Foto des Schöpfwerks Leybuchtsiel in Ostfriesland
picture alliance / imageBROKER / olf

Küstenschutz
Ostfriesland plant Entwässerungs-System

Der steigende Meeresspiegel und Starkregen stellen die Küsten vor Herausforderungen. In Ostfriesland planen Experten, Wasser aus dem Land zu leiten.

16.05.2023

Den Nordwesten Niedersachsens durchzieht ein dichtes, Tausende Kilometer langes Netz aus Kanälen und Gräben. Für die Küstenbewohnerinnen und Küstenbewohner ist dieses Netz eine Lebensversicherung, weil es bei Regen zuverlässig die überschüssigen Wassermengen aus dem platten Land Richtung Nordsee leitet, wo es mithilfe von Schöpfwerken und Sielen ins Meer geleitet wird. Über Jahrzehnte ist in der teils unter dem Meeresspiegel liegenden Gegend zwischen Ems und Elbe so ein effizientes Binnenentwässerungssystem gewachsen.

Um diese Binnengewässer für Klimafolgen zu rüsten und auch künftig effizient zu entwässern, will Niedersachsens Landesregierung noch in diesem Jahr mit der Erstellung eines Generalplanes für Siel- und Schöpfwerke beginnen. Darin sollen auch Erkenntnisse einfließen, die Entwässerungsverbände sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt zur künftigen Binnenentwässerung im westlichen Ostfriesland gesammelt haben.

Mehr Niederschläge im Winter und ein höherer Meeresspiegel führen laut Expertinnen und Experten künftig zu einem hohen Anpassungsbedarf des aktuellen Binnenentwässerungssystems im westlichen Ostfriesland. Dort könnten es im Mittel rund 25 Prozent mehr Wasser sein. Zu diesem Ergebnis kam das Forschungsprojekt "Klever-Risk", an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Oldenburg und der Jade Hochschule in Wilhelmshaven in den vergangenen Jahren zusammen mit den Entwässerungsverbänden Emden, Norden, Aurich und Oldersum arbeiteten.

Wie kann mehr Wasser aus dem Binnenland geleitet werden?

"Durch den Meeresspiegelanstieg wird es dazu kommen, dass die Sielfenster immer kürzer werden", erklärt der Hydrologe Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule. Denn durch den Meeresspiegelanstieg werde der Höhenunterschied zwischen den Wasserständen vor und hinter dem Deich immer geringer. "Wir gehen davon aus, dass dort in zwei, drei oder vier Jahrzehnten gar nicht mehr nennenswert gesielt werden kann, sondern nur noch gepumpt werden muss", sagt Bormann. Die Pumpkapazität in der Deichlinie müsse erhöht und zugleich das gesamte Entwässerungssystem im Binnenland angepasst werden. Viele Kanäle müssten breiter und tiefer angelegt werden, um mehr Wasser führen zu können.

Denkbar seien künftig auch Pipelines, die Wasser aus Ostfriesland in trockenere Regionen befördern könnten, und eine Umwidmung von Flächen, um mehr Wasser in natürlichen Senken zu speichern. Hier sind laut Bormann Nutzungskonflikte mit Landwirtschaft, Tourismus und Naturschutz unausweichlich. Zudem müssten Siel- und Schöpfwerke modernisiert werden.

"Es besteht grundsätzlicher Handlungsbedarf, die erforderliche Klimaanpassung auch hinter den Deichen anzugehen, zumal dort die Realisierung größerer Projekte erfahrungsgemäß einige Zeit beansprucht", teilte das Umweltministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Laut Entwässerungsverbänden ist Eile geboten. "Die Zeit drängt, denn die Natur wartet nicht", sagte Reinhard Behrends, Obersielrichter des ersten Entwässerungsverbandes in Emden.

Generalpläne sind Ausbauprogramme, die es etwa für den Insel- und Küstenschutz in Niedersachsen gibt. Der neue Generalplan für Siel- und Schöpfwerke ist im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung vereinbart. Der Plan soll beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) entstehen und die Grundlage dafür bieten, wo etwa Schöpfwerke ausgebaut oder Polder und Flächen zur Wasserspeicherung entstehen könnten. Wie lange dieser Prozess dauert, ist laut dem Ministerium noch nicht abzusehen.

dpa/ckr