Röhrchen mit Blutprobe mit Aufschrift "HIV +"
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40 Jahre Aids
Wie weit ist die Forschung zu HIV?

Eine HIV-Diagnose muss dank Medikamenten heute kein Todesurteil mehr sein. Doch eine Impfung oder Heilung gibt es nach wie vor nicht. Warum?

05.06.2021

Vor 40 Jahren, am 5. Juni 1981, berichtete die US-Gesundheitsbehörde CDC erstmals über eine mysteriöse neue Krankheit: Bei jungen Männern traten nach sexuellem Kontakt Fälle einer Immunschwäche auf. Seither sind nach Schätzungen weltweit 34,7 Millionen Menschen an Komplikationen durch Aids gestorben. Ein Trost: Seit 2001 sind dadurch, dass mehr Medikamente weltweit zur Verfügung standen, nach Schätzungen 16,2 Millionen Todesfälle vermieden worden.

2020 lebten weltweit 37,6 Millionen Menschen mit HIV, in Deutschland waren es Ende 2019 knapp 100.000 Menschen. Knapp 11.000 von ihnen wissen nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts davon nichts. Wenn eine HIV-Infektion nicht behandelt wird, schwächt das Virus das Immunsystem so stark, dass lebensgefährliche Krankheiten auftreten. Man spricht dann von Aids (Erworbenes Immunschwäche-Syndrom).

Das erste HIV-Medikament ist bereits seit 1987 im Gebrauch. Seit 1996 werden bei der Behandlung mehrere Wirkstoffe effektiv miteinander kombiniert, so dass die Vermehrung der Viren im Körper über unterschiedliche Mechanismen so weit unterdrückt wird, dass Aids nicht ausbricht. Vollständig entfernen können sie das Virus nicht, weswegen die Medikamente ein Leben lang eingenommen werden müssen, Lebenserwartung und Lebensqualität sind dank der Therapie aber hoch.

Eine HIV-Infektion muss daher heute kein Todesurteil mehr sein, ihren Schrecken hat sie jedoch nicht verloren. An der Diskriminierung, mit der viele Betroffene seit der Entdeckung der Viruserkrankung konfrontiert waren, hat sich bis heute wenig geändert. Nach einer neuen Umfrage der Deutschen Aidshilfe erlebt gut die Hälfte der HIV-Positiven immer noch Diskriminierung. Dabei ist bei guter Behandlung der HIV-Infektion die Virenlast so tief, dass sie nicht mehr nachweisbar ist. So können HIV-Positive andere gar nicht anstecken.

Stigma behindert Aids-Bekämpfung

"Stigma und Diskriminierung sind eine der Ursachen dafür, dass die HIV-Pandemie weltweit nach 40 Jahren noch nicht zuende ist", sagt der Virologe und Aids-Forscher Professor Hendrik Streeck, der sich zuletzt als Corona-Experte einen Namen gemacht hatte, der dpa. Er spricht von einem traurigen Meilenstein. "Wir könnten die Pandemie viel besser eindämmen, als es der Fall ist." In vielen Ländern müssten Menschen, die mit HIV infiziert sind oder ein erhöhtes Ansteckungsrisiko haben, im Verborgenen leben.

Viele ließen sich aus Angst und Sorge vor den Folgen nicht testen, oder es gebe kaum Testmöglichkeiten. "So gibt es derzeit noch zu viele Infizierte, die das Virus weitergeben können." In Osteuropa und in Ländern wie Ägypten, Südsudan und Pakistan oder in Westafrika steige die Zahl der Neuinfektionen weiterhin an. Besondere Risikofaktoren sind ungeschützter Geschlechtsverkehr und das Teilen von Spritzbesteck beim Drogenkonsum.

Die Folgen der Corona-Pandemie auf die HIV-Infektionen seien noch nicht abzusehen, sagte Streeck. Vielerorts hätten sich weniger Menschen testen lassen, und viele hätten ihre Medikamente nicht mehr regelmäßig bekommen. Das könne zu vielen Neuinfektionen führen, und viele Menschen könnten ernsthaft erkranken.

Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?

Wie kommt es, dass Impfstoff gegen das Coronavirus so schnell entwickelte wurde, gegen das HI-Virus aber in 40 Jahren nicht? Es gehe um verschiedene Virenarten, sagt der Virologe Professor Josef Eberle vom Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie in München.

Das Coronavirus ändere sich zudem relativ langsam, das HI-Virus dagegen sehr schnell. "Schon in vier bis sechs Wochen entwickeln sich in einem einzigen HIV-Infizierten so viele Varianten wie beim Coronavirus weltweit nicht in einem ganzen Jahr", sagt Eberle. Zum anderen könne man beim Coronavirus Antikörper wie Sticker auf den Schlüssel des Virus für die Zelle "kleben", was das Eindringen verhindert. "Bei HIV sind die Oberflächenproteine auf den Viren dagegen gut versteckt", sagt Eberle.

Wenn HIV einmal im Körper sei, bekomme man es nicht mehr raus – auch, wenn es mit Medikamenten gut unterdrückt werden könne, erklärt der Experte. Der Bauplan des Virus bleibe in langlebigen Zellen. Das Coronavirus sei anders: "Es muss sich ständig vermehren, sonst stirbt es aus."

Eberle zweifelt, ob es je HIV-Impfstoffe geben wird. Streeck ist zuversichtlicher. Es laufen einige HIV-Impfstoffstudien. "Natürlich ist die HIV-Pandemie besser einzudämmen, wenn wir eine Heilung oder einen Impfstoff haben", sagt Streeck. "Aber beides ist noch in weiter Ferne."

Weltweites Ziel verfehlt

Das UN-Programm UNAIDS warnte zum 40. Jahrestag der Entdeckung von Aids davor, dass die Weltgemeinschaft bei ihrem Ziel, die HIV-Pandemie bis 2030 beenden, zu scheitern drohe. Schon die drei UN-Ziele zur Bekämpfung der HIV-Pandemie bis 2020 seien verfehlt worden. Dies waren: 90 Prozent aller Betroffenen sollten über die Infektion Bescheid wissen, 90 Prozent der Diagnostizierten sollten eine antiretrovirale Therapie bekommen und 90 Prozent der Behandelten sollten so gut eingestellt sein, dass das Virus nicht mehr nachweisbar ist. Tatsächlich lagen die Zahlen aber Ende 2020 bei 84 Prozent, 73 Prozent und 66 Prozent.

Seit einigen Jahren werden laut UNAIDS weniger internationale Gelder zum Kampf gegen HIV aufgebracht. Es müsse daher eine neue Dynamik beim Kampf gegen Aids geben. "Wir haben (in der Corona-Pandemie) bewiesen, dass die Wissenschaft in kürzester Zeit Lösungen hervorbringen kann, und wir haben bewiesen, dass Regierungen Ressourcen aufbringen können", sagte die Exekutivdirektorin von UNAIDS, Winnie Byanyima. Sie sei deshalb vorsichtig optimistisch, dass dies auch zur Beendigung der Aids/HIV-Pandemie möglich sei.

dpa/ckr