Automatische Probenbereitsstellung für Messgeräte
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Core Facilities
Wenn Forschung ausgelagert wird

An vielen Hochschulen bieten spezialisierte Zentren wissenschaftliche Dienstleistungen für Forschende an. Wie erleichtern sie deren Alltag?

Von Elmar Endl 14.10.2021

Die Verfügbarkeit aktueller Spitzentechnologien bestimmt zunehmend den Stellenwert wissenschaftlicher Forschung. Dem einzelnen Forscher ist es überwiegend nicht mehr möglich, die finanziellen und personellen Mittel aufzubringen, um in hochpreisige Geräte und aufwendige Methoden zu investieren. Darüber hinaus fehlt oft schlicht die Zeit, das technische Fachwissen zu erarbeiten, um diese Technologien umfassend und erschöpfend zu nutzen. Eine Bereitstellung dieser Technologien in funktionellen Einheiten, sogenannten Core Facilities, sowie die Bündelung wissenschaftlicher Expertise und praktischer Erfahrung stellt damit nicht nur in wissenschaftlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine nachhaltige Lösung dieser Problematik dar.

Core Facilities können helfen, Geld zu sparen. Darunter sind nicht Kürzungen zu verstehen, die sich oft aus existentiellen Krisen ergeben und nur kurzfristig für eine Reduktion von finanziellen und personellen Kosten sorgen. Eine Zentralisierung und Begrenzung der Ausstattung technischer Plattformen auf das Notwendigste kann dann meist weder die Anforderungen anspruchsvoller Projekte noch die Wettbewerbsfähigkeit für zukünftige Projekte befriedigen.

Vielmehr geht es um eine langfristige Strategie, bereits vorhandene Ressourcen planvoll zu nutzen und gezielt auszubauen, so dass sie fakultätsübergreifend allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in professioneller Form und möglichst gewinnbringend zur Verfügung stehen. Die Kostenreduktion ergibt sich dann aus der Minimierung des finanziellen, personellen und zeitlichen Aufwands, angestrebte Forschungsziele zu erreichen.

Sie unterstützen, verwalten und beraten die Forschung

Core Facilities brauchen dafür übergeordnete Strukturen. Meist sind es forschungsstarke Institute, aus denen Core Facilties entstehen. Die dort gegebenen organisatorischen und personellen Voraussetzungen sind aber schnell überfordert, wenn die Nutzung der Core Facilities die Grenzen des Instituts, der Fakultät oder der Universität überschreitet. Benutzerverwaltung, Konzepte für das zentrale Management der Forschungsdaten, internetbasierte Management- und Informationssysteme brauchen dann digitale Werkzeuge. Buchungssysteme erleichtern etwa die Vergabe von Messzeit und die prospektive Planung von Versuchen. Leistungsfähige IT-Infrastrukturen und Datenmanagementpläne ermöglichen eine effiziente Umsetzung der erhobenen Daten von der Messung bis zur Verwertung. Ziel bleibt dabei, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu entlasten und ihnen zusätzliche Zeit für ihre Forschung zu schaffen. Die durch die Systeme generierten Zahlen helfen wiederum übergeordneten Gremien, die Leistungsfähigkeit der Core Facilities fortlaufend zu überprüfen und frühzeitig Engpässe in der Nutzung der vorhandenen Geräte festzustellen, aber auch den Bedarf an neuen Technologien zu erkennen.

"Core Facilities sollten aber mehr als nur eine gut gepflegte Ansammlung von Geräten sein."

Core Facilities sind Service-Einrichtungen: Nutzer wissen es zu schätzen, wenn sie ein betriebsbereites Gerät vorfinden, Zubehör und Zusatzgeräte in Reichweite sind und sich bei Problemen schnell ein fachkundiger und hilfsbereiter Ansprechpartner finden lässt. Und es ist rein menschlich, dass beaufsichtigte Geräte rücksichtsvoller behandelt werden. Geräte können nach Einweisung selbstständig oder zusammen mit fachkundigem Personal im Servicebetrieb genutzt werden. Sofern es die Methodik erfordert und die Personalausstattung erlaubt, ist auch ein reiner Servicebetrieb möglich, der dem Nutzer abschließend nur die Ergebnisse zur Verfügung stellt. Einmal aufgebaute Strukturen können nicht nur für eine effiziente Nutzung von Geräten verwendet werden, sondern ermöglichen es auch, den Forschern komplexere Methoden aus der Gentechnik, Zellbiologie und Biochemie als Dienstleistung anzubieten.

