Stephan Kube von der Firma Heliatek hält in einer Produktionshalle biegsame organische Solarfolie in den Händen.
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Erneuerbare Energiequellen
Organische Photovoltaik im Kommen

Zwischen den erneuerbaren Energieträgern gibt es Unterschiede in puncto Umweltverträglichkeit. Die organische Photovoltaik hat einiges zu bieten.

01.06.2023

Manchmal ist ein Fußabdruck überdeutlich. Das gilt auch für den Carbon Footprint, den CO2-Fußabdruck. Er gibt nicht nur an, wie viel klimaschädliche Treibhausgase ein Mensch durch seinen Lebensstil verursacht. Auch die diversen Energieträger werden daran bemessen und schneiden hier unterschiedlich ab. Eine Kilowattstunde Strom aus Wasserkraft wird zum Beispiel mit drei Gramm CO2e "erkauft". Das "e" steht für Äquivalent und macht klar, dass neben CO2 auch alle anderen Treibhausgase berücksichtigt werden. Kernkraft und herkömmliche Solarzellen stehen mit rund 50 Gramm CO2e pro Kilowattstunde zu Buche, Braunkohle mit bis zu 1.000 Gramm.

Der Dresdner Physiker Professor Karl Leo hat all diese Zahlen im Kopf und noch eine Trumpfkarte in der Hand: die organische Photovoltaik (OPV). "Sie kommt in Mitteleuropa auf einen Wert zwischen sieben bis neun [Gramm CO2e pro Kilowattstunde], in sehr sonnenreichen Gegenden kann sogar der Carbon Footprint von Wasserkraft erreicht werden."

Organische Photovoltaik ist eine noch junge Technik

Dass die Photovoltaik (PV) für die künftige Energieversorgung gebraucht wird, ist eine Binsenweisheit: "Wenn wir langfristig denken, brauchen wir aber Solartechnologien, die keine kritischen Rohstoffe enthalten, bei der Herstellung möglichst wenig Energie verbrauchen und überall einsetzbar sind", sagt der Professor für Optoelektronik. Die Zukunft gehöre deshalb organischen Solarzellen. Sie bestehen im Wesentlichen aus Kohlenwasserstoffen und werden in Schichten – hundertmal dünner als ein menschliches Haar – auf eine Trägerfolie aufgedampft. Sie seien extrem leicht und sehr flexibel, nennt der Forscher weitere Vorzüge. "Dadurch kann man sie fast überall einsetzen."

Der renommierte Wissenschaftler verschweigt aber auch bisherige Defizite der Technologie nicht. Die ist gerade erst den Kinderschuhen entwachsen. "Was ihr bislang fehlt, ist ein hoher Wirkungsgrad. Er ist momentan nur etwa halb so groß wie bei herkömmlichen Silizium-Solarzellen." Es gehe zunächst erstmal darum, zu verstehen, warum die Wirkungsgrade so seien, wie seien. Dann wolle Leo mit seinem Team versuchen, sie zu verbessern, etwa mit Hilfe effektiverer Kohlenstoffverbindungen und besserer Schichtaufbauten. "Dazu brauchen wir aber noch viele Jahre Grundlagenforschung," so der Wissenschaftler.

Leo ist Direktor des Instituts für Angewandte Physik und Gründer des Dresden Integrated Center for Applied Physics and Photonic Materials der TU Dresden. Mit seinem Team hat er 1998 erstmals eine organische Halbleiter-LED (OLED) hergestellt. Organische Leuchtdioden sorgen heute wie selbstverständlich für bessere Bildhelligkeit, Kontraste und Energieeffizienz in Smartphones oder bei TV-Bildschirmen. 1998 war das noch Pionierarbeit. Auch bei den organischen PV ist der Weg bis zur technischen Vollendung noch weit.

Solarfolien statt Silizium-Module

Tatsächlich gibt es derzeit weltweit erst einen Hersteller, der organische PV als Massenproduktion aufzieht – auch wenn sich die Serienproduktion noch in der Anlaufphase befindet. Die Dresdner Firma Heliatek mit gut 270 Beschäftigten entstand als Ausgründung der Technischen Universität Dresden und der Universität Ulm. "Hinter unseren Folien steckt die gleiche Halbleitertechnologie wie bei den OLED. Sie machen aus Strom Licht, bei organischer Photovoltaik ist es genau andersrum", sagt Heliatek-Sprecher Stephan Kube.

Unlängst hat die Firma im Hafen von Barcelona das gewellte Dach eines alten Fischereigebäudes mit den Solarfolien beklebt. Kube hält alte Industriebauten für prädestiniert. "Sie sind nicht für schwere Zusatzlasten auf dem Dach ausgelegt, halten das statisch nicht aus." Während ein Silizium-Modul zwischen 15 und 20 Kilogramm wiegt, hat eine gleichgroße Folie ein Gewicht von etwa 1,6 Kilogramm.

Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht in der OPV großes Potenzial – wegen ihrer Nachhaltigkeit. Sie sei günstig herstellbar, vielseitig anwendbar und vergleichsweise einfach in die Gebäudehülle integrierbar, sagt Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. "Allerdings ist die Technologieentwicklung bei der OPV noch relativ jung und der Markteinführung siliziumbasierter Technologie rund 20 bis 30 Jahre hinterher. Das zeigt sich in den noch geringeren Zellwirkungsgraden, höheren Kosten und der geringen Verbreitung im Markt."

Entwicklung von Solartechnik in Deutschland

PV und OPV machen sich keine Konkurrenz, beide werden gebraucht. Der Wirkungsgrad industriell hergestellter Silizium-Solarzellen – die Stromausbeute aus Energie des einfallenden Lichtes – habe sich in den vergangenen 20 Jahren etwa verdoppelt, von elf auf 22 Prozent, sagt Körnig. In den nächsten zehn Jahren könnte er auf etwa 32 Prozent zunehmen. Das dürfte auch das Ziel der Unternehmen sein, die in Deutschland wieder Solarmodule produzieren wie Solarwatt aus Dresden, Antec Solar aus Arnstadt oder Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen.

Professor Leo attestiert Heliatek derzeit einen technologischen Vorsprung. Ihn zu halten und Patente zu schützen, sei eine wichtige Aufgabe. Denn andernfalls drohe organischer PV das gleiche Schicksal wie Silizium-Zellen. Damals waren Module und Maschinen in Europa entwickelt und nach China exportiert worden. Zurück kamen Module, die viel billiger waren und europäische Hersteller in die Knie zwangen. "In China und der Dritten Welt kann man Silizium-Module billiger fertigen als in Europa, das wird immer so bleiben. Bei organischer Photovoltaik sieht das anders aus. Da steckt das Know-how in Maschinen und Technologie."

dpa/cpy