Promovieren in Deutschland
"In China teilt man seine Erfolgserlebnisse"
Forschung & Lehre: Herr Dr. Zhang, Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau einen Ratgeber für chinesische Wissenschaftler an deutschen Hochschulen geschrieben. Welche kulturellen Unterschiede sind Ihnen aus Ihrer Zeit an der Universität Konstanz besonders in Erinnerung geblieben?
Keshun Zhang: Ein Aspekt war sicherlich, dass Arbeit und Privates in Deutschland ganz strikt getrennt wird. Man spricht mit seinem Doktorvater oder seiner Doktormutter ausschließlich über die Promotion. In China ist das anders. Da tauscht man sich erst mal darüber aus, wie es einem geht und was einen familiär oder im Freundeskreis gerade bewegt. Auch macht man vorab keinen Besprechungstermin aus, sondern geht einfach im Büro des Betreuers vorbei. An den Ablauf in Deutschland musste ich mich erst einmal gewöhnen – auch an die förmlichen Anschreiben per E-Mail.
F&L: Wie leicht ist Ihnen der Wechsel zwischen den Wissenschaftssystemen gefallen?
Keshun Zhang: Die ersten Wochen waren sehr anstrengend – nicht nur, weil ich kein Deutsch konnte. Ich musste lernen, dass in Deutschland ganz anders wissenschaftlich gearbeitet wird als in China. Es wird erwartet, dass Promovierende über eigene und fremde Forschungsarbeiten diskutieren, gegebenenfalls selbst die Forschung der eigenen Betreuer falsifizieren. Das war ich aus China nicht gewohnt. Auch war neu für mich, dass Kolloquien in Deutschland dazu dienen, vorrangig über Probleme bei der eigenen Forschung zu berichten. In China teilt man seine Erfolgserlebnisse. Mit den Problemen versucht man alleine zurechtzukommen.
F&L: Konnten Sie Deutschkurse an der Universität Konstanz belegen?
Keshun Zhang: Ja, aber ich habe es leider nicht so konsequent gemacht. Es war freiwillig und am Institut haben wir vor allem Englisch gesprochen. Es erfordert sehr viel Disziplin, parallel zur Promotion noch Deutschkurse zu belegen, wenn man nicht gezwungen ist, die Sprache zu sprechen. Bei der Jobsuche ist mir das jetzt zum Verhängnis geworden: Gute Deutschkenntnisse waren immer eine der zentralen Voraussetzungen.
"Ich glaube, dass der Austausch außerhalb der Universität der Zusammenarbeit guttut." Keshun Zhang
F&L: Inwiefern haben Sie Ihre Kultur in Deutschland eingebracht?
Keshun Zhang: Mein Betreuer hat mir oft gesagt, dass ich ein guter Mediator sei. In Diskussionen habe ich versucht, dass wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen, selbst wenn wir zu einzelnen Aspekten verschiedene Meinungen haben. Das habe ich aus der kollektivistischen Kultur in China mitgebracht, in der nicht das Individuum, sondern die Gruppe an erster Stelle steht. Auch habe ich mein Team ab und an zum Abendessen bei mir eingeladen – eher untypisch in Deutschland, aber ich bin überzeugt, dass der Austausch außerhalb der Universität der Zusammenarbeit guttut. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Team aufbauen können und glaube, es auch halten zu können, wenn ich jetzt als "Associate Professor" zurück an eine chinesische Universität gehe. Wir haben bereits gemeinsame Projekte geplant.
F&L: Was werden Sie von Ihren Erfahrungen aus Deutschland für Ihre Arbeit in China mitnehmen?
Keshun Zhang: Ich finde es gut, dass Studierende in Deutschland viele verschiedene wissenschaftliche Methoden kennenlernen und dazu ermutigt werden, zu diskutieren und zu argumentieren. Das möchte ich auch künftig in meine Lehre einbringen.
Promotion in Deutschland: Stipendien finden
Die Stipendiendatenbank des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bietet eine Übersicht über Fördermöglichkeiten für ausländische Wissenschaftler in Deutschland. Für Doktorandinnen und Doktoranden aus China gibt es aktuell 33 Förderangebote vom DAAD und anderen Organisationen.