Ein Kompass zeigt "Science" (auf Deutsch Wissenschaft) an statt der sonstigen Richtungen "Beliefs (auf Deutsch Glauben). "
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Studie
Vertrauen in Forschende weltweit hoch

Die größte Studie nach der Pandemie zeigt weltweit großes Vertrauen in die Wissenschaft. In Deutschland ist es unterdurchschnittlich.

15.02.2024

Eine neue globale Studie, die vergangenen Monat vorab online veröffentlicht wurde und mit 70.000 Teilnehmenden die größte ihrer Art ist, kommt zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überall auf der Welt hoch ist. Der Grad des Vertrauens unterscheidet sich von Land zu Land und hängt mitunter von der politischen Orientierung ab. 

Die meisten Befragten wünschen sich, dass Forschende stärker in die Politikgestaltung einbezogen werden. "Die Gesamtbotschaft ist positiv", sagt James Liu, Psychologe an der Massey University of New Zealand in Auckland gegenüber dem Fachmagazin Nature. "Selbst im Zuge der COVID-19-Pandemie, die das Vertrauen der Menschen in Wissenschaftler stark polarisiert haben könnte, ist das Vertrauen in einer Reihe von Bevölkerungsgruppen recht hoch." 

 "Die Gesamtbotschaft ist positiv."
 James Liu, Psychologe an der Massey University of New Zealand in Auckland 

Für die Studie befragte die Sozialwissenschaftlerin Viktoria Cologna von der Leibniz-Universität Hannover und ihre Kollegen 71.417 Menschen in 67 Ländern. Die Befragten sollten bei einem Dutzend von Aussagen, auf einer Skala von 1 bis 5 angeben, wie sehr sie die Integrität, Kompetenz, Wohlwollen und Offenheit von Forschenden empfinden. Je höher die Punktzahl, desto höher das Vertrauen. Der durchschnittliche Vertrauenswert lag mit 3,62 moderat hoch. 

In Deutschland Vertrauen in Forschende unterdurchschnittlich 

In Ägypten gab es das größte Vertrauen in Forschende, gefolgt von Indien und Nigeria. Ein überdurchschnittliches Vertrauensniveau gab es in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Australien und China, während es in Deutschland, Hongkong und Japan unterdurchschnittlich war. Das geringste Vertrauen in Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hatten die Menschen in Albanien, Kasachstan und Bolivien. 

An fast allen Orten wurden die Teilnehmenden für die Studie online über Marketingunternehmen rekrutiert. Mit Ausnahme der Demokratischen Republik Kongo, wo das Forscherteam persönlich Umfragen durchführte. Insgesamt wurde Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hohe Kompetenz, mäßige Integrität und wohlwollenden Absichten zugeschrieben. 

Nicht ganz so positiv wurde die Offenheit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bewertet: jede vierte befragte Person war der Meinung, dass Forschende anderen Ansichten nur wenig oder sehr wenig Beachtung schenken. Drei Viertel der Menschen stimmten zu, dass wissenschaftliche Methoden der beste Weg seien, um herauszufinden, ob etwas wahr sei. 

Zusammenhang zwischen Vertrauen und politischer Ausrichtung 

Die Studie untersuchte auch die Zusammenhänge zwischen dem Vertrauen der Teilnehmenden in Forschende und ihren politischen Neigungen. Auf globaler Ebene war das Vertrauen in die Wissenschaft bei einigen politisch "Linken" größer, insbesondere in Kanada, den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Norwegen und China. Doch bei zwei Dritteln der Länder – darunter Neuseeland, Argentinien und Mexiko – stellten die Forschenden signifikanten Zusammenhang zwischen politischer Orientierung und Vertrauen her. In einigen Ländern, darunter Georgien, Ägypten, den Philippinen, Nigeria und Griechenland, waren linksgerichtete Ansichten sogar mit geringerem Vertrauen in die Wissenschaft verbunden. 

