Gleichstellung
Mehr Fairness bei Leistungsbezügen
W3-Professorinnen erhielten 2019 im Schnitt 720 Euro weniger als ihre Kollegen, bei W2-Professorinnen waren es 320 Euro und bei W1-Professorinnen 140 Euro. Dies sind die aktuellen und zugleich ernüchternden Zahlen zum Gender-Pay-Gap im bundesdeutschen Vergleich, die der Deutsche Hochschulverband (DHV) kürzlich vorgelegt hat. Zugleich stellt der DHV heraus, dass sich die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern weiter geöffnet hat.
Fortschrittsoptimismus, dass sich die Benachteiligung von Frauen in der Wissenschaft generational lösen wird, ist also nicht angesagt. Vielmehr ist es höchste Zeit, sich mit diesen Entwicklungen zu beschäftigen und Perspektiven für die Reduzierung des Gaps zu entwickeln. Dies belegt eindrücklich die geschlechterbezogene Hochschulforschung zum Gender-Pay-Gap in der Wissenschaft zu den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Wie konnte im öffentlichen Hochschuldienst, in dem Professorinnen und Professoren im Regelfall verbeamtet sind, ein Gender-Pay-Gap überhaupt entstehen? Seit dem Inkrafttreten der W-Besoldung, der grundlegenden Reformierung der Bezahlung der Professorinnen und Professoren und dem damit einhergehenden Auslaufen der
W-Besoldung: "Geburtsstunde" des Gender-Pay-Gaps
C-Besoldung besteht verstärkt die Möglichkeit, individuell zu verhandelnde Leistungsbezüge zu erhalten (zum Beispiel im Zuge von Berufungs- oder Bleibeverhandlungen, bei besonderen Leistungen in der Forschung durch die Einwerbung von Drittmitteln oder als Zulage für Funktionen in der Hochschulleitung). Die Einführung dieser variablen Gehaltsbestandteile war die "Geburtsstunde" des Gender-Pay-Gaps und führte zur direkten Entgeltbenachteiligung von Frauen in der Wissenschaft.
Nicht alle Professorinnen und Professoren erhalten per se Zulagen, sondern sie müssen diese erst für sich aushandeln. Ein zentrales Ergebnis des Gender-Reports über die nordrhein-westfälischen Hochschulen ist, dass Professorinnen seltener als Professoren überhaupt Leistungsbezüge erhalten. Und wenn sie Leitungsbezüge erhalten, fallen diese im Durchschnitt niedriger aus:
- Die höchsten Leistungsbezüge erhalten W3-Professoren mit durchschnittlich 2.266 Euro im Monat, während die Leistungsbezüge von W3-Professorinnen im Durchschnitt bei 1.665 Euro liegen. Damit beträgt der Gender-Pay-Gap in dieser Gruppe 601 Euro.
- An den Fachhochschulen sind die Unterschiede schwächer ausgeprägt. Hier erzielen die W2-Professorinnen zusätzliche Bezüge in Höhe von durchschnittlich 461 Euro, gegenüber 619 Euro bei den Professoren. Damit beläuft sich der monatliche Gender-Pay-Gap in dieser Gruppe auf 158 Euro.
- Am höchsten fällt der Gender-Pay-Gap in der Medizin aus: W3-Professoren tragen hier 931 Euro mehr nach Hause.
Die verhandelbaren leistungsbezogenen Gehaltsbestandteile befördern und verstärken somit geschlechterbezogene Verdienstungleichheiten. Die Hochschulen haben ein Problem, das auch ein "hausgemachtes" ist, denn über die Vergabe von Zulagen entscheidet letztlich die Hochschulleitung. In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern auch innerhalb eines Bundeslandes die Höhe des Gender-Pay-Gaps von Hochschule zu Hochschule durchaus variieren kann. In der nordrhein-westfälischen Studie wird dies durch eine hochschulscharfe Auswertung der Daten sichtbar – die Differenzen zwischen den Hochschulen sind zum Teil beträchtlich. Doch nicht nur zwischen den Hochschulen, sondern auch innerhalb einer Hochschule kann es zu starken Entgeltungleichheiten zwischen den Fakultäten bzw. Fächern kommen.
