Ideenfindung
Methoden zur Ideenfindung steigern Kreativität
Wäre Kreativität nur besonders einfallsreichen Menschen vorbehalten, wäre dies eine betrübliche Nachricht. Sollten nur sie das Denken aus festgelegten Bahnen befreien und etwas "finden", was es bisher nicht gab? Die gute Nachricht: Auch Menschen, die eine besondere Gabe der Ideenfindung besitzen, haben meist eine spezielle, eigene Form der Kreativmethode entwickelt, die sie erfolgreich unbewusst oder bewusst anwenden, um etwas Neues zu finden, etwas zu "erfinden". Spätestens seit das "Brainstorming" die Geschäftswelt erobert hat, sind für viele Bereiche des privaten und beruflichen Lebens Kreativtechniken nicht mehr wegzudenken.
Brainstorming, Brainwalking, Brainwriting-Pool
Das Brainstorming ist die bekannteste, sozusagen die Urmutter aller Kreativitätstechniken. Zu einem Begriff, einem Problem oder einer Frage werden alle Ideen gesammelt, die einem oder auch einer ganzen Gruppe in den Sinn kommen. Um die Beiträge festzuhalten, gibt es drei Möglichkeiten: die Ideen werden in den Raum gerufen und protokolliert (Zurufverfahren). Oder alle schreiben gleichzeitig auf eine Flipchart, eine Pinnwand oder auf eine Karte. Ganz wichtig beim Brainstorming: erst alle Ideen sammeln und dann bewerten. Daher sind Kommentare und Kritik während des Brainstormings strikt untersagt.
Allerdings sollte man beim Brainstorming gut vorbereitet sein (die Teilnehmer können zum Beispiel im Vorfeld über die Fragestellung Bescheid wissen), umso mehr "fließen" die Ideen. Unterstützend kann Musik sein. Für manche Menschen ist diese Methode jedoch wirkungslos, da sie sich unter Druck gesetzt fühlen, wenn anderen viele Ideen einfallen. Sie schämen sich und halten sich zurück.
Variationen des Brainstormings sind das Brainwalking, bei dem davon ausgegangen wird, dass bei körperlicher Bewegung die Einfälle besser fließen und der Brainwriting-Pool, bei dem alle Teilnehmer um einen Tisch sitzen, jeweils auf einer Karte eine Idee notieren und diese weiterreichen. Erhaltene Karten kann man ergänzen und dann weitergeben. Am Schluss werden alle Karten gesammelt und ausgewertet.
Kipling-Fragen, 5W1H-Methode, Morphologische Matrix
Die Kipling-Fragen oder 5W1H-Methode ist eine sehr rational orientierte Technik. Sie geht schwierige Fragestellungen mit den großen W's an. What: Was ist das Problem? Was ist das Ziel? Was muss sich ändern? Die Fragen sollten so konkret, klar und deutlich wie möglich beantwortet werden. Where: Wo tritt das Problem auf? Wo wird das Problem wahrgenommen? When: Wann tritt es auf? Diese Frage ergänzt die Wo-Frage und definiert genauer, ob das Problem häufig beziehungsweise nur in bestimmten Situationen auftritt. How (Wie?): Wie kommt es zum Problem? Hier ist gründliche Ursachenanalyse fällig, die umfangreich dokumentiert werden kann.
Diese Technik ist besonders hilfreich, um zunächst sehr genau das Problem zu analysieren und nicht zu vorschnell bestimmte Ursachen eines Problems festzulegen. Verwandt mit dieser Methode ist die Morphologische Matrix, die zunächst die Parameter des Problems beziehungsweise der Fragestellung auflistet. Es wird eine Matrix angelegt, in der die verschiedenen Elemente (bei einer Maschine beispielsweise die verschiedenen Teile, aus denen sie besteht) aufgelistet werden und dazu können "Neue Lösungen" notiert werden. Grundgedanke dabei ist, dass jedes Element variiert wird und dadurch neue Ideen entstehen können. Eine Variante wäre, neben den verschiedenen Elementen statt neuen Lösungen mögliche Ausprägungen zu notieren. So kann man überlegen, welche Ausprägungen kombiniert werden können.
Kopfstand, Zufallmethode
Bei der Methode Kopfstand soll eine radikale Umkehr aus gewohnten Denkmustern kreative Lösungen entstehen lassen. Man löst sich aus Bekanntem und Gewohntem und findet so neue Ideen. Aus diesem Grund heißt diese Methode auch "Umkehrtechnik" oder "Flip-Flop-Technik".
Es wird in folgenden Schritten vorgegangen: Man dreht die Aufgabe einfach um und sucht Ideen und Lösungen für die umgedrehte Aufgabe. Diese Lösungen werden wiederum "auf den Kopf" gestellt. Dann kann überlegt werden, welche Lösungen sinnvoll sind. Der Trick ist, dass jedes Umdrehen die vertraute Welt "verfremdet". Beispiel: Mit einem Fachartikel soll ein breites Publikum erreicht werden. Die Frage lautet also: Wie erreiche ich mit dem Artikel viele Leserinnen und Leser? Die umgekehrte Frage könnte lauten: Was muss ich tun, damit möglichst wenig Menschen meinen Beitrag lesen? Wenn man dann die Antworten auf die umgedrehten Fragen wieder umpolt, gewinnt man möglicherweise neue Perspektiven. Berücksichtigung findet dabei, dass viele Menschen Lösungen vom Negativen her denken.
