Ein Kind krabbelt mit Hilfe eines Elternteils eine Treppe hoch
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Vereinbarkeit
Wissenschaftliche Karriere und Kinder

Für Eltern ist der Weg zur Professur oftmals mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Auf welche Unterstützungsangebote können sie zurückgreifen?

Von Sascha-Sven Noack 01.02.2020

Nur ungefähr jede vierte Professur ist derzeit von Frauen besetzt. Das Thema der familiären Vereinbarkeit mit einer akademischen Karriere ist aktueller denn je. Der Gesetzgeber hat durch vielfältige Regelungen versucht, Doppelbelastungen, die durch Kinder und Karriere entstehen können, zu kompensieren.

Bereits die Studienordnungen im Studium haben die Regelungen des Mutterschutzgesetzes zu berücksichtigen. Sechs Wochen vor Entbindung dürfen Mütter grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Auf diesen Schutz können sich auch schwangere Studentinnen berufen. Bei der Terminierung von Prüfungsterminen muss dies berücksichtigt werden. Auch die Inanspruchnahme von Elternzeit muss von den jeweiligen Studienordnungen beachtet werden. Studentinnen mit Kindern müssen sich ansonsten nach den allgemeinen Regelungen des Studiums richten. Teilzeitregelungen in Studienordnungen gibt es kaum.

In der wissenschaftlichen Qualifikationsphase wirken sich Schwangerschaft und Kinder in vielerlei Hinsicht aus. Unabhängig davon, ob die Promovendin angestellt oder verbeamtet ist, hat sie einen Anspruch auf Beachtung der Mutterschutzregelungen des Mutterschutzgesetzes. Die Bundesländer haben dafür spezielle Mutterschutz- beziehungsweise Freistellungsverordnungen erlassen. In den letzten sechs Wochen vor Geburt dürfen werdende Mütter grundsätzlich nicht beschäftigt werden; es sei denn, diese erklären sich ausdrücklich einverstanden mit der Weiterarbeit. Im Zeitraum von acht Wochen nach der Geburt – bei Mehrlingsgeburten sogar länger – gilt grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot. Auch ist eine Beschäftigung verboten, wenn nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit der Mutter gefährdet werden können. Sind werdende Mütter gesundheitsgefährdeten Stoffen, Strahlen, Dämpfen oder Gasen ausgesetzt, gilt gleichfalls ein Beschäftigungsverbot. Dies kann insbesondere für Naturwissenschaftlerinnen und Ärztinnen Bedeutung erlangen.

Darüber hinaus bestehen auch Ansprüche auf Elternzeit und Elterngeld. Diesbezüglich sind die Normen des Beamten- und des Arbeitsrechts weitestgehend kongruent. Einen Anspruch auf Elterngeld hat grundsätzlich, wer einen Wohnsitz beziehungsweise seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Denkbar sind Elternteilzeitmodelle, die auch noch Anspruch auf Elterngeld ermöglichen. Das Elterngeld beträgt 300 bis 1.800 Euro monatlich und ist abhängig vom letzten Verdienst. 300 Euro beträgt das Basis- beziehungsweise Mindestelterngeld, auf das Anspruch besteht, auch wenn zuvor kein Erwerbseinkommen vorhanden war. Elterngeld kann bis zu 14 Monaten gezahlt werden. Elternzeit können Väter und Mütter bis zu drei Jahre pro Kind nehmen. Die Elternzeit endet spätestens am Tag vor dem 8. Geburtstag des Kindes. Ab dem 3. Geburtstag können höchsten 24 Monate Elternzeit genommen werden, bei Geburten vor dem 1. Juli 2015 nur 12 Monate. Elternzeit ist auch für einzelne Monate, Wochen oder sogar Tage möglich. Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ist möglich und darf nur abgelehnt werden, wenn dringende dienstliche Gründe entgegenstehen.

Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses

Um die Zeiten des Mutterschutzes und einer Elternzeit werden die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse regelmäßig verlängert. Dies gilt auch für Teilzeitmodelle. Beantragt also jemand ein Jahr Elternteilzeit in Höhe von 50 Prozent, dann wird das Basisverhältnis regelmäßig um ein halbes Jahr verlängert. Die Verlängerung ist zu gewähren, wenn der Dienstherr beziehungsweise der Arbeitgeber nicht dienstliche Gründe geltend machen kann, die der Verlängerung entgegenstehen. Findet das Wissenschaftszeitvertragsgesetz Anwendung, dann ist die Verlängerung grundsätzlich vom Einverständnis der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters abhängig. Im Rahmen einer Drittmittelbefristung besteht dieser Anspruch jedoch nicht.

Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob es die Möglichkeit einer sog. "familienpolitischen Komponente" gibt. Kurz gesprochen bedeutet dies: Unabhängig von den Verlängerungszeiten um Mutterschutz- und Elternzeiten können bestimmte befristete Qualifikationsstellen pauschal verlängert werden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz normiert bspw., dass sich die Gesamtbefristungshöchstdauer für eine Beschäftigung an einer deutschen Hochschule oder Forschungseinrichtung um zwei Jahre pro Kind verlängert. Der Begriff des Kindes umfasst dabei mehr als die leiblichen Kinder.

Die Norm findet auch Anwendung bei Stief- und Pflegekindern. Es geht um eine rechtlich verfestigte Familienbeziehung. Ausgehend von der regelmäßigen Befristungsdauer von 12 Jahren (sechs Jahre während der Promotion und sechs Jahre nach der Promotion) wären dann 14 Jahre bei einem Kind möglich. Diese Regelung gilt für Mütter und Väter gleichermaßen. Sie findet auch Anwendung, wenn beide Elternteile Wissenschaftler sind. Dann würden sich beide Höchstbefristungsdauern verlängern. Bekommt eine Nachwuchswissenschaftlerin Zwillinge, erhöht sich die Höchstbefristungsdauer direkt um vier Jahre. Die familienpolitische Komponente eröffnet eine Verlängerungsoption für die Vertragsparteien. Eine automatische Vertragsverlängerung erfolgt nicht, vielmehr ist das Einverständnis beider Vertragsparteien notwendig. Die familienpolitische Komponente findet keine Anwendung, wenn es sich um einen laufenden Drittmittelvertrag nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz handelt.

Außerhalb des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, also insbesondere für verbeamtetes wissenschaftliches Qualifikationspersonal (Akademische Räte, Juniorprofessoren) gibt es diese familienpolitische Komponente in dieser Form nicht. Es gibt aber vereinzelt zumindest Regelungen, die gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Eine Verlängerung um ein Jahr pro Kind ist bspw. in Hamburg möglich, jedoch begrenzt auf eine Höchstverlängerungsdauer von zwei Jahren. Im Hochschulgesetz des Landes Rheinland-Pfalz bedeutet die familienpolitische Komponente eine pauschale Verlängerungsmöglichkeit von zwei Jahren pro Kind bei verbeamteten Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren sowie wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die vom Bund und den Ländern abgeschlossene "Verwaltungsvereinbarung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses" verpflichtet die restlichen Länder, in Zukunft auch familienpolitische Komponenten bei Tenure-Track Professuren zu normieren.

Kindererziehungszeiten können schließlich unter Umständen noch zu Privilegierungen bei der Verbeamtung führen. Überwiegend normieren die entsprechende Regelungen bestimmte Altershöchstgrenzen  für die Verbeamtung. Diese erhöhen sich regelmäßig um bestimmte Betreuungs- beziehungsweise Erziehungszeiten. Die Regelungen in den einzelnen Bundesländern sind dabei jedoch höchst unterschiedlich ausgestaltet. Beispielsweise kann sich die Regelaltersgrenze in Nordrhein-Westfalen, Vollendung des 50. Lebensjahres, bei Kinderbetreuungszeiten um bis zu sechs Jahren erhöhen. Die Regelaltersgrenze Vollendung des 47. Lebensjahres erhöht sich in Baden-Württemberg um zwei Jahre pro betreutes Kind. In Thüringen gibt es dagegen keine vergleichbaren Regelungen. Dafür liegt jedoch die Regelaltersgrenze bei Vollendung des 52. Lebensjahres.

Akademischer und privater ­Lebenslauf

Eine verhältnismäßig neue Fragestellung ist die Berücksichtigung von Kindern im Bewerbungsverfahren um Professuren oder bei wissenschaftlichen Antragstellungen. In diesem Zusammenhang fällt oft das Wort des "akademischen Alters". Der Parlamentsgesetzgeber hat sich mit diesem Phänomen noch nicht beschäftigt. Im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung wird aber bereits schon heute akademischer und privater Lebenslauf in Relation gesetzt, um Publikationen oder Drittmitteleinwerbungen der jeweiligen Kandidaten vergleichen zu können.

Aktualisierte Fassung (Stand: 1.2.20), Beitrag erschienen in Forschung & Lehre 10/17