Der (Markt-)Wert: Geschlecht sticht Fach
Die vielfach angeführte Erklärung, der Gender-Pay-Gap sei vor allem auf eine ungleiche Geschlechterverteilung nach Fächern zurückzuführen, lässt sich auf der Grundlage der statistischen Untersuchungen der NRW-Studie nicht bestätigen. Zwar zeigt die Analyse, dass die Zugehörigkeit zu einem spezifischen Lehr- und Forschungsbereich die Höhe der Leistungsbezüge unter den Professorinnen und Professoren, insbesondere im W3-Amt an den Universitäten, maßgeblich beeinflusst, jedoch profitieren Frauen hiervon weniger.
Exemplarisch wird dies am Vergleich der Lehr- und Forschungsgebiete "Maschinenbau/Verfahrenstechnik" (einem "Männerfach") und der Germanistik (einem "Frauenfach") deutlich: Die W3-Professoren für Maschinenbau/Verfahrenstechnik an den Universitäten erhalten im Durchschnitt 2.930 Euro als zusätzliche Leistungsvergütung, während der Betrag in der Germanistik für einen W3-Professor mit 1.648 Euro niedriger ausfällt. Zugleich erzielen jedoch die W3-Professorinnen in beiden Lehr- und Forschungsbereichen jeweils deutlich geringere Leistungsbezüge. In Maschinenbau/Verfahrenstechnik sind es mit einem Durchschnittswert von 1.777 Euro rund 1.153 Euro weniger im Vergleich zu den Kollegen und in der Germanistik beträgt die Differenz zwischen den W3-Professorinnen und den W3-Professoren 416 Euro.
Das Fach als auch das Geschlecht führt zu einer Auf- oder Abwertung: Die Ingenieurin erhält zwar höhere Leistungsbezüge als ihre Kollegin aus der Germanistik, zugleich fallen aber in beiden Fällen die Zulagen im Vergleich zu den Fachkollegen geringer aus. Die hier wirksam werdenden Mechanismen lassen sich nicht auf die Einführung der Leistungsbesoldung reduzieren. Der Gender-Pay-Gap resultiert aus der Devaluation von "Frauenfächern" sowie der Abwertung der konkret geleisteten Arbeit von Professorinnen, unabhängig von deren jeweiliger Fachzugehörigkeit. Die Entgeltungleichheiten zeigen sich auf vielfältige Weise und sind zum Teil eine Frage des Fachhintergrunds, der Hochschulart, aber immer eine Frage des Geschlechts.
Transparenz herstellen – Entgeltbenachteiligung reduzieren
Der erste Schritt, der einem Tabubruch gleichkommt, ist gemacht: Daten zum Gender-Pay-Gap sind veröffentlicht und damit auch die ungeschriebene Norm "über Geld spricht man nicht" gebrochen worden. Hierdurch haben insbesondere Professorinnen die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Tätigkeiten einen orientierenden Richtwert für Verhandlungen (und auch für Nachverhandlungen) zu nutzen. Zugleich wird es zukünftig vonnöten sein, die Höhe der Gender-Pay-Gaps als neuen Indikator zur Messung von Gleichstellung in der Wissenschaft in der Hochschulstatistik zu verankern. Nur so kann die Entwicklung – auch an jeder einzelnen Hochschule – systematisch erfasst werden.
Die Varianzen auf Hochschulebene machen deutlich, dass ein Ansatzpunkt zur Senkung des "hausgemachten" Gender-Pay-Gaps auch auf Hochschulebene liegt. Darüber hinaus ist es zur Reduzierung des Gender-Pay-Gaps notwendig, die Strukturen der Besoldung von Professuren kritisch zu überprüfen. Dies umfasst eine klare Ausgestaltung des Besoldungsgesetzes und der Richtlinien über die Vergabe von Leistungsbezügen, die Einbeziehung von Gleichstellungsakteurinnen und -akteuren, die Veränderung des Vergabeverfahrens der Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge sowie eine grundsätzliche Diskussion möglicher Reformbedarfe bei der W-Besoldung. Dem ersten Schritt müssen nun weitere folgen – gefordert sind die Hochschulleitungen, die Länderparlamente, die Bundespolitik und auch jede einzelne Professorin.