grafische Darstellung von Investititon und Innovationsoutput: Dollarzeichen und eine Glühbirne
mauritius images / Warakorn Harnprasop / Alamy

Standpunkt
Was nützt das Nützlichkeits-Prinzip?

Hochschulen sollen ihren Investitionen gerecht werden. Aber ist der starre Blick auf die Anwendbarkeit von Forschung produktiv?

Von Christoph Paret 12.02.2021

Immer wieder hört man, an den Universitäten habe das Nützlichkeits-Prinzip die Regentschaft übernommen. Bevor man darüber klagt, sollte man sich wundern, dass eine derartige Regentschaft überhaupt möglich sein soll. Wie kann man wissen, welches aktuelle Forschungsprojekt in Zukunft geglückt und dann auch noch nützlich gewesen sein wird? Und wer wollte ausschließen, dass Universitäten gesellschaftliche Nachfrage nicht nur bedienen, sondern sogar schaffen können? Man denke an diverse Lebensformen und Erfindungen, mit denen die Universität in der Vergangenheit die Gesellschaft überraschte. Sie waren nützlich, ohne dass irgendjemand mit ihnen "gerechnet" hätte.

So wenig wir wissen, was künftig nützlich gewesen sein wird, so sehr wissen wir doch mittlerweile, wie die zuverlässigste Methode aussieht, Nützlichkeit zu verspielen: sie direkt anzuvisieren. Zwei Beispiele: Klimatologen legen nahe, dass wir unsere komplette Lebensweise umstellen müssen. Nun gab es einmal einen Rahmen, wo man unterschiedliche Lebensformen ausprobierte, und dies auf bescheidener materieller Basis: das Studentenleben. Ein derartiges Experimentierfeld, anti-konsumistisch und hedonistisch zugleich, wäre in der momentanen Situation nützlich. Warum gibt es dergleichen nicht? Weil Studieren "nützlich" werden sollte. Mehr Prüfungen und Pflichtveranstaltungen, Reduzierung der Studiendauer, Verschulung, "Praxisrelevanz": So bindet man Studenten an eine Gegenwart, welche sie ansonsten vielleicht verwandelt hätten.

Analoges geschieht auf dem Feld der Forschung, wenn man in Form von Drittmitteln die Zuwendung finanzieller Mittel daran knüpft, Gutachter und Kommissionen zu überzeugen. Je gewissenhafter diese Kontrolleure arbeiten, desto eher blockieren sie jene wissenschaftliche Fruchtbarkeit, die sie eigentlich gewährleisten sollten. Sie kommen nämlich nicht umhin, Evaluationskriterien anzuwenden, welche im Zuge eines wissenschaftlichen Durchbruchs über den Haufen geworfen würden.

Ich habe nichts dagegen, dass Universitäten gesellschaftlich nützlich sind. Doch für Nützlichkeit sorgt man am besten dadurch, dass man sich nicht um Nützlichkeit sorgt.

Die Universität vor Bologna war eine "gierige Institution", insofern sie ihre Mitglieder von der Gesellschaft abschottete. Zugleich ließ sie ihre Mitglieder – im Unterschied zu Kirche, Schule, Militär – weitestgehend unbehelligt. Dies zeugte weniger von romantischer Weltfremdheit, als dass es Pragmatismus bewies. Die Universität konnte eine Art Brutkasten aufkeimender Gedanken und Lebensentwürfe sein, weil gegenwärtige Anforderungen heruntergedimmt waren. Die heutige Universität dagegen verhindert geschäftig das Heraufdämmern jenes Morgens, an den sie uns vorgeblich anzupassen hilft.