Lasergirl steht am rechten vorderen Bildrand, im Hintergrund der überwundene Killerkeim (Szene aus dem Comic "Lasergirl").
Leibniz-IPHT / sandruschka

Lasergirl
Vom Labor in den Comic

Wenn Forschende zu Comichelden werden, erreichen ihre Ergebnisse unterschiedliche Zielgruppen. Ein Gespräch über kreative Wissenschaftskommunikation.

Von Charlotte Pardey 22.10.2021

Forschung & Lehre: Herr Professor Popp, das Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) betreibt innovative und kreative Wissenschaftskommunikation, wie auch der neue Comic Lasergirl. Jagd auf den Killerkeim zeigt, den Sie gerade veröffentlicht haben. Wie kam es dazu?

Portraitfoto von Professor Jürgen Popp
Prof. Dr. Jürgen Popp ist Vorsitzender und Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT). Leibnitz-IPHT / Sven Döring

Jürgen Popp: Ich finde, wenn öffentliche Gelder verwendet und Themen von gesellschaftlichem Interesse erforscht werden, sollte man sich auch die Mühe machen, diese Forschung in die Gesellschaft einzubringen, mit einer Sprache, die allgemein verständlich ist. Am Leibniz-IPHT war es mir eine Herzensangelegenheit nach der Gründung, die Öffentlichkeitsarbeit und das Forschungsmarketing zu organisieren. Inzwischen erkennen die meisten anderen Forschungsinstitutionen auch an, dass Wissenschaftskommunikation wichtig ist, um eine Marke aus der eigenen Institution zu machen. Wir waren da Vorreiter und gehen auch weiterhin neue Wege, wie man an Lasergirl sehen kann. Mit dem Comic versuchen wir, wissenschaftliche Ergebnisse so aufzubereiten, dass es auch Außenstehenden und jungen Menschen Spaß macht, sie nachzuvollziehen und einen Einblick zu erhalten, was Wissenschaft Tolles leistet.

F&L: Herr Siegesmund und Frau Meier-Ewert, Sie setzen als Leiter und Redakteurin die Öffentlichkeitsarbeit und das Forschungsmarketing des IPHT um. Warum sollten Forschungsergebnisse kreativ kommuniziert werden?

Daniel Siegesmund: Bei der Wissenschaftskommunikation ergeben sich vielfältige Zielgruppen. Um in Abhängigkeit von der Botschaft auch das richtige Format zu finden, ist eine gewisse Kreativität bei der Wahl der richtigen Mittel notwendig.

Portraitfoto von Daniel Siegesmund
Daniel Siegesmund ist Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Forschungsmarketing am Leibniz-IPHT. Er hat den Lasergirl-Comic mit Lavinia Meier-Ewert geschrieben. Leibnitz-IPHT / Sven Döring

Lavinia Meier-Ewert: Man braucht kreative Wege, wenn man nicht nur die Ergebnisse vermitteln will, sondern auch, wie diese zustande kamen. Wenn ich den Prozess sichtbar mache, wie Forschung funktioniert, dann fasziniere ich Menschen. Junge Menschen können dafür begeistert werden, wie toll es wäre, selber zu forschen und der breiten Gesellschaft kann deutlich gemacht werden, was die Forschungsthemen für sie bedeuten.

Daniel Siegesmund: Dafür ist eine klassische Pressemitteilung nicht immer die erste Wahl. Es steht ja auch eine viel größere Medienvielfalt zur Auswahl. Onlineformate gewinnen an Bedeutung, speziell die sozialen Medien. Um dort Gehör zu finden, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen.

F&L: Mit Lasergirl. Jagd auf den Killerkeim bleiben Sie bei einer textbasierten Form der Vermittlung. Warum ist es dennoch innovativ?

Lavinia Meier-Ewert: Das Medium Comic kombiniert Text und Bild und eröffnet so ganz andere Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen. Wissenschaftliche Themen können mit Storytelling-Elementen verknüpft werden. Ein Comic bietet außerdem verschiedene Einstiegsebenen und kann unterschiedliche Level an Komplexität transportieren. Selbst fünf- bis siebenjährige Kinder verfolgen schon ganz begeistert Geschichten von Gut gegen Böse. Bei uns kämpft eine Heldin gegen ein böses Monster. Je nachdem, wieviel Komplexität man aufnehmen kann, kann man immer noch mehr erfahren, bis hin zu der Funktionsweise von spektroskopischen Verfahren.

Portraitfoto von Lavinia Meier-Ewert
Lavinia Meier-Ewert war Redakteurin am Leibniz-IPHT. Seit Mitte Oktober 2021 ist sie Referentin für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Leibnitz-IPHT / Sven Döring

F&L: Wie kam es zu der Veröffentlichung von Lasergirl?

