Drei Menschen mittleren Alters arbeiten zusammen, zwei Männer und eine Frau. Die Frau beugt sich über die Schulter des einen Mannes, um auf seinen Laptopbildschirm zu schauen.
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Professorinnen
Anerkannt oder marginalisiert?

Professorinnen haben die "gläserne Decke" an den Hochschulen eigentlich durchbrochen. Trotzdem gibt es strukturelle Ausschlussmechanismen.

17.01.2022

Auch "jenseits der gläsernen Decke" der Lebenszeitberufung machen Hochschulprofessorinnen die Erfahrung, aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen zu sein, obwohl sie formal die gleichen Privilegien genießen wie Professoren. Die Vorstellung, dass die Universität ein geschlechtsneutraler Ort sei, ist falsch, zeigt das BMBF-geförderte Verbundprojekt "Jenseits der Gläsernen Decke. Professorinnen zwischen Anerkennung und Marginalisierung" unter Leitung von Professorin Tanja Paulitz (TU Darmstadt) und Professorin Leonie Wagner (HAWK). Das Autorenteam hat zentrale Ergebnisse seiner Studie in einer Handreichung für die hochschul- und gleichstellungspolitische Praxis veröffentlicht.

Der Ausschluss von Frauen beginne mit wenig strukturierten Starts in die Professur, bei denen die Betroffenen wichtige Informationen mitunter nur durch Zufall erhielten. Viele Entscheidungsprozesse an Hochschulen seien informell und umgingen die formal bestehenden Strukturen. Diese Informalität könne ein Einfallstor für Marginalisierungen durch das Geschlecht sein: Etwa wenn Professorenkollegen sich untereinander privat treffen und absprechen, die neue Professorin aber ausschließen.

Die Autorinnen und Autoren der Studie zeigen Informalität aber auch als eine Handlungsressource auf, da sie erlaubt, selbst informell in Kontakt zu treten. In diesem Zusammenhang sind Netzwerke und gerade Frauennetzwerke besonders wichtig für Professorinnen, die an einem neuen Institut anfangen. Der Zugang zu ihnen sei allerdings nicht immer leicht. Im Unterschied zu den Professorinnen berichteten befragte Professoren überwiegend von einer unkomplizierten Aufnahme in bestehende Netzwerke und Arbeitsguppen, was von der Studie als Anzeichen von geschlechtlichen Ausschlussmechanismen gewertet wurde. Weitere Beispiele waren das Übergangenwerden und die geschlechtsbezogene Arbeitsteilung zwischen Professoren und Professorinnen. So würden die weniger prestigehaften und stereotyp weiblich belegten Aufgaben wie Protokoll führen und Organisation des Caterings eher in die Hände von Frauen gelegt, während die beteiligten Professoren die Aufgaben ergriffen, die mehr Ansehen generierten. Das Autorenteam empfiehlt Professorinnen, sich mehr einzubringen, da dies zu mehr Sichtbarkeit führe und Marginalisierung verhindere.

Viele der befragten Professorinnen haben laut Handreichung die Verbindung von persönlich erlebten Ausschlussmechanismen und ihrem Geschlecht allerdings zurückgewiesen. Die in den Interviews berichteten Erlebnisse stünden dabei im Kontrast zu dem festen Glauben an die Geschlechtsneutralität der Hochschule. Die Handreichung stellt die "geschlechtergerechte Hochschulkultur als Zielsetzung" dar, die noch nicht erreicht ist.

Hintergrund der Handreichung ist eine qualitative Befragung von 108 Professorinnen und 25 Professoren mit und ohne Leitungserfahrungen aus allen Hochschultypen sowie mit zwölf Expertinnen und Experten aus der Gleichstellungspolitik und der Wissenschaftsberatung. Bei den geführten Interviews ging es um den Hochschulalltag, informelle Strukturen und Praktiken. 

cpy