"Diese gegensätzlichen Ergebnisse könnten durch die Tatsache erklärt werden, dass in manchen Ländern rechtsgerichtete Parteien möglicherweise Vorbehalte gegenüber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geäußert haben, während dies in anderen Ländern möglicherweise bei linksgerichteten Parteien eher der Fall war", schreiben die Forscher im Vorabdruck. 

So arbeitet beispielsweise Griechenlands rechte Regierungspartei, Nea Dimokratia, seit 2020 konsequent mit Forschenden bei der Umsetzung einer Agenda für die öffentliche Gesundheit zusammen. Das könnte erklären, warum dort politisch Rechtsgerichtete mehr in die Wissenschaft vertrauen. "Es geht um die Führung politischer Parteien und wie sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern umgehen", sagt der Psychologe Liu zu "Nature". Dies kann von Land zu Land unterschiedlich sein und erschwert die Interpretation der Ergebnisse. 

Mehr Einbindung in Politik und Öffentlichkeit gewünscht 

Über die Hälfte der Befragten ist allerdings der Meinung, dass Forschende stärker in die Politikgestaltung eingebunden werden und eng mit Politikerinnen und Politikern zusammenarbeiten sollten, um wissenschaftliche Ergebnisse in die Politikgestaltung zu integrieren. "Wenn wir Wissenschaft vertrauen, möchten wir, dass wir einbezogen werden", sagt Liu. "Aber als Forschende in die öffentliche Politik einzusteigen, kann am Ende zu einer Art Blutsport werden", sagt er. "Wir sehen das beispielsweise daran, dass Klimaforschende von einigen aus der Politik missachtet und angezweifelt werden." 

Laut Liu sollte es mehr Ausbildung für Forschende geben, die in die Politikgestaltung einsteigen möchten. Sie müssten ihre Kommunikationsfähigkeiten verbessern. Das knüpft an ein weiteres Ergebnis der Studie an: 80 Prozent der Befragten wollen, dass Forschende mit der Öffentlichkeit über Wissenschaft kommunizieren sollten.

Ansehen der Wissenschaft hat durch Pandemie gelitten 

Das Vertrauen in die Wissenschaft ist weltweit nach wie vor hoch. Auch in Deutschland, über die Hälfte vertrauen dort laut dem Wissenschaftsbarometer 2023 in die Wissenschaft und Forschung. Allerdings ist das weniger als in den Vorjahren, denn die Corona-Pandemie hat für Skepsis gesorgt und an dem Vertrauen gezehrt. Laut dem Wissenschaftsbarometers 2020 sagten rund 40 Prozent der Deutschen, "dass Wissenschaftler uns nicht alles sagen, was sie über das Coronavirus wissen." Ebenso vielen ist es wichtig, Informationen dazu auch von außerhalb der Wissenschaft zu beziehen. Etwa knappes Drittel stimme zu, dass die Pandemie zu einer größeren Sache gemacht wird, als sie ist. Und etwa ein Sechstel der Befragten ist der Meinung, dass es keine eindeutigen Beweise für die Existenz des Virus gibt. 

In den USA hat die Corona-Pandemie zu einem noch größeren Vertrauensverlust in der Wissenschaft geführt: Zwar vertrauen immer noch 73 Prozent der Menschen in Amerika in Forschende. Das seien jedoch 14 Prozent weniger als noch vor der Corona-Pandemie. So eine Umfrage des nichtstaatlichen Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center in Washington. Auch der Anteil derer in der amerikanischen Bevölkerung, die Forschenden gar nicht oder nur etwas vertrauen, hat stark zugenommen. Waren es 2019 noch 13 Prozent, sind es heute 27 Prozent. Außerdem glaubten 2019 noch 73 Prozent der amerikanischen Bevölkerung, dass Wissenschaft gute Auswirkungen auf die Gesellschaft hat, heute sind es nur noch 57 Prozent.

kfi