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Peer Review
Suche nach Gutachtern wird immer schwieriger

Experten warnen vor einem Kollaps des Peer-Review-Verfahrens. Eine Studie zeigt den aktuellen Stand des weltweiten Gutachterwesens.

18.09.2018

Die Zahl der veröffentlichten Artikel in der Wissenschaft nimmt immer weiter zu. Forschungsgelder sind an Publikationen gebunden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich von einer hohen Anzahl an Veröffentlichungen einen höheren Impact Faktor und bessere Karrierechancen.

Gleichzeitig fällt die Suche nach Gutachtern immer schwerer. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren der Studie "Global State of Peer Review" von der Plattform "Publons", auf der Forschende ihre Peer-Review-Tätigkeiten angeben können. Während die Redakteure von Wissenschaftszeitschriften 2013 noch durchschnittlich 1,9 Wissenschaftler für ein Gutachten anfragen mussten, waren es 2017 bereits 2,4. Viele Gutachter sagten auch zunächst zu und zu einem späteren Zeitpunkt wieder ab. Für 2025 prognostizieren die Autoren der Studie, dass es 3,6 Anfragen pro wissenschaftlichem Artikel brauchen werde.

Deutsche Wissenschaftler publizieren mehr als sie begutachten

Die Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen Industrienationen und Schwellenländern. So seien Wissenschaftler aus Schwellenländern eher bereit zu einem Gutachten und reichten dieses auch etwas schneller ein. Sie würden jedoch seltener angefragt.

Den größten Anteil am Peer-Review-Verfahren haben laut Studie die USA. US-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler deckten 32,9 Prozent der Gutachten ab und veröffentlichten selbst 25,4 Prozent der weltweiten wissenschaftlichen Artikel. Der Anteil der Gutachten ist damit höher als der der eigenen Artikel.

Auch Wissenschaftler aus Großbritannien erstellten etwas mehr Gutachten als eigene Artikel. In Ländern wie dem Iran und der Türkei, Südkorea und Taiwan sei es genau anders herum. Hier werde mehr publiziert als begutachtet. Auch in Deutschland sei die Nachfrage nach Gutachten etwas höher als die Zahl der eigenen Gutachten.

China sei ein besonderer Fall. Die Diskrepanz zwischen der Zahl der Gutachten und der Artikel sei hier besonders hoch. 8,8 Prozent Gutachten kämen auf 13,8 Prozent der weltweit verfassten Artikel. Gleichzeitig nehme die Zahl der Gutachtertätigkeiten in China deutlich zu – in den vergangenen fünf Jahren um 224 Prozent. Seit 2015 erstellten chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr Gutachten als britische Wissenschaftler. Insgesamt sei die Beteiligung von Schwellenländern um 193 Prozent gestiegen.

Es sei zu beobachten, dass die Länge der Gutachten mit dem Impact Faktor einer Zeitschrift zunehme. Dabei machten Wissenschaftler aus Industriestaaten ausführlichere Anmerkungen als solche aus Schwellenländern. Im Schnitt schreiben sie laut Studie 528 Wörter. Bei Wissenschaftlern aus Schwellenländern seien es 250 Wörter. Die Autoren nehmen an, dass dies auch an ihrer Unsicherheit im Englischen liege.

Anreize für Gutachter-Tätigkeit gefordert

Gut die Hälfte der Wissenschaftler seien zufrieden mit der Objektivität und der Qualität der Gutachten. Mit Blick auf das Tempo des Peer-Review-Verfahrens sei die Stimmung schlechter. 19,1 Tage betrage der Mittelwert für ein Gutachten unter Wissenschaftlern. Mehr als 60 Prozent der Forschenden hielten dies für zu langsam.

Bei der Begutachtung scheint sich in einigen Fächern jedoch eine Routine einzustellen, die auch die Schnelligkeit erhöht: So konnten vor allem die Agrarwissenschaften, aber auch die Geo- und Ingenieurwissenschaften laut Studie mehr als zwei Tage einsparen. Über alle Fächer hinweg rechnen die Autoren mit einer weiteren Abnahme auf 14,7 Tage bis 2025.

Ohne besondere Anreize werde die Bereitschaft für Gutachten tendenziell weiter abnehmen, glauben Wissenschaftler. Sie halten besondere Anreize für angebracht. 83 Prozent nehmen an, dass die Bereitschaft für Peer Review zunehmen würde, wenn man mehr Wertschätzung erhielte und bessere Karriere-Aussichten damit verbunden seien.

Die Ergebnisse der "Publons"-Studie basieren auf einer Umfrage der Plattform unter knapp 12.000 Forschenden sowie Informationen aus Datenbanken wie dem "Web of Science".

kas