Teambesprechung
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Ko-Autorenschaft
Wissenschaftler publizieren immer häufiger im Team

Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler veröffentlichen im Team. Das hat viele Vorteile, birgt jedoch auch Konfliktpotential.

Von David Johann, Antonia Velicu, Heiko Rauhut 29.05.2020

Das Arbeiten in Teams bringt einige Vorteile mit sich. In Zusammenarbeit verfasste Publikationen werden häufiger zitiert und rezipiert als Publikationen, die von einzelnen Autorinnen und Autoren verfasst werden. Es kann ein höherer Grad an Spezialisierung in den Disziplinen erreicht und die jeweiligen Expertisen können in Gemeinschaftspublikationen gewinnbringend zusammengeführt werden. Durch Arbeitsteilung lässt sich mehr erreichen als alleine, sowohl betreffend der Anzahl als auch der berichteten Methoden und Daten in den Publikationen. In gemeinsamen Diskussionen können unterschiedliche Aspekte, Facetten und Argumente der verschiedenen Autorinnen und Autoren zusammengebracht und durch die sogenannte Weisheit der Vielen interessantere und durchdachtere Forschungsleistungen erzielt werden.

Gleichzeitig werden jedoch Forscher und Forscherinnen durch das Arbeiten und Publizieren in Teams vor Herausforderungen gestellt. So müssen sie etwa einen Weg finden, wissenschaftliche Kollektivgüter zu produzieren, ohne dass ein Trittbrettfahrerproblem entsteht. Die Autorengruppen müssen für eine nachhaltige Zusammenarbeit möglichst Situationen vermeiden, in denen einzelne einen egoistischen Nutzen aus der Gruppe ziehen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Die Praxis zeigt, dass es nicht immer leicht ist, den Forschungsinput in Form von Ideen, Expertise und Zeit und den Forschungsoutput in Form von Publikationen und den damit verbundenen Reputationsgewinn in Einklang zu bringen.

Ko-Autorenschaft in den meisten Disziplinen typisch

Insbesondere bei interdisziplinären Forschungsprojekten, die an Relevanz gewonnen haben, ist es häufig ein schwieriges Unterfangen, den "Lohn" für die Forschungsarbeit so aufzuteilen, dass es für alle Beteiligten als gerecht empfunden wird. Das kann darauf zurückgeführt werden, dass in verschiedenen Disziplinen unterschiedliche Vorstellungen und soziale Normen vorherrschen, wer als Autorin oder Autor einer Publikation genannt werden sollte und/oder in welcher Reihung die beteiligten Forscher und Forscherinnen zu nennen sind. Solche "Normenkonflikte" und Divergenzen in den Gerechtigkeitsvorstellungen können wiederum zu Auseinandersetzungen führen. Bisweilen wird sogar von Buchprojekten berichtet, die nicht publiziert wurden, da sich die beteiligten Ko-Autorinnen und -Autoren nicht auf die Reihung einigen konnten.

Um mehr über das Publikationsverhalten von Forschern und Forscherinnen und damit einhergehende Probleme und Konflikte zu erfahren, hat das Soziologische Institut der Universität Zürich eine repräsentative Online-Befragung des wissenschaftlich-künstlerischen Personals an Hochschulen und Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt (N=15.972). Im Folgenden werden erste Befunde dieser Studie vorgestellt.

"Interdiszi­plinäre Publikationsprojekte werden insbesondere von erfahreneren Forschern und Forscherinnen vorangetrieben."

Arbeiten Forscher und Forscherinnen bei ihren Publikationen häufiger alleine oder im Team? Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass heutzutage in den meisten Fächern in Teams gearbeitet wird. Ausnahmen bilden die Geistes- und die Rechtswissenschaften. Zwar ist aus bibliometrischen Analysen bekannt, dass auch in diesen Fächern Ko-Autorschaften an Bedeutung gewinnen, dennoch kann konstatiert werden, dass in diesen Disziplinen Alleinautorschaften weiterhin die Regel sind.

Neben Unterschieden zwischen den Disziplinen finden sich auch Unterschiede zwischen Statusgruppen, die sich darin ausdrücken, dass Forschende umso eher im Team arbeiten, je weiter fortgeschritten ihre wissenschaftliche Karriere ist. Während die Unterschiede zwischen den Statusgruppen in den Natur-, Ingenieur- und Lebenswissenschaften besonders markant sind, fallen sie in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kleiner aus. Bei den Geistes- und Rechtswissenschaften finden sich im Hinblick auf das Arbeiten in Teams kaum Unterschiede zwischen Doktoranden, Postdocs und der Professorenschaft.