Lavinia Meier-Ewert: Zuerst war da der Ralf-Dahrendorf-Preis des Bundesforschungsministeriums. Der Preis ist mit dem Auftrag verbunden, die gewonnenen Forschungsergebnisse mit der Gesellschaft zu teilen. Wir haben uns mit einem Forschungsprojekt beworben, bei dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-IPHT mit Kolleginnen und Kollegen sowohl vom Uniklinikum Jena, als auch aus Griechenland, Dänemark, Frankreich, Italien zusammengearbeitet hatten, um Blutvergiftungen mit Hilfe von Laserlicht schnell zu erkennen. Die Idee, daraus einen Comic zu machen, haben wir in die Bewerbung eingebunden und mit diesem Kommunikationskonzept den Preis dann auch gewonnen.

F&L: Wie haben Sie als Direktor des Leibniz-IPHT auf den Vorschlag, einen Comic zu schreiben, reagiert? Und wie fanden das die anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut?

Jürgen Popp: Ich bin sehr begeisterungsfähig, daher hat es da nicht viel gebraucht, mich zu überzeugen. Uns Forschenden war allerdings sehr wichtig, dass die Dinge so dargestellt werden, dass sie auch von wissenschaftlicher Seite nachvollziehbar sind und der Wirklichkeit in gewisser Weise entsprechen. Insgesamt denke ich, waren alle sehr begeistert, sonst würden wir auch die gezeichneten die Konterfeis von beispielsweise Professor Michael Bauer, Professorin Ute Neugebauer, Dr. Anuradha Ramoji und mir nicht im Comic wiederfinden.

Lavinia Meier-Ewert: Die Reaktionen waren allgemein sehr positiv. Was wir im Gespräch mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt haben, war die konkrete bildliche Darstellung der Forschung. Teilweise mussten wir mit unserer Illustratorin sandruschka (Sandra Bach) an den konkreten Bildvorschlägen arbeiten, bis die Forschenden auch zufrieden waren. Es ist in der Wissenschaftskommunikation immer ein wechselseitiger Prozess des Nachfragens und Nachjustierens. Alle Teilnehmenden konnten ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen. Wir als Autorenteam wollten beispielsweise für den Lauf der Geschichte, dass die Superheldin einen einzelnen Gegenspieler hat. Die Forscherinnen und Forscher haben widersprochen und erläutert, dass es eigentlich nicht den einen Superkeim gebe, sondern es viele Millionen Keime seien, also Keime, die sich ständig weiter teilen und dadurch immer mehr werden. Von der Illustratorin kam der Vorschlag, dass sie den Gegenspieler so zeichnen könne, dass er aussieht, als bestehe er aus vielen kleinen Killerkeimen: mit zahlreichen Augen und Tentakeln. So wurde es dann gemacht.

F&L: Eine Herausforderung von kreativer Wissenschaftskommunikation scheint die Frage nach der wissenschaftlichen Genauigkeit zu sein. Wie vermittelt man Forschungsergebnisse, ohne wichtige Details komplett zu vernachlässigen und die Ergebnisse abzuflachen?

Daniel Siegesmund: Es ist ein wichtiger Trend in der Wissenschaftskommunikation, zunehmend Profis ans Werk zu lassen, ausgebildete Journalistinnen und Journalisten beziehungsweise PR-Referentinnen und -Referenten. Ich sehe unsere Aufgabe darin, ein Bindeglied herzustellen zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und der Gesellschaft.

Lavinia Meier-Ewert: Bei der Erstellung des Comics haben wir immer wieder im Dialog mit den Forschenden geklärt, ob man etwas auch innerhalb der wissenschaftlichen Community in einer bestimmten Form darstellen kann. Wir wollten, dass alles, was in der Geschichte funktioniert, auch wissenschaftlich stimmt.

Daniel Siegesmund: Es gibt durch die Übersetzung in die Bildsprache natürlich ein paar Übertreibungen: Unsere Heldin Lasergirl reist mit einem nanometergroßen Raumschiff in den Körper. Das ist vielleicht auch eine kleine Hommage an diverse Science-Fiction-Filme, die inzwischen 40 oder 50 Jahre alt sind.

Jürgen Popp: Genau an dieser Stelle steckt viel Fiktion drin. Es ist aber für die Logik der Geschichte notwendig, dass Lasergirl diese Reise in das Innere des Körpers macht und sich anguckt, was passiert, dass sie diesen Sprung von der realen Welt außen in die fiktive Innenwelt schafft. Wir machen ja eigentlich eine Laserspektroskopie, also eine lichtbasierte Analysemethode. Das zu übertragen auf Lasergirl, aus deren Auge ein Laserstrahl kommt, entspringt natürlich der Fantasie. Aber wir haben damit eine gute Abstraktionsebene gefunden: Lasergirl bestrahlt etwas mit Laserlicht. Das, was zurückkommt, wird mit den Methoden künstlicher Intelligenz analysiert und nicht etwa von ihr selbst. Außerdem gibt es einen Erklärteil im Comic, der noch einmal klar macht, wer welche Rolle hat und wie alles mit der Wirklichkeit zusammenpasst.

F&L: Sie bieten mit dem Comic auch einen Blick hinter die Entwicklung von Innovationen. Was ist dabei die konkrete Absicht?

