Symbolbild Redefreiheit USA: Frau mit zugeklebtem Mund vor US-Fahne.
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US-Amerikanische Hochschulen
Zensieren sich Studierende an US-Hochschulen selbst?

Eine Umfrage hat gezeigt, dass Studierende an US-Hochschulen sich nicht immer frei äußern. Befragte beider politischer Lager sorgen sich um ihren Ruf.

20.09.2022

Zahlreiche Studierende fühlen sich in ihrer freien Meinungsäußerung an US-amerikanischen Hochschulen eingeschränkt. Dies besagt ein Ranking, das die gemeinnützige Organisation "Foundation for Individual Rights and Expression" (Fire) am 8. September veröffentlicht hat. Das Ranking hat die Möglichkeiten zur freien Rede auf mehr als 200 amerikanischen Campus analysiert.

Das Ergebnis der Umfrage unter knapp 45.000 Studierenden besagt, dass es sowohl Studierenden, die sich der politisch Rechten zuordnen, als auch solchen, die der politisch Linken angehören, etwas oder sehr unangenehm war, sich in Univeranstaltungen oder auf ihrem jeweiligen Campus zu kontroversen Themen zu äußern. 22 Prozent der Befragten gaben daher an, dass sie sich häufig selbst zensierten. Allerdings gelte dies für politisch konservative Studierende in deutlicherer Ausprägung: 42 Prozent gegenüber 13 Prozent liberaler Studierender antworteten, dass es ihnen oft unangenehm sei, ihre Meinung kundzutun.

Mehr als die Hälfte der Studierenden sorgt sich um ihren Ruf

Die Organisation teilte mit, dass 63 Prozent der Studierenden fürchteten, dass ihr Ruf Schaden nehmen würde, wenn sie ihre Meinung äußerten, auch weil sie missverstanden werden könnten. In der Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden gaben 37 Prozent an, dass sie es akzeptabel fänden, andere Studierende durch Blockaden an der Teilnahme am Vortrag eines unliebsamen Sprechers zu hindern. 62 Prozent antworteten, dass das Niederschreien eines Vortragenden auch eine gangbare Möglichkeit sei, um diesen zu sabotieren.

Die Studierenden sollten in der Umfrage etwa angeben, wie wohl sie sich dabei fühlten, auf ihrem Campus Ansichten zu kontroversen Themen zu vertreten. Sie sollten jeweils die Toleranz für liberale und konservative Aussagen bewerten und angeben, inwieweit die Teilnahme an verschiedenen Protestformen akzeptiert oder nicht akzeptiert sei. Zusammen mit weiteren Wertungen haben die Ranking-Organisatoren einen Punktestand für die jeweilige Institution ermittelt.

Hatte eine Hochschule einen "Speech Code", also eine offizielle Sprachregelung etwa zur Beschreibung der "Political Correctness", wurde dieser im Ranking als negative Einschränkung der freien Rede berücksichtigt. Verfügte eine Hochschule über eine einzige Regelung dieser Art, bekam sie bereits eine negative, rote Wertung. Gelbe Wertungen seien für Hochschulen gedacht, deren Regelungen in ihrer vagen Formulierung dazu gebraucht werden könnten, die Redefreiheit einzuschränken, so "Fire". Mit diesen Einordnungen dürften vor allem liberale Hochschulen im Ranking abgewertet worden sein.

Bestplatzierte Hochschulen und Schlusslichter

Die bestplatzierten Hochschulen im diesjährigen Ranking waren die University of Chicago mit 77,9 von 100 erreichbaren Wertungspunkten, die Kansas State University (76,2 Punkte) und die Purdue University (75,8 Punkte). Die drei letztplatzierten Hochschulen waren das Rensselaer Polytechnic Institute (18,6 Punkte), die University of Pennsylvania (14,3 Punkte) und die Columbia University (9,9 Punkte). Das Ranking gibt auch an, wie sich die Studierendenschaft auf das konservative und liberale Lager aufteilt. Dabei fällt auf, dass gerade die beiden letztplatzierten Hochschulen deutlich mehr liberal eingestellte Studierende besuchen als konservative. An der University of Pennsylvania stehen einem konservativen Studierenden sechs liberale gegenüber, an der Columbia University sind es sogar sieben liberale pro einem konservativen Studierenden.

33 Prozent aller teilnehmenden Studierenden beschrieben sich als Anhänger der Demokraten, 21 Prozent als politisch unabhängig mit Neigung zu den Demokraten, neun Prozent gaben an unabhängig mit einer Tendenz zur republikanischen Partei und weitere zwölf Prozent eindeutige Anhänger dieser zu sein. Die restlichen Studierenden ordneten sich anderen Parteien zu oder beschrieben sich als unabhängig ohne Nähe zu einer Partei.

Für das Ranking wurden die Studierenden mit einer App und einem Web-Portal zwischen Mitte Januar und Ende Mai 2022 befragt. Es ist das dritte jährliche Ranking dieser Art. "Fire" ist eine nach eigenen Angaben unparteiische Non-Profit-Organisation, die die individuellen Rechte aller Amerikaner zur freien Meinungsäußerung verteidigt. Die liberale Beobachterorganisation "Center for Media and Democracy" in Madison, Wisconsin, nennt "Fire" auf ihrer Webseite "Sourcewatch" hingegen eine konservative Organisation mit der Absicht, liberale Tendenzen in der Wissenschaft zu beenden.

cpy