Häufchen aus bunten Mikroplastik-Partikeln vor weißem Hintergrund
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Mikroplastik-Forschung
Kleine Partikel mit großen Folgen

Es ist sehr klein, allgegenwärtig und eine wachsende Gefahr für die Umwelt: Mikroplastik. Seine Erforschung ist noch ein relativ junges Fachgebiet.

Von Andrea Löbbecke 12.10.2021

An Stränden, Flussufern oder Straßenrändern liegt oft Plastikmüll herum. Weniger gut sichtbar, aber genauso allgegenwärtig und folgenschwer ist Mikroplastik. Es entsteht, wenn Kunststoffe in immer kleinere Partikel zerfallen. Da Mikroplastik nur schwer oder gar nicht biologisch abbaubar ist, bedeutet es ein wachsendes Umweltproblem, wie die Professorin Jutta Kerpen warnt. Die Umwelttechnikerin forscht und lehrt an der Hochschule RheinMain in Rüsselsheim.

"Etwa über das Oberflächenwasser nehmen Tiere die Partikel auf, die Stoffe können sich im Körper anreichern", erklärt die Expertin für Abwasserreinigung. In ihrem Labor beschäftigt sich Kerpens Arbeitsgruppe mit den Fragen, wo und in welcher Menge Mikroplastik vorkommt und aus welchen Kunststoffen es besteht. Per Definition spricht die Wissenschaft bei einem Durchmesser der Partikel bis fünf Millimetern von Mikroplastik.

Zu den wichtigsten Arbeitsplätzen im Labor zählt die "Cleanbench", an der mit Hilfe von Filtern und einem speziellen Überdruck-Verfahren Mikroplastik aus der Luft herausgehalten wird, um die Messergebnisse nicht zu verfälschen. Denn die winzigen Partikel sind allgegenwärtig – in der Luft, auf Oberflächen oder in Flüssen und Meeren, erklärt Kerpen. "Und an der Zusammensetzung der Mikroplastikpartikel lässt sich gut ablesen, welche Kunststoffe in unserem Alltag eine Rolle spielen."

Dazu zählen etwa Polypropylen, das in Plastikbechern und Verpackungen vorkommt, Polyethylen aus Folien und Kanistern, oder PET (Polyethylenterephthalat)-Flaschen. Viel Mikroplastik stammt auch aus unserer Kleidung – etwa Polyamid aus Fleecepullis.

Plastik reichert sich in der Umwelt an

"Das größte Gefahrenpotenzial von Mikroplastik ist die Anreicherung in der Umwelt", sagt Kerpen. Erst seit rund zehn Jahren werden die kleinen Kunststoffe erforscht, zu der Frage nach den ganz konkreten Gefahren steht die Wissenschaft noch relativ am Anfang. "Studien haben aber beispielsweise gezeigt, dass Chemikalien wie etwa Weichmacher über die Partikel in den Organismus gelangen", sagt der Umwelttechniker Felix Weber aus der Rüsselsheimer Arbeitsgruppe. "Je kleiner die Partikel sind, umso eher können sie in Zellen eindringen und dort Stress auslösen."

Viele Menschen wollen zwar im Alltag Plastik reduzieren – oft seien jedoch die genauen Inhaltsstoffe beispielsweise von Cremes schwer zu erkennen, sagt Kerpen. Die Expertin fordert daher, dass der Gesetzgeber mehr dafür tun sollte, dass weniger Plastik in die Umwelt gelangt. Als Beispiel nennt sie die riesigen Folienabdeckungen in der Landwirtschaft. "Auch flüssiger Kunststoff wie etwa in Duschgels sollte verboten werden", sagt Kerpen.

Die Professorin und ihre Mitarbeiter filtern Mikroplastik über spezielle Verfahren aus Proben heraus und machen die Partikel sichtbar. Auf einem Bildschirm, der mit einem Mikroskop verbunden ist, sind sie als bunte Bruchstücke erkennbar. Mit ihren Messmethoden können die Forscher bestimmen, um welchen Kunststoff es sich bei einem Partikel konkret handelt.

Kläranlagen können Mikroplastik aus Abwasser filtern

Allerdings werden sie nicht in jeder Probe fündig, wie Kerpen berichtet. Im Rüsselsheimer Trinkwasser beispielsweise entdeckten die Forscher kein Mikroplastik. "Das liegt daran, dass das Wasser bei seinem Weg durch die Bodenschichten gefiltert wird", erklärt die Expertin. Auch moderne Kläranlagen können Mikroplastik fast komplett aus Abwasser herausfiltern. "Die Partikel sind dann im Klärschlamm und werden verbrannt."

Geschieht dies jedoch nicht, dann gelangt Mikroplastik etwa ins Meer, wo der Abbau wegen des Salzgehaltes und der oft niedrigen Temperaturen Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern kann.

"Durch die weltweite Verbreitung von Kunststoffen ist Mikroplastik mittlerweile in allen Ökosystemen vorhanden – auch in der Antarktis oder Tiefsee – und reichert sich auch immer weiter in der Umwelt an", sagt Christian Heller vom Dezernat für Boden und Altlasten am Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Jeder einzelne könne etwas tun und versuchen, so weit wie möglich auf Plastikprodukte zu verzichten. Dazu zähle etwa, beim Einkauf Mehrweg statt Einweg zu nutzen.

Auch nach den Worten von Heller steht die Forschung zu Mikroplastik "noch relativ am Anfang". Der Großteil der Studien konzentriere sich bisher auf Mikroplastik in Gewässern. Deshalb engagiere sich das HLNUG in der Forschung zu Mikroplastik in Böden. Wissenschaftler der Uni Marburg beschäftigten sich beispielsweise mit der Frage, wie verbreitet Mikroplastik in Böden hessischer Flussauen ist.

dpa