparenz her, aber natürlich nicht totale Transparenz.
F&L: Was bedeutet "Grundmaß"?
Carl Friedrich Nising: Wir haben in der Entstehungsphase Meinungen eingeholt. Welche Informationen sucht jemand in unserem Transparenz-Register? Ist es eher die Frage, ob Bayer ein großes Maß an finanziellen Zuwendungen an eine Institution richtet und ob sich daraus möglicherweise Interessenkonflikte und Abhängigkeiten ergeben? Oder geht es darum, im Detail zu verstehen, um welche Projekte es sich handelt? Momentan hat dieses Register nicht den Anspruch, einen vollumfänglichen Einblick in detaillierte Forschungsprojekte zu geben. Es geht vielmehr um einen Einblick darin, mit wem Bayer zusammenarbeitet und um welche finanzielle Dimension es sich handelt.
F&L: Wäre es nicht möglich, weitergehende Informationen nach einer entsprechenden Sperrfrist offenzulegen?
Carl Friedrich Nising: Das ist nochmals ein anderer Aspekt: Wie wird eigentlich nach Beendigung des Projekts über das Projekt berichtet? Denkbar wäre, diesen Ansatz in einer weiteren Ausbaustufe nachzubessern.
F&L: Zugesagt wurde von Bayer Transparenz "auch von Studien, deren Ergebnisse uns nicht gefallen" (SZ 16.9.21).
Carl Friedrich Nising: Konkret gemeint ist hier, dass wir auch Ergebnisse veröffentlichen, die nicht den ursprünglichen Erwartungen entsprechen.
F&L: Wenn es um die einzelnen Forschungskooperationen zwischen Bayer und den Hochschulen geht: Gelten da ohne Ausnahme wissenschaftliche Standards, zum Beispiel der, dass die Wissenschaft die Forschungsfrage und das Forschungsdesign bestimmt?
Carl Friedrich Nising: Forschungskooperationen werden immer auf Augenhöhe geschlossen. Wir nehmen keinen Einfluss auf Entscheidungsfindungen oder auf das Forschungsdesign an der Universität. Es werden entsprechende Verträge aufgesetzt, in den Verträgen wird eine Zielsetzung definiert und es werden Budgets diskutiert, aber wie die Forschung letztendlich durchgeführt wird, das ist Sache der Hochschule. Und wenn es um das Thema Publikationen geht: Natürlich erhalten wir die Publikation vorab zur Durchsicht. Aber wir nehmen keine Ergebnisse heraus oder ändern sie ab. Schließlich geht es bei solchen Kollaborationen auch um die Frage, ob im Vorfeld zum Beispiel Patente eingereicht werden sollen. Dann wird gemeinsam über den Zeitpunkt der Publikation nachgedacht beziehungsweise die Publikation erfolgt nach der Patentanmeldung. Das gehört zum Standard jeder Kollaboration.
F&L: Wer steht als Erfinder auf dem Patent?
Carl Friedrich Nising: Das ist nicht Gegenstand des Kollaborationsvertrages, sondern eine Frage des Patentrechts. Erfinder kann nur sein, wer einen erfinderischen Beitrag geleistet hat. Die kommerzielle Verwertung des geistigen Eigentums ist dann Sache der Vertragsparteien.
"Die Kritik an den Industriepromotionen war nicht unberechtigt."
F&L: Die sogenannten Industriepromotion ist in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten. Wissenschaftliche Standards wurden von Unternehmen nicht immer und überall respektiert. Wie hält es da Bayer?
Carl Friedrich Nising: Die Kritik an den sogenannten Industriepromotionen war nicht unberechtigt. Für Bayer ist klar, dass das Thema der Promotion von der Universität gestellt wird und nicht von Bayer. Interessenten, die ein Thema aus der Universität mitbringen, können sich bei Bayer bewerben. Sowohl die Festlegung des Themas als auch nachher die Begutachtung erfolgen auf Seiten der Universität. Wenn wir Industriepromotionen durchführen, werden diese auch publiziert, das heißt, wir verhindern nicht im Rahmen von Geheimhaltungen Publikationen. Wenn das Thema für uns so wichtig ist, dass wir es nicht veröffentlichen wollen oder können – wenn es also sehr hohe Geheimhaltungsanforderungen gibt –, dann führt das dazu, dass eine solche Promotion nicht durchgeführt werden kann.
F&L: Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft schließt auch Stiftungsprofessuren ein. Einem Pressebericht zufolge nimmt Bayer Abstand von neuen Stiftungslehrstühlen, "das führe nur zu neuen Diskussionen". Warum finanziert Bayer in Zukunft keine Stiftungslehrstühle mehr?
Carl Friedrich Nising: Uns, der Bayer AG, ist bewusst, dass das Thema Stiftungsprofessuren sehr kontrovers und kritisch diskutiert wird, da es bei Stiftungsprofessuren immer wieder Kritik an möglicher Einflussnahme gegeben hat. Alle Beteiligten, Wissenschaft und Wirtschaft, tun gut daran, die Kritik ernst zu nehmen, weil diese Themen dazu geeignet sind, das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre zu unterminieren. In der Vergangenheit hat Bayer die Einrichtung mehrerer Stiftungslehrstühle unterstützt, mittlerweise hat sich die Anzahl aber deutlich reduziert. Aktuell unterstützt Bayer einen Stiftungslehrstuhl an der Charité Berlin, dies ist über die Website des Stifterverbandes veröffentlicht.
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