Ein glänzender Datenstrom.
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Forschungsarbeiten archivieren
Studie sieht Archivierung wissenschaftlicher Artikel in Gefahr

Die digitale Langzeitarchivierung scheint laut einer Studie weniger verlässlich als erhofft. Verfügbarkeit und Auffindbarkeit seien mangelhaft.

07.03.2024

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie werfen ein bedenkliches Licht auf die digitale Langzeitarchivierung von wissenschaftlichen Publikationen über die digitalen Objektidentifizierung (DOI). Die Analyse von Professor Martin Paul Eve und seinem Team zeigt eine unzureichende Praxis in Bezug auf die Erhaltung von digitalen Inhalten, was potenziell ernsthafte Folgen für die langfristige Verfügbarkeit und Auffindbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten haben könnte. 

"Unsere gesamte Erkenntnistheorie von Wissenschaft und Forschung basiert auf der Kette von Fußnoten", erklärt Autor Martin Eve gegenüber "nature", "Wenn Sie nicht überprüfen können, was jemand anderes zu einem anderen Zeitpunkt gesagt hat, vertrauen Sie einfach blind auf Verweise, die Sie selbst nicht mehr lesen können." 

"Unsere gesamte Erkenntnistheorie von Wissenschaft und Forschung basiert auf der Kette von Fußnoten."
Professor Martin Paul Eve, Birbek Universität London 

Die Untersuchung wurde von "Crossref"-Mitgliedern durchgeführt – einer gemeinnützigen, internationalen Mitgliederorganisation, deren ausgewiesenes Ziel es laut ihrer Website ist, die wissenschaftliche Kommunikation unter anderem durch digitale Infrastruktur zu verbessern. Sie wurde kürzlich im "Journal of Librarianship and Scholarly Communication" (2024) veröffentlicht. Die berücksichtigten Archive waren unter anderem Gallica, HathiTrust, Portico, CLOCKSS Archive sowie "Internet Archive". 

Die Erhaltungslage von Forschungsarbeiten im Überblick 

Die detaillierte Untersuchung offenbart eine Landschaft wissenschaftlicher Publikationen mit einer bedrohten digitalen Zukunft. 

  • Lediglich etwa ein Prozent der Crossref-Mitglieder konnte identifiziert werden, die über 75 Prozent ihrer Inhalte in drei oder mehr der untersuchten Archive aufbewahren. 
  • Eine etwas größere Anzahl von 8,5 Prozent der Mitglieder schien über 50 Prozent ihrer Inhalte in zwei oder mehr Archiven aufzubewahren. 
  • Jedoch erfüllen viele Mitglieder, nämlich fast 58 Prozent, lediglich das Mindestmaß: Sie haben laut Untersuchung nur 25 Prozent ihrer Inhalte nur in einem einzigen Archiv hinterlegt. 
  • Besorgniserregend ist zudem, dass knapp ein Drittel der Crossref-Mitglieder gemäß den vorliegenden Daten keine angemessene digitale Langzeitarchivierung haben, was den Empfehlungen der „Digital Preservation Coalition“ (DPC) widerspricht. 

Die Erhaltung im Detail bezogen auf tatsächliche Werke 

Eine differenziertere Betrachtung der Erhaltungssituation auf der Ebene der tatsächlichen Werke liefert weitere Einblicke. 

  • Von den untersuchten knapp 7,5 Millionen Werken schienen etwa 4,3 Millionen über mindestens eine Erhaltungskopie zu verfügen. 
  • 28 Prozent dieser Werke – mehr als zwei Millionen Artikel – erschienen trotz eines aktiven DOI nicht in einem großen digitalen Archiv. 
  • Die verbleibenden knappen 14 Prozent wurden aufgrund zu spätem Erscheinungsdatums oder unzureichenden Metadaten wie Quellenangaben von der Studie ausgeschlossen. 

Erhaltung nach Größe und Anzahl der Einreichungen 

Die Mitglieder von "Crossref" wurden auch nach Kategorien gemäß Publikationsmenge eingestuft, wobei sich zeigte, dass größere Verlage tendenziell bessere Erhaltungspraktiken aufweisen. Dennoch ergab die Analyse, dass viele kleinere Mitglieder anscheinend unzureichende digitale Erhaltungsverfahren haben. 

Während einige Länder eine gute Erhaltungspraxis aufgewiesen hätten, sei eine eindeutige Zuordnung von nationalen Merkmalen zu guten Erhaltungsergebnissen nicht möglich gewesen. 

Studie empfiehlt dringend Nachbesserung 

Die Studie unterstreicht die Dringlichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, um die digitale Langzeitarchivierung von wissenschaftlichen Publikationen zu verbessern. Basierend auf den Erkenntnissen schlägt die Studie verschiedene Maßnahmen vor, um die Erhaltungskultur zu stärken. 

"Viele Menschen gehen blind davon aus, dass ein DOI für immer bestehen bleibt. Aber das heißt nicht, dass der Link auf ewig funktioniert", erklärt Publikationsexperte Mikael Laakso von der Hanken School of Economics in Helsinki die Bedeutung der Studie gegenüber "nature". Dazu gehörten eine klare Definition von Erhaltungsstandards für DOI-Registrierungsagenturen, Durchsetzung dieser Standards und regelmäßige Überprüfung der Erhaltungsbehauptungen.

"Viele Menschen gehen blind davon aus, dass ein DOI für immer bestehen bleibt."
Publikationsexperte Mikael Laakso von der Hanken School of Economics

 Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse dieser Studie die Notwendigkeit eines verstärkten Engagements für die digitale Langzeitarchivierung, um die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse auch für zukünftige Generationen zu gewährleisten.

cva