Eine dazu verwandte Technik ist die Zufall- oder Reizwortmethode. Man schlägt beispielsweise eine Seite in einem Wörterbuch per Zufall auf und tippt mit dem Finger blind auf ein Wort. Oder man schreibt zehn Wörter auf, die mit einem bestimmen Buchstaben anfangen. Wenn das Reizwort gefunden ist, können Merkmale des Wortes notiert werden und anhand dessen Lösungsmöglichkeiten des Problems gefunden werden. Beispielsweise soll eine automatische Warnanlage für ein Forschungslabor installiert werden, um Temperaturschwankungen im Labor zu verhindern. Doch welche Anlage ist sinnvoll?
Als Reizwort findet das Kreativteam zur Lösung des Problems das Wort "Bierflasche". Die Analyse ergibt: 1. Steht unter Druck 2. Zischt beim Öffnen 3. Spritzt beim Öffnen 4. Braunes Glas. Folgende Lösungsansätze könnten sich daraus ergeben. 1. Die entsprechenden betroffenen Regionen müssten auf Druck direkt reagieren. 2. Lautes Zischen von Kühlungs- oder Heizungsflüssigkeit könnten die Mitarbeiter auf Temperaturveränderungen aufmerksam machen. 3. Wasserspritzer könnten für Kühlung sorgen. 4. Temperaturempfindliche Elemente braun verkleiden oder in braune Behälter abfüllen.
<link kreativitaet _blank external-link-new-window internal link in current>"Kreativität" – die Themenreihe auf Forschung & Lehre
Analogietechnik
Mittels der Analogietechnik wird versucht, nach Analyse des Problems etwas Entsprechendes in der Natur, in der Gesellschaft oder in anderen Bereichen zu finden. Dann wird geprüft, was von diesem Analogon für die Fragestellung übernommen werden kann. So wurde beispielsweise der Hubschrauber gebaut, der in Analogie zur Libelle erfunden wurde. Ein anderes Beispiel aus der Biologie wäre der "Lotusblüteneffekt": beim Abperlen von Wassertropfen bei der Lotusblüte wird eine natürliche Selbstreinigungsfunktion erwirkt.
Disney-Methode
Falls eine Gruppe oder auch eine Einzelperson mehrere Ideen und Konzepte bereits entwickelt haben beziehungsweise hat und nun unschlüssig ist, ob die Methoden sinnvoll und letztlich zielführend sind, bietet sich die Disney-Methode an. Hierbei schlüpft man für die Bewertung in drei unterschiedliche Rollen. Diese sind: 1. Der Träumer, 2. Der Realist, 3. Der Kritiker. Falls im Team überlegt wird, wechseln die Teammitglieder nacheinander die Rollen. Für jede Rolle wird außerdem ein anderer Ort aufgesucht. Beim Träumer stellt man sich einen Menschen vor, der sich bei geschlossenen Augen von Gefühlen, Bilder und Träumen leiten lässt. Beim Realist lässt man den "gesunden Menschenverstand" walten.
Ganz nüchtern und pragmatisch betrachtet der Realist die Idee. Der Kritiker sollte ein kluger Bedenkenträger sein, der Kritisches mit Namen nennt. Nachdem jeder eine Zeitlang in einer Rolle "gelebt" hat, teilt er oder sie seine Überlegungen dem Team mit. Alle gesammelten Aspekte werden ausgewertet und so Stärken und Schwächen der Ideen genauer dargestellt.
Scribbeln
Wie kreativ Visualisierung sein kann, macht die Technik des Scribbelns deutlich. Scribbeln kommt vom englischen "to scribble = kritzeln" und meint nicht etwa hastiges Schreiben, sondern eine spontane Visualisierung. Es soll dabei keine schöne Zeichnung entstehen, sondern Gekritzel, das spontan aus dem Handgelenk kommt. Ohne Anspruch auf Perfektion soll es ganz kurz und direkt sein, gedankliche Vorstellungen sollen ganz ungefiltert in das Scribble fließen. Prominenter Vertreter des Scribbelns ist Leonardo da Vinci, der Tausende von Scribbles hinterlassen hat.
Er konnte sehr gut zeichnen, viele seiner Skizzen sind "Denkzeichnungen". Die Methode ist sehr wirkungsvoll, weil man den Rückkopplungsprozess in Gang setzt. Zuerst ist die Idee da, dann entsteht das Bild. Man bemerkt, es ist noch nicht perfekt und fertigt eine neue Zeichnung an. Die Dynamik liegt im Denken-Zeichnen-Schauen-Denken-Zeichnen-Schauen. Dieser Ablauf wird mehrmals wiederholt.
Quellen und Buchtipps:
Evelyn Boes: Das große Buch der Kreativitätstechniken, Compact Verlag München 2007.
Anne Brunner: Kreativer denken, Methoden von A bis Z, Oldenbourg Verlag München, 2008.
Bernd Weidenmann, Handbuch Kreativität, Beltz Verlag Weinheim und Basel, 2010.