Forscher und Forscherinnen publizieren vorwiegend mit Kolleginnen und Kollegen aus der eigenen Disziplin. Dennoch sind interdisziplinäre Zusammenarbeiten keine Seltenheit: Immerhin 15 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Ko-Autorinnen und Ko-Autoren üblicherweise aus anderen Disziplinen stammen, und weitere fünf Prozent bekunden, etwa in gleichem Ausmaß mit Kolleginnen und Kollegen sowohl aus der eigenen Disziplin als auch mit solchen aus anderen Disziplinen zu publizieren. Interdiszi­plinäre Publikationsprojekte werden insbesondere von erfahreneren Forschern und Forscherinnen vorangetrieben. Lediglich in der Medizin sowie in der Mathematik zeigt sich ein anderes Bild: Hier publizieren in erster Linie Doktoranden mit Kolleginnen und Kollegen aus fremden Disziplinen.

Mehr Autorschaftskonflikte bei Interdisziplinarität

Einleitend wurde darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit von Forschern und Forscherinnen unterschiedlicher Disziplinen zunehmend wichtig wird, aber auch Potenzial für Konflikte birgt, da in verschiedenen Disziplinen diverse Autorschaftsvorstellungen und -normen vorherrschen. Die Daten der Studie bestätigen diese Annahme. Zum einen ist ersichtlich, dass Autorschaftskonflikte nicht in allen Fächern in gleichem Maße vorkommen: In der Mathematik sind sie beachtlich seltener als in der Physik und der Medizin. Zum anderen wird deutlich, dass mit dem Ausmaß der Interdisziplinarität die Wahrscheinlichkeit für Autorschaftskonflikte ansteigt. Ein entsprechender Zusammenhang findet sich für zahlreiche weitere Disziplinen.

Die Befragung gibt auch Hinweise darauf, dass Autorschaftskonflikte als belastend wahrgenommen werden. Insgesamt geben circa 42 Prozent jener Personen, die in den letzten drei Jahren einen Autorschaftskonflikt erlebt haben, an, dass sie diese Konflikte als eher oder sogar sehr belastend empfunden haben, während lediglich ca. zwölf Prozent eine solche Belastung verneinen. Konflikte werden insbesondere unter Doktoranden als belastend empfunden, Ausnahmen finden sich in den Disziplinen Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Wirtschaftswissenschaften sowie Wärme- und Verfahrenstechnik: Hier nehmen Postdoktoranden die Konflikte als bedrückender wahr.

"Forscher und Forscherinnen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, berichten von größeren Belastungen durch Konflikte."

Die dargelegten Befunde deuten darauf hin, dass mit interdisziplinären wissenschaftlichen Kooperationen Herausforderungen verbunden sind. Eine dieser Herausforderungen ist der Umgang mit Autorschaftskonflikten zwischen den Kooperationspartnerinnen und -partnern. Forscher und Forscherinnen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, berichten von größeren Belastungen durch Konflikte.

Dies könnte auf die Art der Anstellung zurückzuführen sein, denn Doktoranden befinden sich oft in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Mentorinnen und Mentoren. Einen Konflikt auszutragen wäre für sie mit höheren Kosten verbunden: finanzielle Schwierigkeiten, mögliche Reputationsverluste oder auch Verzögerungen bei dem angestrebten akademischen Abschluss.
Die Wissenschaft hat erkannt, dass Autorschaftskonflikten vorgebeugt werden sollte und diskutiert potenzielle Lösungen: Ein Vorschlag zur Vermeidung von Autorschaftskonflikten ist das frühzeitige Verfassen schriftlicher Vereinbarungen, sogenannter "Prenuptials".

Darunter sind Verträge zu verstehen, welche die Rollen der Ko-Autorinnen und -Autoren, deren Arbeitsteilung sowie den Austausch von Daten, Wissen und Ideen festhalten. Vorteil von Prenuptials ist, dass die Zusammenarbeit transparenter wird. Allerdings können durch starre, im Vorfeld vereinbarte Regeln die intrinsische Motivation, Offenheit für Unvorhergesehenes sowie die Kreativität leiden, was erklärt, weshalb viele Forscher und Forscherinnen zögern, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Die Zukunft wird zeigen, ob dieser oder andere Vorschläge helfen werden, Konflikte zu vermeiden.


  • Dr. David Johann ist Leiter der Gruppe Knowledge Management an der Bibliothek der ETH Zürich
  • Dr. Heiko Rauhut ist Professor für Sozialtheorie und quantitative Methoden am Institut
    für Soziologie der Universität Zürich
  • Antonia Velicu ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität
    Zürich