Core Facilities sollten aber mehr als nur eine gut gepflegte Ansammlung von Geräten sein. Core Facilities sollten ein Beratungs- und Ausbildungsangebot bereitstellen, das Projektbesprechungen, Trainings, Workshops und Vorlesungen umfasst. Die gezielte Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf allen Ebenen der Entwicklung vom Studenten bis hin zum Nachwuchsgruppenleiter soll dabei gewährleisten, dass die Erhebung, Auswertung und Darstellung der Daten der aktuellen guten wissenschaftlichen Praxis entsprechen. Ganz nebenbei werden dadurch unproduktive Einarbeitungsphasen überbrückt und Fehlerfortpflanzung und Fehlerkosten in der Durchführung vorab vermieden. Wissenschaftlich ausgebildetes Personal ist eine oft unterschätzte Grundlage nicht nur dafür, sondern auch für eine projektbezogene Weiterentwicklung von Methoden. Letztendlich dienen Core Facilities dazu, eine der wertvollsten Ressourcen an Universitäten auszubauen, zu erhalten und zu teilen: Wissen.

Nach US-Vorbild aufgebaut

Gemeinsam genutzte Forschungsinfrastrukturen in den Lebenswissenschaften haben hierzulande noch nicht die Tradition, wie sie in anderen Fachbereichen, wie zum Beispiel Physik oder Astronomie, oder in anderen Ländern bereits existiert.

In den Vereinigten Staaten von Amerika leitete 1981 die Einführung des Shared Instrument Grant durch die U.S. National Institutes of Health ein Umdenken in der Nutzung von Geräten aus dem Bereich Genomik (DNA Sequenziergeräte) und Proteomik (Massenspektrometer) ein. Entsprechende Labore organisierten sich 1988 in der Association of Biomolecular Resource Facilities (ABRF), um dort neue organisatorische und technische Herausforderungen und entsprechende Lösungen zu diskutieren. Auch Core Facilities für Mikroskopie und Durchflusszytometrie tauschen sich seitdem international auf Tagungen von Fachgesellschaften aus und mit dem Netzwerk Core Technologies for Life Sciences ist auf europäischer Ebene eine Plattform entstanden, die sich speziell mit Themen aus dem Bereich Core Facilities auseinandersetzt.

In Deutschland dürfte die aufgrund der Föderalismusreform 2006 erfolgte Neuordnung des Förderprogramms "Forschungsgroßgeräte" der Deutschen Forschungsgemeinschaft entscheidende Impulse für die Einrichtung von Core Facilities gegeben haben. Im Laufe der Jahre wurden dort Hinweise, Empfehlungen und Anforderungen ausgearbeitet, die aus Sicht eines Drittmittelgebers für den Betrieb von Core Facilities erforderlich sind. Noch gibt es wenig Möglichkeiten, sich darüber auf nationaler Ebene auszutauschen. Beispielhaft kann man die Aktivitäten der German BioImaging-Gesellschaft für Mikroskopie und Bildanalyse e.V. (GerBI-GMB, Core Manager Workshops) und Workshops über Administrative Herausforderungen in Technologieplattformen an der Universität Ulm nennen.

Ausgearbeitete Konzepte für den Betrieb von Forschungsinfrastrukturen sind aber nicht nur hilfreich, um Drittmittelgebern gegenüber überzeugend aufzutreten, sondern steigern die Attraktivität des Forschungsstandorts und unterstützen damit die Rekrutierung von Nachwuchswissenschaftlern und Professoren. Vielerorts ist die Frage darum nicht mehr, ob es Sinn macht, Core Facilities einzurichten, sondern wie man diese aufbaut und nachhaltig betreibt.