Jürgen Popp: Wir entwickeln am Leibniz-IPHT Technologien, die es im Einsatz in der Klinik noch nicht gibt und die die Diagnostik sehr stark verändern könnten. Wir haben natürlich noch kein Produkt, möchten aber die Gesellschaft auch über die potentiellen Möglichkeiten informieren, die wir erforschen. Es geht darum zu zeigen, dass tolle Technologien entwickelt werden, die es wert sind, in marktfähige Produkte überführt zu werden. Auch in diese Überführung und ihre Schwierigkeiten bieten wir Einblicke.

F&L: Inwiefern ist der Comic Teil eines größeren Kommunikationsprojekts?

Daniel Siegesmund: Wenn es nach uns geht, ist der Comic nur der erste Teil einer Serie. Schon bei der ersten Idee hatten wir den Gedanken im Hinterkopf, dass Lasergirl auch in vielen anderen Bereichen Abenteuer erleben könnte, wo Licht eine Rolle spielt. Wir sind natürlich ein Institut und kein Comicbuchverlag und müssen auch finanziell die Verhältnismäßigkeit wahren. Aber die Reaktionen auf Lasergirl stimmen uns positiv, dass es uns vielleicht gelingt, für weitere Abenteuer Unterstützer zu gewinnen. Jetzt geht es uns erstmal darum, mit der zweiten Druckauflage an Schulen heranzutreten und Klassensätze zur Verfügung zu stellen. Auch dafür sind wir mit Förderern und Unterstützern im Gespräch, damit es uns gelingt, eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen.

Coverbild des Comics "Lasergirl. Jagd auf den Killerkeim"
Titelbild des Comics "Lasergirl. Die Jagd auf den Killerkeim". Leibniz-IPHT / sandruschka

F&L: Welche Rückmeldungen haben Sie auf den Comic erhalten?

Lavinia Meier-Ewert: Wir haben sehr positives Feedback bekommen. Viele Lehrerinnen und Lehrer begeistern sich für das Thema: von der Grundschullehrerin, die den Comic im Heimat- und Sachkundeunterricht benutzen möchte, über Lehrende in der Berufsbildung bis hin zur Technischen Hochschule, wo jemand den Comic mit seinen Studierenden durchsprechen möchte. Das zeigt uns, dass es einen Bedarf gibt an Medien, die Forschung auf eine unterhaltsame und unkonventionelle Art zu vermitteln.

Daniel Siegesmund: Unser Konzept scheint aufzugehen: Egal von welcher Seite, kommt bisher durchweg positives Feedback, selbst von zunächst skeptischen Kollegen, die uns davon berichten, dass sie den Comic ihren begeisterten Kindern mitgebracht haben.

F&L: Wo kann man den Comic lesen?

Daniel Siegesmund: Zunächst kann man die Geschichte von Lasergirl auf unserer Webseite lasergirl.de lesen. Außerdem ist er auf allen gängigen E-Book-Plattformen erhältlich. Lehrende können Klassensätze des gedruckten Comics für ihre Schülerinnen und Schüler oder Studierenden bestellen.

Lavinia Meier-Ewert: Wir sind gerade mit dem Comic auf der Frankfurter Buchmesse, wo man die gedruckte Version am Bereich des Leibniz-IPHT am Thüringer Gemeinschaftsstand erhalten kann. Am Samstag, den 23. Oktober, veranstalten wir auf der Buchmesse einen Workshop, bei dem Kinder und Jugendliche mit unserer Illustratorin sandruschka lernen, wie sie eigene Superheldinnen und Superhelden zeichnen können. Außerdem findet eine Lesung aus dem Comic statt und eine Signierstunde.

F&L: Was würden Sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern empfehlen, die Ihre Forschungsergebnisse gerne kreativer kommunizieren würden?

Jürgen Popp: Wir arbeiten am Leibniz-IPHT auf Augenhöhe zusammen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nicht nur diejenigen, die etwas abliefern. Und die Mitarbeitenden für Öffentlichkeitsarbeit sind auch nicht nur diejenigen, die etwas annehmen und verarbeiten. Keine Seite hat das Primat. Das ist wichtig für gute Zusammenarbeit.

Lavinia Meier-Ewert: Die Kommunikation sollte von Anfang an mitgedacht werden und nicht erst, wenn ein Paper fertig ist. Forschende sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Öffentlichkeitsabteilungen möglichst frühzeitig ansprechen. Gerade im Gespräch mit Fachfremden kommt man am besten darauf, was erzählenswert oder spannend ist, wo die Nachricht steckt oder wie man von seinen Methoden erzählt. Ich glaube aber auch, dass heutige Doktorandinnen und Doktoranden schon sehr viel gelernt haben und sehr zielgruppenorientiert kommunizieren.
Daniel Siegesmund: Genau, es wächst eine neue Generation an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern heran, die damit aufgewachsen sind, dass man seine Forschung in 280 Zeichen bei Twitter kommunizieren können muss, man eloquent auftreten und allgemeinverständlich präsentieren kann. Es ist ein Trugschluss, dass Wissenschaft umso wichtiger ist, je komplizierter sie klingt.