Illustration von Menschen, die auf einer Waage stehen
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Geschlechterparität
Immer noch zu wenig Frauen im Wissenschaftssystem weltweit

Im In- und Ausland sind Hochschulen nach wie vor weit entfernt von Geschlechter-Parität – vor allen Dingen in Spitzenpositionen.

16.11.2023

Forscherinnen sind nach wie vor unterrepräsentiert in der Wissenschaft – das zeigen Berichte aus unterschiedlichen Kontexten. Das Fachmagazin "Nature" berichtet, dass bei 35 Prozent der MINT-Konferenzen in Indien ausschließlich Männer zu Wort kamen. In den vergangenen drei Jahren gab es dabei keine einzige Rednerin.

Gleichzeitig wurden die "Highly Cited Researchers" (HCR) 2023 weltweit bekannt gegeben. In Deutschland sind davon nur elf Prozent Forscherinnen. Das deckt sich mit dem diesjährigen Bericht der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), der die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen von allen Beteiligten unterstreicht, um Geschlechterparität an Hochschulen zu erreichen und qualifizierte Frauen langfristig in der Wissenschaft zu halten, laut einer Pressemitteilung der GWK.  

Die 27. Datenvorschreibung zum Thema "Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen"  der GWK für den Zeitraum 2020/2021 zeigt, dass der Anteil von Wissenschaftlerinnen an Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen zwar graduell (ein bis zehn Prozent) gestiegen sei, aber Forscherinnen in Spitzenpositionen nach wie vor unterrepräsentiert seien.

Der Professorinnen-Anteil sinkt mit steigender Vergütung. Bei W1-Professuren sind 48 Prozent weiblich, es herrscht also Quasi-Parität. Der Anteil von W2- und W3-Professorinnen liegt allerdings nur bei 28 beziehungsweise 23 Prozent. Dieses oft als "Leaky Pipeline" bezeichnete Phänomen, führe dazu, dass erstklassiges weibliches Potenzial für das deutsche Wissenschafts- und Innovationssystem verloren gehe.

Das zeigt sich auch bei den diesjährig bekanntgegebenen "Highly Cited Researchers" (HCR). Insgesamt wurden 6849 von mehr als 1300 Universitäten, Forschungsinstituten und kommerziellen Organisationen in 67 Ländern und Regionen ermittelt. Die meisten kommen aus den USA (2669), gefolgt von der Volksrepublik China (1275) und Großbritannien. Deutschland liegt mit 336 meistzitierten Forschenden dahinter auf Platz vier. Wobei es lediglich 38 Forscherinnen sind, also gerade mal elf Prozent Frauen. Grundlage der Auswertung sind hochrangige wissenschaftliche Publikationen aus der letzten Dekade, die den Einfluss der Forscher und Forscherinnen belegen. 

Weltweit zu wenig Anstrengungen um Forscherinnen 

Auch im Ausland ist die Situation für Forscherinnen ähnlich schlecht. Beispielsweise in Indien. Dort sind Frauen bei den Naturwissenschaften mit einem Anteil von durchschnittlich 16,7 Prozent unterrepräsentiert. Das fanden die Wissenschaftlerinnen Dr. Shruti Muralidhar und Dr. Vaishnavi Ananthanarayanan heraus, als sie die auf den Webseiten von knapp hundert indischen Hochschulen zugänglichen Daten zwischen Juni 2020 und Dezember 2021 verglichen. In der Biologie forschen mit 22,5 Prozent noch am meisten Frauen, wohingegen es bei Maschinenbau mit etwas mehr als acht Prozent am wenigsten sind. "Ich wusste, dass es schlimm ist, aber nicht, dass es so schlimm ist", sagte Muralidhar, die als Neurowissenschaftlerin im kanadischen Toronto forscht gegenüber dem wissenschaftlichen Fachmagazin "Nature". 

"Dass so wenig Frauen an naturwissenschaftlichen Fakultäten vertreten sind, liegt nicht daran, dass sie sich nicht dafür interessieren", sagt Ananthanarayanan, Biologin an der australischen Universität of South Wales in Sydney. Laut einem Bericht der Indian Academy of Science waren 2000 bis 2001 fast vierzig Prozent der Einschreibungen an naturwissenschaftlichen Fakultäten Frauen. Ananthanarayanan glaubt, der Hauptgrund dafür, dass Forscherinnen keine Karrieren machen, ist der gesellschaftliche Druck Familien zu gründen. "Wir müssen ständig für alles, was wir wollen kämpfen", sagt die Forscherin und es gäbe wenige weibliche Gleichgesinnte, welche Forscherinnen wie Ananthanarayanan, bei ihrem Werdegang unterstützen. 

Im Juni 2020 hat sie gemeinsam mit der Forscherin Muralidhar "BiasWatchIndia" ins Leben gerufen. Mit dem Ziel: die Unterrepräsentation von Frauen auf Konferenzen in Indien zu dokumentieren und Bewusstsein dafür zu schaffen. Über die Hälfte der Veranstaltung hatten ein gutes Jahr später weniger Rednerinnen als von den Zahlen der Fakultäten anzunehmen war. In den vergangenen zwei Jahren hatte sich der Anteil von Forscherinnen in einigen Bereichen verbessert, in anderen verschlechtert. Bei Mathematik sank die Anzahl der Konferenzen ohne Rednerinnen von achtzig in 2021 auf 25 Prozent in diesem Jahr. Wohingegen bei Chemie vor zwei Jahren noch fast die Hälfe der Konferenzen keine Forscherinnen aufwies, es in diesem Jahr jedoch über achtzig Prozent waren. Nicht überraschend für indische Forscherinnen, die selbst oft die Erfahrung machen, dass die Hochschulen es ihnen erschweren an Konferenzen teilzunehmen und die Veranstalter sich nicht genug um sie bemühen.

kfi